Verwaltungsgericht Karlsruhe


Im Namen des Volkes

Urteil


direkt zur Urteilsbegründung

In der Verwaltungsrechtssache


Michael CSASZKOCZY, - Kläger -



gegen


Land Baden-Württemberg vertr. d. d. Regierungspräsidium Karlsruhe Schule und

Bildung - Beklagter -


wegen Einstellung in den Schuldienst



hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe -1. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Heß, den Richter am Verwaltungsgericht Kink und die Richterin am Verwaltungsgericht Warnemünde sowie durch die ehrenamtlichen Richter Peter Maier und Wolfgang Noll


auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2006


für R e c h t erkannt:



Die Klage wird abgewiesen.


Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.


TATBESTAND:


Der Kläger begehrt die Einstellung in den öffentlichen Schuldienst des Landes Baden-Württemberg.


Der am 06.05.1970 in Heidelberg geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. In seiner Heimatstadt erhielt er am 12.05.1989 das Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife. Nach einem nicht zu Ende geführten Universitätsstudium begann er im Sommersemester 1996 an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg ein Lehramtsstudium im Fach Geschichte mit den Nebenfächern Deutsch und Kunst. Am 03.07.2000 bestand er die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen mit der Note gut (1,5). Nach Ableistung des Vorbereitungsdienstes bestand er am 24.07.2002 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen mit der Gesamtnote gut (2,0).


Am 27.02.2002 beantragte der Kläger seine Einstellung in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg (Realschulen). Nach den Kriterien der Bestenauslese in Verbindung mit der Bedarfslage stand der Kläger Ende 2003 zur Einstellung als Beamter auf Probe zum 01.02.2004 an. Bereits im Sommer 2003 war dem für die Einstellung zuständigen Oberschulamt Karlsruhe vom Innenministerium über das Kultusministerium Baden-Württemberg mitgeteilt worden, nach vorliegenden Erkenntnissen bewege sich der Kläger seit den 90-er Jahren im linksextremen Spektrum des Heidelberger Raumes und sei in die dortige autonome Szene eingebunden. Mit Schreiben des Oberschulamts vom 15.12.2003 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass nach den dem Amt mitgeteilten Erkenntnissen Zweifel an seiner Verfassungstreue bestünden, es werde deshalb ein vertieftes Einstellungsgespräch für erforderlich gehalten. Mit Schreiben vom 30.12.2003 teilte das Oberschulamt dem Kläger mit, vor dem ins Auge gefassten Gespräch werde es eine Anfrage an das Landesamt für Verfassungsschutz richten, ob entsprechende gerichtsverwertbare Tatsachen vorlägen, die gegen seine Übernahme in den Schuldienst sprächen.


Auf Einladung des Oberschulamts fand mit dem Kläger am 21.04.2004 ein so genanntes vertieftes Einstellungsgespräch statt. Der Kläger wurde unter anderem zu den vom Innenministerium mitgeteilten, inzwischen ihm bekannt gemachten Erkenntnissen befragt, auch zu Veröffentlichungen in der Homepage des Autonomen Zentrums in Heidelberg. Der Kläger erklärte auf Frage, er sei Mitglied der dortigen Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AI HD). Zu den vom Verfassungsschutz zusammengetragenen Erkenntnissen nahm der Kläger schriftlich Stellung. Zu den veröffentlichten Grundlagen der AI HD „Wir über uns!" bat er sich nach anwaltlicher Beratung aus, sich schriftlich differenziert äußern zu dürfen. Dies tat er am 30.04.2004.


Mit Entscheidung vom 25.08.2004 lehnte das Oberschulamt Karlsruhe den Antrag des Klägers auf Einstellung in den Schuldienst des Landes ab. Aufgrund der Erkenntnisse des Landesamts für Verfassungsschutz, die der Kläger im Wesentlichen als zutreffend eingeräumt habe, sowie aufgrund der ebenfalls zugegebenen Tatsache, dass er aktives Mitglied der AI HD sei, verblieben Zweifel an seiner Verfassungstreue. Dies insbesondere auch, weil der Kläger sich ausdrücklich zur Militanz als legitimes Mittel im Kampf um die Befreiung und zu den Zielen dieser Organisation aktiv bekenne. Die AI HD stelle sich selbst als eine Gruppe dar, die davon überzeugt sei, dass sich auf parlamentarischem Weg an den herrschenden Unterdrückungsverhältnissen nichts Grundlegendes ändern werde. Demgemäß wäre es bei den Aktivitäten der AI HD mehrfach zu Ausschreitungen gekommen. Wer aber das System der Parlamentarischen Demokratie und das Gewaltmonopol des Staates über ein Jahrzehnt hinweg bekämpfe, begründe Zweifel an seiner Verfassungstreue. Der Kläger habe diese Zweifel nicht ausräumen können. Dies mache ihn für den öffentlichen Schuldienst ungeeignet.


