18.3.2014 Michael Csaszkóczys Rechtsanwalt beantragt die gerichtliche Feststellung, dass die Verweigerung der Akteneinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Baden-Württemberg und das dortige Innenministerium rechtswidrig ist. Wie schon beim analogen Schriftsatz zum BfV-Verfahren illustrieren offensichtlich willkürliche oder nachgerade bizarre Schwärzungen die Arbeitsweise der Inlandsgeheimdienste.
[Im Verfahren Michael Csaszkóczys gegen das Land Baden-Württemberg] beantragt der Kläger, gemäß § 99 Abs. 2 VwGO festzustellen, dass die Verweigerung der Vorlage der (vollständigen) Akten durch den Beklagten auf der Grundlage der Sperrerklärung vom 30.10.2013 nicht rechtmäßig ist. Der Kläger bittet, dazu dem dafür zuständigen Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim — Fachsenat — die Akten vorzulegen; den Beklagten daran zu erinnern, die Akten zum Kläger vollständig vorzulegen, insbesondere die eigentliche „Personenakte” des Klägers; ergänzend aus gegebenem Anlass - der Beklagte hat offenbar gezielt an der gerichtlichen Aufforderung vorbei (lediglich) die aktuelle Verfahrensakte „Auskunftsersuchen” vorgelegt - den Beklagten um vollständige Auskunft (§ 99 Abs. 1 S. 1 VwGO) zu bitten, welche Urkunden, Akten und elektronischen Dokumente zum Kläger vorrätig gehalten werden und dabei auch die mehrfach in der vorgelegten Akte erwähnte „IBA” zu erklären.
[Erläuterung der Vorgeschichte: Das LfVS hat nach llangem Rechtweg von der Akte "Auskunftsersuchen Michael Csaszkóczy" nur 123 von 483 Seiten ungeschwärzt vorgelegt]
Bei den vorgelegten Seitenhandelt es sich weitgehend um den bereits bekannten Schriftverkehr zwischen den Parteien, so den Ausgangs- und den Widerspruchsbescheid des Beklagten sowie vorgerichtliche Mahnschreiben des Klägers an den Beklagten, aber auch (in Kopie) um den gesamten Schriftverkehr des Klägers in der gleich gelagerten Auseinandersetzung mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz, die inzwischen parallel beim VG Köln anhängig ist. Auf diese Weise findet sich das 30 Seiten starke Urteil des VGH Baden-Württemberg aus dem Jahr 2007, mit dem sein früheres Berufsverbot als Lehrer aufgehoben wurde, gleich doppelt bei den Akten. [...]
Auf der Grundlage der jetzt vorgelegten rudimentären Behördenakte kann dieses Verfahren nicht sinnvoll und sachgerecht geführt werden. Es bedarf der Überprüfung der Sperrerklärung durch den zuständigen Fachsenat des Verwaltungsgerichtshofs. Für die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung sprechen aus Sicht des Klägers — mindestens — zwei Punkte:
Einmal geben Ungereimtheiten zwischen den Ausführungen in der Sperrerklärung und den vorgelegten, geschwärzten und nicht vorgelegten Aktenblättern Anlass zu der Vermutung, die Sperrung bzw. Schwärzung der Akte sei — ebenso wie die Auskunftserteilung selbst — eher willkürlich erfolgt. Einige Beispiele:
Auf Blatt 1 der Akte findet sich das ursprüngliche Auskunftsersuchen des Klägers, mit beigefügtem Personalausweis auf Blatt 2. Blatt 3-5 der Akte anschließend sind dann nicht vorgelegt. Laut Sperrerklärung handelt es sich hier um ein Anschreiben an eine andere Behörde. Damit ist sachlich nicht nachvollziehbar, warum ein gesetzlich vorgesehenes Auskunftsersuchen eines Betroffenen als erste Reaktion die — vermutlich — Benachrichtigung einer anderen Behörde hervorruft. Wenn hier aber insoweit sachfremdes Handeln zu unterstellen ist, kann nicht ernsthaft Geheimhaltungsbedürftigkeit ins Feld geführt werden. Dasselbe gilt vermutlich für Blatt 11-26 der Akte, im Anschluss an die Eingangsbestätigung zum Auskunftsersuchen, die laut Sperrerklärung wiederum Mitteilungen einer anderen Behörde, darunter auch in Form eines Telefonvermerks, enthalten. Nicht nachvollziehbar bleibt dabei auch, warum auf Blatt 17-19 Schwärzungen vorgenommen worden sein sollen, wenn zugleich Blatt 17-19 überhaupt nicht vorgelegt wurden?!
