Heidelberg, 12.10.2006


In der Verwaltungsrechtssache


Csaszkóczy ./. Land Baden-Württemberg



wird in der Berufungsinstanz

b e a n t r a g t ,

den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 25.08.2004 und 15.11.2004 und des erstinstanzlichen Urteils des VG Karlsruhe vom 10.03.2006 - 1 K 83/06 - zu verpflichten, den Kläger als Realschullehrer in den Schuldienst (vorsorglich: vorbehaltlich der üblichen gesundheitlichen Untersuchung) einzustellen,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, den Kläger - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - neu zu bescheiden.



Die Berufung wird begründet unter Bezugnahme auf den gesamten bisherigen Vortrag, insbesondere die Stellungnahmen des Klägers im Vorverfahren und die Klagebegründungen vom 18.03.05 und 07.03.06 sowie die Begründung des Zulassungsantrags vom 17.05.06. Dort sind die einzelnen sachlich-rechtlichen und formal-rechtlichen Fehler der angefochtenen Entscheidungen und damit die Rechtswidrigkeit der Bescheide des Beklagten bereits ausreichend dargelegt. Nachdem alle Aspekte hinsichtlich der Frage der Verfassungstreue des Klägers ausführlich erläutert und erörtert wurden, kommt auch, im Wege der Ermessensreduzierung auf Null, keine andere Entscheidung als die Einstellung des Klägers in Betracht (vgl. dazu schon die weitere Klagebegründung v. 7.3.06, S. 3, letzter Abs.).



Ergänzend sollen Ausführungen zu einigen wenigen Punkten gemacht werden:



Datenschutz

Der Beklagte - nicht das Oberschulamt Karlsruhe, sondern das Kultusministerium selbst - hatte ganz zu Beginn des Einstellungsverfahrens beim Landesamt für Verfassungsschutz angefragt, ob dort Erkenntnisse über den Bewerber, den Kläger, vorliegen, ohne dass der Kläger darüber vorher informiert worden wäre. Dies verstößt gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen (vgl. dazu schon Schreiben an VG KA vom 18.03.05).

Dazu ist heute zu ergänzen, dass der Kläger zwischenzeitlich eine förmliche Überprüfung dieses Vorgangs aus datenschutzrechtlicher Sicht beim Landesbeauftragten für den Datenschutz Baden-Württemberg erbeten hat. Der Landesbeauftragte hat sich jetzt mit Schreiben vom 07.08.2006 abschließend ausführlich geäußert und festgestellt, dass der Datenschutz in doppelter Hinsicht nicht beachtet wurde, weil einmal keine Unterrichtung des Betroffenen erfolgte und zum anderen die Daten durch die unzuständige Behörde: das Kultusministerium, abgefragt wurden; für die Einstellung des Klägers wäre das Oberschulamt zuständig gewesen, so dass auch nur das Oberschulamt, nicht aber das Kultusministerium, ein Interesse an etwaigen Daten haben durfte.

Der Landesbeauftragte zitiert in diesem Zusammenhang wörtlich aus dem sog. Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 65, 1, 43):

"Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß."

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem zitierten Urteil, auf dem Hintergrund des entsprechenden technischen Fortschritts, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mit Verfassungsrang als Ergänzung der bereits in die Verfassung hineingeschriebenen Grundrechte formuliert. Mithin ist es absolut befremdlich, dass das Kultusministerium, das gerade auch in der Öffentlichkeit ausdrücklich und vehement immer wieder auf die angeblich fehlende Verfassungstreue des Klägers hingewiesen hat, sich nicht bemüßigt gefühlt hat, sich selbst an Verfassungsrecht zu halten. Verfahrensrechtlich kann dies nur, ähnlich wie im Strafrecht, zu einer Art Verwertungsverbot der erlangten Erkenntnisse führen. Das bedeutet, dass die gesamte sog. Sündenliste des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Frage nach Zweifeln an der Verfassungstreue des Klägers außen vor bleiben muss.