Am 31.08.2004 erhob der Kläger Widerspruch gegen die ablehnende Entscheidung des Oberschulamts, weil sie gegen eine Vielzahl von Grundrechten des Grundgesetzes und Artikeln der Europäischen Menschenrechteskonvention verstieße. Eine ausführliche Begründung erspare man sich, weil davon ausgegangen werden müsse, dass die wohl auf höchster Ebene getroffene Entscheidung im Widerspruchsverfahren nicht geändert werde. Am 15.11.2004 wies das Oberschulamt Karlsruhe den Widerspruch als unbegründet zurück und vertiefte seine Überzeugung, dass nicht als Lehrer m öffentlichen Schulen wirken könne, wer wie der Kläger aktives Mitglied in einer extremistischen Gruppierung sei, sich darin aktiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung stelle und Militanz als angemessenes Mittel der politischen Auseinandersetzung ansehe.
Am 02.12.2004 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, für den Beklagten ergäben sich Zweifel an seiner Verfassungstreue vor allem aus dem langjährigen Verhaftetsein in einer angeblich verfassungsfeindlichen Szene und aus der Mitgliedschaft in einer als verfassungsfeindlich bezeichneten Organisation - AI HD - in Verbindung mit der Ausübung besonderer Aktivitäten für diese Organisation. Für diese Bewertung seien die in Bezug genommenen Erkenntnisse kein ausreichender Beleg. Die Zwanzigpunkteliste des Innenministeriums beschreibe ein herausragendes demokratisches Engagement des Klägers, der in dankenswerter Deutlichkeit erkannte Missstände in unserer Gesellschaft benenne, wobei er einerseits die Zustände an den hohen Vorgaben des Grundgesetzes messe und andererseits sich der ebenfalls von unserer Verfassung vorgegebenen Mittel bediene, beispielsweise Demonstrationen, um darauf aufmerksam zu machen. So engagiere er sich gegen Krieg und Faschismus und lokal für das Autonome Zentrum, ein selbst verwaltetes Jugendzentrum. In schwierigen Situationen bemühe er sich um Vermittlung und Konfliktlösung. Insoweit habe sich das Oberschulamt mit den einzelnen Punkten in den dargelegten Erkenntnissen nicht näher auseinandergesetzt. Es habe insbesondere nicht klar getrennt zwischen Vorgängen in Bezug auf das Autonome Zentrum einerseits und zur Antifaschistischen Initiative andererseits. Nur letztere stufe er als verfassungsfeindlich ein, ziehe aber gleichzeitig als Beleg für exponierte Aktivitäten Vorgänge heran, die ausschließlich das Autonome Zentrum beträfen. Aber erst ab Januar 2001 stünden Aktivitäten des Klägers im möglichen Zusammenhang mit der AI HD. Nach alledem sei es aus den bisher genannten Gründen des Oberschulamts nicht möglich, den Schluss eines langjährigen Verhaftetseins in einer verfassungsfeindlichen Szene zu ziehen. Dabei folge für den Beklagten die Verfassungsfeindlichkeit bereits aus der Tatsache, dass sie vom Verfassungsschutz beobachtet und als linksextrem eingestuft werde. Diese Auffassung greife zu kurz, weil sie lediglich die Bewertung des Verfassungsschutzes übernehme. Wichtiges Ziel der AI HD sei es, Faschismus und Neofaschismus zu bekämpfen, dies bedeute konkret, vor allem auf Märschen und Kundgebungen der NPD entgegenzutreten. Bei diesen Aktivitäten sei es unzulässig, die Antifaschisten als „gewaltbereite Linksextremisten" zu beschreiben. Er, der Kläger, habe dargelegt, dass in der AI HD Menschen sehr unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Überzeugung zusammen der Rechtsentwicklung in unserer Gesellschaft etwas entgegensetzen wollten. Dabei lasse er sich in seiner eigenen politischen Praxis, die sich aus der Zwanzigpunkteliste ablesen lasse, nicht einzelne Erklärungen oder Statements von anderen Mitgliedern zuordnen. Insofern würden die vom Innenministerium aufgelisteten Erkenntnisse formal und inhaltlich falsch behandelt und gewichtet. Er, der Kläger, habe beispielsweise Gewalt gegen Menschen und Sachen immer deutlich verurteilt und abgelehnt. Im Übrigen sei seine Mitgliedschaft in der AI HD lediglich ein Indiz für fehlende Verfassungstreue, die mit anderen Indizien einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen sei. Hier fehle völlig die Würdigung seines Verhaltens im Unterricht im Vorbereitungsdienst, dass gerade auch im Hinblick auf die Verfassungstreue absolut tadelsfrei gewesen sei. Schließlich fehle in den angefochtenen Bescheiden die notwendige Prognose künftigen Verhaltens. Wäre hier eine Aktualisierung vorgenommen worden, wäre zu berücksichtigen gewesen, dass er sein demokratisches Engagement zwischenzeitlich ausgebaut und sich bei der Heidelberger Kommunalwahl 2004 im Rahmen der „Bunten Liste" für den Stadtrat beworben habe. Dieses Engagement werde zunehmend anerkannt, beispielsweise sei 2004 mit Zustimmung der Oberbürgermeisterin vorgeschlagen worden, ihn für hervorragende Zivilcourage mit der Heidelberger Bürgerplakette auszuzeichnen.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide des Oberschulamts Karlsruhe vom 25.08. und 15.11.2004 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn in den öffentlichen Schuldienst des Landes einzustellen.