Auf willkürliche, sogar - in Ansehung des entsprechend verbrieften Informationsanspruchs des Klägers - grundrechtswidrige Arbeitsweise deutet ferner hin, dass es auf Blatt 27, das mit Schwärzungen vorgelegt ist, u.a. heißt: „Aufgrund des umfangreichen Datenbestandes (??? Seiten IBA) und dem für die Fachabteilung und den Leitungsstab zu erwartenden Arbeitsaufwand, wurde vereinbart, ... lediglich über die letzten vier Jahre (2006 bis 2010) ausführlich ... und für die Zeit davor im Rahmen einer zusammenfassenden Darstellung Auskunft zu erteilen.” [...] Das bedeutet, dass bisher für den Zeitraum Januar 2004 bis Juni 2006 sozusagen ein schwarzes Loch existiert und, entgegen der geäußerten Absicht, noch nicht einmal eine „zusammenfassende Darstellung” gegeben wurde.
Bei der Vielzahl der über den Kläger gesammelten Erkenntnisse, die ihm jetzt bekannt sind, erscheint es ausgeschlossen, dass im genannten Zeitraum überhaupt nichts registriert wurde. Ebenso erscheint es ausgeschlossen, dass bei (überwiegender) Belanglosigkeit der bisher mitgeteilten Erkenntnisse nicht auch im genannten Zeitraum Erkenntnisse angefallen sind, die hätten mitgeteilt werden können. Das ist jedoch nicht geschehen. Daher ist, was im vorliegenden Zusammenhang die Aktenvorlage betrifft, auch nicht nachvollziehbar, warum Blatt 63-75 nicht vorgelegt wurden. Dabei handelt es sich um die Fortsetzung eines Vermerks über die zum Kläger vorliegenden Erkenntnisse, der auf Blatt 60 beginnt und der auf Blatt 62 dann — chronologisch rückwärts geordnet — mit dem März 2007 abbricht.
[Zum anderen gibt es Ungereimtheiten im Umgang mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz (LfD)
Aus den vorgelegten Akten ist nun überraschenderweise ersichtlich, dass ihm [dem LfD] das LfV, jedenfalls zunächst, für die datenschutzrechtliche Prüfung keinen vollständigen Ausdruck der zum Kläger aufgelisteten Vorgänge vorgelegt hatte (Blatt 122). Beim Kontrollbesuch des Datenschutzbeauftragten zur stichprobenartigen Überprüfung der gespeicherten Daten stellte sich dann offenbar heraus, dass es zu sechs Vorgängen keine Original-Unterlagen gab. Mindestens zwei, vermutlich vier Vorgänge davon blieben dann trotz intensiver Suche des Referats (LfV) verschwunden; der entsprechende Vermerk in den Akten (Blatt 125) ist etwa zur Hälfte geschwärzt, so dass insoweit teils nur Spekulationen möglich sind. Zwei Vorgänge ohne Aktenrückhalt sollten gelöscht werden (Blatt 127), was der Datenschutzbeauftragte dem Anwalt des Petenten (des Klägers) auch mitteilen sollte. Diese Feststellungen des Datenschutzbeauftragten finden aber in seinem Schreiben (oben auszugsweise zitiert) bemerkenswerterweise überhaupt keine Erwähnung. Das Ergebnis seiner Kontrolle, wie er es dem LfV mitteilt, Blatt 136 ff.) enthält (mindestens) zwei beachtliche Äußerungen: „Von den Auskunftspersonen wurde jedoch nicht bestritten, dass Anmeldungen von Demonstrationen, Redebeiträge während solcher Aufzüge u.