Antidiskriminierung

Die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung und die Bescheide des Beklagten verletzen auch - höherrangiges - EU-Antidiskriminierungsrecht. Hinzuweisen ist hier auf die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 (innerstaatlich inzwischen auch soeben umgesetzt durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, AGG, vom 14.08.2006, dazu unten).

Zweck dieser Richtlinie ist laut Artikel 1


"... die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten."


Diese Richtlinie wiederum geht zurück auf Artikel 13 Abs. 1 des EU-Vertrags (Vertrag von Nizza vom 26.02.2001), in dem es heißt:

"Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrags kann der Rat im Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen."


Vorliegend einschlägig ist das Verbot einer Diskriminierung aufgrund der "Weltanschauung". Nach deutschem Verständnis wird der Passus "Religion oder Weltanschauung" immer zusammen gelesen, und die Weltanschauung unterscheidet sich von der Religion nur dadurch, dass die Transzendenz fehlt.

"Weltanschauung" meint daher eine „wertende Stellungnahme zum Ganzen der Welt und zur Stellung des Menschen darin“ (vgl. von Campenhausen in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, §136 Rn. 43).

Das Bundesarbeitsgericht (22.03.1995 – 5 AZB 21/94 – NZA 1995, 823, 827) hat folgende Definition destilliert:

Unter Religion oder Weltanschauung versteht die Rechtsprechung eine nur mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens. Die Religion legt eine den Menschen überschreitende und umgreifende (‚transzendente’) Wirklichkeit zugrunde, während sich die Weltanschauung auf innerweltliche (‚immanente’) Bezüge beschränkt.“


Fraglich ist, ob der Beklagte tatsächlich so weit gehen wollte, dem Kläger ein bestimmtes Weltbild, eine (komplette) Weltanschauung, zu unterstellen, um daraus Zweifel an seiner Verfassungstreue abzuleiten. Klar ist jedenfalls, dass er ihm bestimmte Meinungen und Überzeugungen zum Vorwurf macht. Das kann hier aber dahin stehen, was sich aus folgenden Überlegungen ergibt:

Das deutsche Verständnis des Begriffs Weltanschauung ist zu eng. Dies zeigt ein Vergleich mit den anderen sprachlichen Fassungen der Richtlinie, die den sehr viel weiteren Begriff der „Überzeugung“ benutzen.

Die französische Fassung des Art. 1 spricht vom Kampf „contre la discrimination fondée sur la religion ou les convictions“, ebenso wie in den anderen romanischen Sprachen (Spanisch, Portugiesisch, Italienisch) das "convictions" entsprechende Wort benutzt wird. Daran wird deutlich, dass viel allgemeinere persönliche "Überzeugungen" gemeint sind, ebenso wie aus dem Wort "belief", das sich im englichen Text findet. Auch in den anderen Gemeinschaftssprachen, die jetzt hier nicht im Einzelnen abgehandelt werden sollen, findet das entsprechende Wort für "Überzeugung" Verwendung, wobei beispielsweise das polnische Wort im Wörterbuch auch noch mit "Anschauung" und "Ansicht" wiedergegeben wird.

Damit steht fest, dass der Begriffsinhalt unseres Wortes "Weltanschauung" verglichen mit allen anderen Gemeinschaftssprachen den `europäischen´ Bedeutungsinhalt der Richtlinie (zu sehr) verengt. Diese Frage kann man nun zwar nicht nach dem Mehrheitsprinzip entscheiden, doch gebieten Sinn und Zweck der Regelung, mit der ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts - die Gleichbehandlung - realisiert werden soll, eine weite Auslegung. In diesem Zusammenhang kann man auch auf die Formulierung in Art. 14 EMRK verweisen, der neben der Religion die „politischen oder sonstigen Anschauungen“ nennt. Art. 6 Abs. 2 EU-Vertrag hebt die Bedeutung der EMRK hervor, so dass der entsprechende Rückgriff auf diese nicht nur zulässig, sondern sogar geboten erscheint. Auch die EMRK wählt die sprachlich weitere Fassung.