Der Beklagte beantragt,


die Klage abzuweisen.


Er trägt vor, dem Dienstherrn stehe bei der Prüfung, ob ein Beamtenbewerber die Gewähr der Verfassungstreue biete, ein Beurteilungsspielraum zu. Dementsprechend unterliege die Entscheidung der hier zuständigen Behörde als persönlichkeitsbezogene Prognoseentscheidung nur einer beschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Der

Dienstherr sei nicht verpflichtet, nachzuweisen, dass der Kläger nicht verfassungstreu sei. Für ein Fehlen der Gewähr jederzeitigen Eintritts für die freiheitliche demokratische Grundordnung genügten bereits begründete Zweifel. Es bestehe auch keine Vermutung der Verfassungstreue bis zum Beweis des Gegenteils. Der Kläger habe nach wie vor nicht darzulegen vermocht, dass der Dienstherr diese Kriterien verletzt hätte. Aus der vom Innenministerium vorgelegten Liste der Aktivitäten des Klägers ergäbe sich, dass er als Aktivist für eine verfassungsfeindliche Organisation in Heidelberg und Umgebung in hervorgehobener Position langjährig und vielfach in Erscheinung getreten sei, und zwar als Wortführer, Redner, Versammlungsleiter und Initiator für Demonstrationen. Ein hier wie auch immer verstandenes Engagement gegen Rechtsextremismus könne die zu verzeichnenden linksextremistischen Aktivitäten sowie die Befürwortung von Gewalt nicht rechtfertigen. Die Aktivitäten in der Szene - gerade auch die, die der Kläger in einer über die bloße Mitgliedschaft hinausreichenden Funktion wahrgenommen habe -ließen unabhängig davon, ob Gewaltbereitschaft bei ihm nachgewiesen worden sei, Zweifel an seiner Verfassungstreue aufkommen. Die grundsätzliche Gewaltbereitschaft der Szene ergebe sich sowohl aus den veröffentlichten Verlautbarungen der AI HD als auch aus den vom Innenministerium mitgeteilten Erkenntnissen. Auch der Versuch des Klägers, zwischen dem Autonomen Zentrum einerseits und der AI HD andererseits zu differenzieren und lediglich auf seine Aktivitäten für die letztere Organisation seit 1999 abzustellen, gehe fehl. Das Landesamt für Verfassungsschutz ordne die Autonome Szene und damit das Autonome Zentrum Heidelberg eindeutig dem gewaltbereiten Linksextremismus und damit der verfassungsfeindlichen Szene zu. Darüber hinaus sei der Kläger Mitglied in der linksextremistischen „Roten Hilfe e. V." und in der linksextremistisch beeinflussten „Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten". Die Mitgliedschaft in diesen beiden Organisationen belege einmal mehr, wie stark der Kläger in das verfassungsfeindliche Spektrum verstrickt sei und dass es absolut unglaubwürdig sei, wenn er nunmehr dieses Verhaftetsein in der Szene relativieren wolle.


Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Dem Gericht liegen die einschlägigen Personalakten des Kultusministeriums Baden-Württemberg (2 Bände) und des Regierungspräsidiums Karlsruhe - Schule und Bildung - (2 Bände) vor. Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört worden.


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:


Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.


Die ablehnenden Bescheide des Oberschulamts Karlsruhe vom 25.08. und 15.11.2004 sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die negative Eignungsbeurteilung des Klägers durch den Dienstherrn hält der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung stand. Dieser hat keinen Anspruch auf Einstellung als Beamter auf Probe in den Realschuldienst des Beklagten.


Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Landesbeamtengesetzes in der Fassung vom 19.03.1996 (GBI. S. 286). Nach dieser Vorschrift darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt. Dabei handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. zuletzt Beschluss vom 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02 -) und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 27.11.1980, DRiZ 1981, 231 f.) um eine bundesverfassungsrechtlich vorgegebene, durch den zuständigen Beamtengesetzgeber konkretisierte Eignungsvoraussetzung. Die Pflicht des Beamten zur Verfassungstreue ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG. Dieses Erfordernis gilt für jedes Beamtenverhältnis, auch für das Beamtenverhältnis auf Probe. Die beamtenrechtliche Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 LBG verstößt, wie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wiederholt ausgesprochen worden ist, nicht gegen Grundrechte der Beamtenbewerber (BVerfGE 39, 334 f.; BVerwGE 47, 330, 365). Auch die Europäische Menschenrechtskonvention steht einer solchen Eignungsvoraussetzung für die Einstellung in den öffentlichen Dienst nicht entgegen (EGMR, Urteil vom 26.09.1995, NVwZ 96, 365).


Zu der umfassenden Treuepflicht des Beamten gehört als Kern die Pflicht, sich mit der Idee der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren, dem er als Beamter dienen soll (BVerfGE 39, 334, 347 f.; BVerwGE 55, 332, 337). Sie fordert von dem Beamten insbesondere, dass er den Staat und seine geltende Verfassungsordnung bejaht und dass er sich durch Wort und sonstiges Verhalten in äußerlich erkennbarer Weise aktiv für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsetzt (BVerwGE 47, 330, 338). In diesem Sinne ist der Dienst des Beamten unter der Geltung des Grundgesetzes immer Dienst an seiner freiheitlichen demokratischen Grundordnung und zwar so, wie sie in über 50 Jahren Verfassungswirklichkeit und Verfassungsentwicklung gelebt und gesichert worden ist. Die Verfassungstreuepflicht gebietet dem Beamten zwar nicht, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung zu identifizieren. Sie schließt auch nicht aus, Kritik an Erscheinungen des Staates üben zu dürfen, solange eben nicht dieser Staat und seine verfassungsmäßige Ordnung in Frage gestellt werden. Das damit geforderte positive Eintreten des Beamten für seinen Staat und dessen Ordnung fehlt aber auch, wenn bei der Beschreibung der Verfassungswirklichkeit sowie der wirklichen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bundesrepublik an die Stelle des kritischen Urteils mit Augenmaß eine Darstellung tritt, die im einzelnen kritikwürdige Zustände bewusst entstellt und überspitzt verallgemeinert, begleitet von einer Diffamierung der Einrichtungen des Staates und bestimmter relevanter Gruppen (Parteien), sodass der Eindruck entstehen muss, diese allenthalben bestehenden Missstände hätten letztlich ihre Ursache in der Grundordnung selbst, am Maßstab praktischer Bewährung gemessen sei sie also untauglich. Auf diese Weise wird ein Klima geschaffen, in dem - möglicherweise sogar auf Gewaltanwendung zielende - Neigungen gedeihen, diese Grundordnung als in ihren Auswirkungen unerträglich zu beseitigen (BVerwG, Urteil vom 27.11.1980, a.a.O.).