ä. aufgrund der grundgesetzlich gewährten Versammlungsfreiheit eigentlich nicht erwähnenswert seien. ... Dass Vorgänge möglicherweise in IBA gespeichert wurden und dann an falscher Stelle abgelegt wurden, halte ich bei dem massenhaften Anfall an Material für nicht ausgeschlossen.” An dieser Stelle fragt sich der Kläger, ob seine Datensicherheit beim LfV und sein Datenschutz beim LfD tatsächlich in guten Händen ist. Das Misstrauen verstärkt sich dadurch, dass aus dem Vorgang der datenschutzrechtlichen Kontrolle (soweit ersichtlich: Blatt 118 ff.) Blatt 131 — 134 nicht vorgelegt wurden, ohne dass in der Sperrerklärung, wie sonst üblich, genau bezeichnet wurde, worum es sich bei diesen Blättern handelt — es ist lediglich von einem „Dokument” die Rede.
[Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz war im parallelen Verfahren gegen das BfVS hilfreicher, und seine Stellungnahme möge im in-camera-Verfahren Berücksichtigung finden]
Aus der Natur der Sache ist eine weitere Begründung dafür, dass die Sperrerklärung rechtswidrig ist, schwer möglich. Dazu müsste der Kläger die gesperrten Akten kennen. [...] Er muss aber die Befürchtung äußern, dass der Beklagte die Akten überwiegend gesperrt hat, um nicht zuletzt den Erfolg der Klage zu vereiteln. Die Befürchtung ergibt sich aus der Qualität der offen gemachten Erkenntnisse, wie oben dargelegt, vor dem Hintergrund der dazu gültigen Ausführungen des VGH Baden-Württemberg in dem erwähnten Berufsverbotsverfahren. Die Befürchtung ergibt sich zudem aus den nicht nachvollziehbaren Schwärzungen und Sperrungen, wie sie beispielhaft oben unter Ziffer 2.) kommentiert wurden. Die Befürchtung ergibt sich vor allem daraus, dass der Beklagte (bisher) offenbar nur den Aktenvorgang vorgelegt hat, der entstanden ist aufgrund und im Anschluss an das Auskunftsersuchen des Klägers vom 06.05.2010. Die eigentlichen Behördenakten, die zum Kläger, der vom Beklagten seit immerhin 25 Jahren beobachtet wird, notwendig entstanden sein müssen, auch in elektronischer Form gegebenenfalls, sind damit gar nicht Gegenstand der bisherigen — rudimentären — Aktenvorlage. Bei jenen Akten könnte man sich vorstellen, dass dort an der einen oder anderen Stelle beispielsweise Quellenschutz zu gewährleisten wäre. Das ist allerdings bei einem Aktenvorgang, der lediglich die Behandlung eines Auskunftsersuchens beinhaltet, schon logisch praktisch ausgeschlossen. Bezogen auf den aktuellen Aktenvorgang allein zum Auskunftsersuchen dürfte es schon denknotwendig nur sehr wenig Anlass für Schwärzungen geschweige denn für Sperrungen geben.
Wie weit der — Entschuldigung — Geheimhaltungswahn des Beklagten inzwischen geht, illustriert abschließend beispielhaft das letzte Blatt (Blatt 483) der vorgelegten Akte, bei dem es sich um eine Mitteilung der Landesoberkasse an den Beklagten handelt wonach die vom Kläger gezahlte Gebühr für den Widerspruch noch nicht ordnungsgemäß zugeordnet werden konnte: Allein auf diesem belanglosen Schreiben finden sich 13 Schwärzungen!
Heiming Rechtsanwalt