Der deutsche Text muss also entsprechend `europa-sprachkonform´ interpretiert werden. Dann sind "Überzeugungen" des Klägers Anknüpfungspunkt für seine "Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf" gewesen. Dies war nach EU-Recht unzulässig.

Die Entscheidung, den Kläger nicht einzustellen, war auch bereits an diesem EU-Recht zu messen, denn die Frist, die den Mitgliedstaaten zur innerstaatlichen Umsetzung eingeräumt war, war bereits zuvor mit dem 2.12.2003 abgelaufen. Ab dem 3.12.2003 kam der Richtlinie daher innerstaatlich unmittelbare Geltung zu; dies ist die automatische Folge bei Nichteinhaltung einer Umsetzungsfrist.

Die genannte EU-Richtlinie ist, zusammen mit anderen, neuerdings nun tatsächlich mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in deutsches Recht transformiert worden. Aktuell ergibt sich die Rechtslage mithin vorliegend aus §§ 1, 2 AGG, die Gleichbehandlung gemäß der Richtlinie normieren. Dabei gilt zur Auslegung des Begriffs "Weltanschauung" das soeben Gesagte entsprechend.

§ 24 AGG stellt dabei nochmals ausdrücklich klar, dass das Verbot der Diskriminierung auch für Beamte gilt. Dass dabei "ihre besondere Rechtsstellung" Berücksichtigung finden kann oder muss, ist sprachlich erst einmal keine Einschränkung, sondern eine Modifizierung, die jedenfalls die grundsätzliche Geltung des AGG auch in diesem beruflichen Bereich bekräftigt. Selbst wenn man trotzdem weiterhin an dem besonderen Eignungsmerkmal der Verfassungstreue festhalten wollte, muss man doch, gegenüber früher, mindestens bei der Frage der Verhältnismäßigkeit akzeptieren und entsprechend berücksichtigen, dass sowohl der europäische als inzwischen auch der deutsche Gesetzgeber der Antidiskriminierung bzw. Gleichstellung im Berufsleben einen so erheblichen Stellenwert einräumen, dass dazu nicht nur Richtlinien und gesetzliche Vorschriften ergangen sind, sondern sogar der EU-Vertrag selbst entsprechend ergänzt wurde - und dies, das soll wiederholend unterstrichen werden,

o h n e bei Beamten prinzipielle Einschränkungen vorzusehen.

Daraus folgt, dass auch Beamte gleichgestellt sind, soweit es nur geht, und eine "Diskrimierung" nur noch erfolgen darf, die unabweisbar erforderlich ist. Daraus wiederum folgt, dass spätestens an dieser Stelle mindestens eine Differenzierung nach Tätigkeit und Funktion vorzunehmen ist, wobei dann Polizisten und Staatssekretäre zweifelsfrei verfassungstreu sein sollten, dies für Realschullehrer aber nicht (länger) notwendig ist.

Schließlich ist festzuhalten, dass, für Deutschland ebenso verbindlich, zusätzlich auch die EU-Grundrechtscharta in Art. 10, 11 und der Internationale Pakt für bürgerliche und politische Rechte in Art. 5, 19 jedermann unbehinderte Meinungsfreiheit garantieren (neben Art. 10 EMRK, s. dazu schon Antrag auf Zulassung der Berufung, S. 10 f).