Eine solche bedenkliche Haltung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung vermutet das Oberschulamt nicht ohne Grund in der politisch linksorientierten autonomen Szene, in der sich der Kläger unstreitig seit Anfang der 90-er Jahre in Heidelberg bewegt. Dieses Szene sieht sich zwar in Übereinstimmung „mit dem antifaschistischen Geist des Grundgesetzes" und kämpft ausdrücklich für eine Welt ohne Rassismus, Ausbeutung und Krieg. Dies sind ohne Zweifel positive und verfassungsgemäße Motive und Ziele. Die Verfassungsschutzberichte des Bundesministeriums des Inneren und des Innenministeriums Baden-Württemberg berichten jedoch übereinstimmend seit Jahren, dass hier in Wahrheit ein gewaltbereiter Antifaschismus mit System überwindender Stoßrichtung gepflegt wird. Der „Antifaschismus", das traditionelle Aktionsfeld und -thema für Anhänger und Gruppierungen des Linksextremismus, richte sich seit jeher nur vordergründig gegen den Rechtsextremismus; er habe letztlich eine verfassungsfeindliche Stoßrichtung, um die angeblich unserer Gesellschaftsordnung immanenten Wurzeln des Faschismus zu beseitigen (Verfassungsschutzbericht 2004 des Bundesministeriums des Inneren, Seite 168). Diese Aussage wird bestätigt durch das, was die Antifaschistische Initiative Heidelberg über sich selbst propagiert und als Grundlage ihres politischen Handelns ausgibt. Sie hat sich nach dem bereits oben genannten Grundlagenpapier „Wir über uns!" als Gruppe der „radikalen Linken" organisiert, die „überzeugt ist, dass sich auf parlamentarischem Weg an den herrschenden Unterdrückungsverhältnissen nichts Grundlegendes ändern lässt". Sie ruft zum antifaschistischen Kampf auf, denn „im Deutschland der 90-er Jahre sind gewalttätige rassistische Angriffe zur Normalität geworden". Die Bundesrepublik Deutschland, in der sie sich „mit einem immer drastischer werdenden Rechtsruck in Staat, Parteien und großen Teilen der Gesellschaft konfrontiert sehen", habe den Bruch mit der nationalsozialistischen Vergangenheit nur „vermeintlich" vollzogen, in Wahrheit herrschten rassistische, nationalistische, antisemitische und autoritäre Einstellungen und Strukturen vor, innerhalb eines „imperialistischen Herrschaftskomplexes". In den staatlichen Strukturen „gesellschaftlicher Unterdrückung" werde die deutsche nationalsozialistische Vergangenheit verharmlost und „normalisiert". Diese „Kontinuität zwischen nationalsozialistischem Staat und der Bundesrepublik Deutschland" habe die AI HD auf ihre Tagesordnung gesetzt und wolle sie „militant" bekämpfen.


Mit solchen Ausführungen werden die Grenzen einer legitimen Kritik unseres Staates und seiner Verfassung mit Augenmaß weit überschritten. Hier wird die Bundesrepublik Deutschland haltlos angegriffen und diffamiert, es wird kaum verhüllt zum Kampf gegen die Grundlagen unseres Staates und die ihn tragende Gesellschaft aufgerufen. Es ist geradezu das Kennzeichen unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, dass sie mit der extrem autoritären, im Rechtswesen völlig willkürlichen und insgesamt menschenfeindlichen Staatsordnung des so genannten Dritten Reiches radikal gebrochen hat und eine in jeder Hinsicht gegenteilige Ordnung verwirklicht. Wer dies grundsätzlich leugnet, wendet sich gegen diese Verfassung.


Solchen Bestrebungen gegenüber verlangt die Verfassungstreuepflicht vom Beamten eine eindeutig ablehnende Haltung. Er muss sich kompromisslos von Gruppen distanzieren, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (BVerfGE 39, 348). Dabei ist es unerheblich, mit welchem angeblich moralischen Anspruch dies getan wird. Der Kläger hat sich nicht in dem hier erforderlichen Umfang distanziert. Er ist nach wie vor Mitglied der AI HD. Bei seinem Einstellungsgespräch am 21.04.2004 hat er spontan geäußert, er stehe persönlich hinter dem Inhalt des oben genannten Papiers „Wir über uns!" der AI HD. Später hat er einige Aussagen relativiert und die grundsätzlich staatsfeindliche Haltung der AI HD geleugnet. Für das Oberschulamt Karlsruhe hat dies die begründeten Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers nicht ausgeräumt. Das ist nachvollziehbar und bei der gerichtlichen Überprüfung der Bewertung des Dienstherrn zu akzeptieren. Die weiterhin vorhandene Befürchtung, der Kläger biete nicht die Gewähr, jederzeit für die Erhaltung unserer Grundordnung einzutreten, hat die geschilderte tatsächliche Grundlage durch die abwiegelnden Einlassungen nicht verloren.


Dies gilt auch auf dem Hintergrund der im gerichtlichen Verfahren angeführten Umstände, die den Kläger als engagierten Streiter gegen Rechts und für friedliche Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht schildern. Dies schließt eine tiefgreifend negative Einstellung gegenüber unserem Staat und seiner Verfassungsordnung nicht aus. Auch wer aus übersteigerter Sensibilität für bestimmte positive Prinzipien oder aus lebensfremdem Idealismus heraus unseren Staat und das Handeln seiner Verfassungsorgane wegen stets möglicher Missstände verachtet, grundsätzlich ablehnt und bekämpft, ist als Beamter dieses Staates ungeeignet, weil er die besondere politische Treuepflicht wegen seiner ablehnenden inneren Einstellung nicht garantieren kann. Darüber hinaus, ob der Kläger nur vordergründig „Antifaschist" ist und es ihm in Wahrheit um „Systemüberwindung" als Anarchist oder Kommunist geht oder ob der Kläger sich dieser radikalen Linken nur angeschlossen hat, weil sie sich aus seiner Sicht am konsequentesten gegen Rassismus und Nationalismus einsetzt, kann die Einstellungsbehörde nicht beweisen und muss sie auch nicht klären. Auch wer aus moralischem Rigorismus, Naivität oder Leichtgläubigkeit eine Gruppe unterstützt, von der sich ein Beamter distanzieren müsste, handelt gegen die beamtenrechtliche Treuepflicht.


Der Kläger kann schließlich gegen die Ablehnung, ihn in den Schuldienst einzustellen, nicht einwenden, er habe extreme politische Meinungen, die unseren Staat und seine Verfassung diskreditieren, bisher als Lehrer nie vertreten und es gäbe keinen Anlass, dies in Zukunft zu vermuten. Dem kann das Oberschulamt entgegenhalten, ihm genüge eine formal korrekte Haltung seiner Beamten gegenüber dem Staat nicht. Mit seiner freiheitlichen demokratischen Grundordnung stellt unser Staat einen hohen positiven Wert dar, den der Beamte erkennen und anerkennen muss. Soweit der Anwalt des Klägers in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dieses strenge Eintreten für unsere derzeitige Staatsordnung dürfe jedenfalls in Zeiten politischer Stabilität nicht an zu hohen Anforderungen gemessen werden, das Fehlen jeder äußeren und inneren Bedrohung des Staates erlaube mehr Meinungsfreiheit und Überzeugungsvielfalt auch in der Beamtenschaft, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Krisenzeiten und ernsthafte Konfliktsituationen sind auch in Zukunft nicht auszuschließen. Aber nicht nur dann ist der Staat darauf angewiesen, dass seine Beamten für ihn und seine Grundordnung Partei ergreifen. Dies gilt im Besonderen für Lehrer, die - wie der Kläger es will - die heranwachsenden Generationen in der Landessprache, in Geschichte und Gemeinschaftskunde unterrichten. Der Beamte muss in seiner beruflichen Tätigkeit die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachten und erfüllen und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führen (BVerfGE 349, 348), insbesondere als Lehrer im Unterricht auch die Grundwerte und Grundentscheidungen der Verfassung glaubhaft vermitteln. Nach dem Vorhergesagten gibt es im vorliegenden Fall genügend Anhaltspunkte, dass der Kläger dafür nicht genügend Gewähr bietet.


Nach alledem musste die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abgewiesen werden.


Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch das Gericht sind nicht erfüllt (§ 124 a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO).


Rechtsbehelfsbelehrung (...)


Heß Kink Warnemünde



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