IAO - Konvention


Außerdem verletzen sowohl die Entscheidungen der Beklagten als auch das angefochtene erstinstanzliche Urteil die Konvention 111 der Internationalen Arbeits-Organisation (IAO oder ILO) von 1958, die von der Bundesrepublik im Jahre 1961 unterzeichnet wurde. Die Konvention 111, "Übereinkommen über die Diskriminierung (Beschäftigung und Beruf)", verbietet

«jede Unterscheidung, Ausschließung oder Bevorzugung die auf Grund der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, des Glaubensbekenntnisses, der politischen Meinung... vorgenommen wird und die dazu führt, die Gleichheit der Gelegenheiten oder der Behandlung in Beschäftigung oder Beruf aufzuheben oder zu beeinträchtigen» (Artikel 1, Abs. 1.a),

solange kein

"berechtigte(r) Verdacht einer gegen die Sicherheit des Staates gerichteten Betätigung" (Artikel 4)

vorliegt.


Die IAO hat sich mit der bundesdeutschen Nichteinstellungspraxis wegen Zweifeln an der Verfassungstreue, damals basierend auf dem sogenannten Radikalenerlass, bereits in den Jahren 1984 bis 1987 befasst und verbindlich festgestellt:


«Zweifelsohne wirken sich die Maßnahmen, die die Bundesrepublik ergriffen hat, um die Bestimmungen zur Verfassungstreue von Beamten durchzusetzen, so aus, dass Betroffene von einer solchen Anstellung ausgeschlossen werden und ihre Chance für einen Eintritt bzw. die Fortsetzung ihrer Tätigkeit gleich Null bzw. beeinträchtigt ist. Somit fallen sie in den Bereich der Definition, die Inhalt der Konvention 111 ist.» (ILO, Governing Council, GB 235/4/7, 235. Tagung, Genf,

2. –6. März 1987, S. 182, zitiert nach Braunthal, Politische Loyalität und Öffentlicher Dienst, Marburg, 1992, S. 112.)


Die IAO hat in ihrem Schlußbericht (Bericht des gemäß Artikel 26 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation eingesetzten Ausschusses zur Prüfung der Einhaltung des Übereinkommens Nr. 111 durch die Bundesrepublik Deutschland, Internationales Arbeitsamt, Genf, {87B09/41}, ISBN 92-2-705896-6, 1987) insbesondere fünf Merkmale hervorgehoben, die auch auf den vorliegenden heutigen Fall anwendbar sind und folglich eine Konventionsverletzung bedeuten.


Erstens hat der Ausschuss festgestellt, dass grundsätzlich auch die Befürwortung von Doktrinen, die auf grundlegende Veränderungen in den Institutionen des Staates abzielen, dem Schutzbereich des Übereinkommens 111 nicht entzogen seien, «solange keine gewalttätigen oder verfassungswidrigen Methoden zu ihrer Verwirklichung angewandt oder empfohlen werden» (ebenda, S. 139, Nr. 518). Damit fallen eine vielleicht zugespitzte, jedenfalls aber offensichtlich gewaltfreie Kritik der heutigen ökonomischen und politischen Zustände in der Bundesrepublik oder Hinweise auf die historische Kontinuität mancher Aspekte der neugegründeten demokratischen Republik einerseits und der NS-Herrschaft andererseits unter das Verbot der Konvention, daraus nachteilige Folgen für den Betroffenen abzuleiten.


Zweitens hat der Ausschuss eine differenzierte Begutachtung eines im Einzelfall geforderten Bekenntnisses zur Verfassungsordnung gefordert. So dürften höheren Stellen, «die direkt mit der Durchführung der Regierungspolitik befaßt sind», wie z.B. der diplomatische Dienst oder die Landesverteidigung, besondere Anforderungen an die Loyalität auferlegt werden; in anderen Positionen muss hingegen die Natur der Funktion überprüft werden (ebenda S. 143, Nr. 538). Eine solche Differenzierung ist vorliegend in keiner Weise erfolgt.


Drittens ist der Vorwurf der Diffamierung des Staates bzw. der freiheitlich-demokra- tischen Grundordnung mit der Konvention nicht zu vereinbaren. Die ausdrückliche Betonung negativer Erscheinungen in der Gesellschaft und der Politik der Bundes- republik Deutschland , z.B. die Beschreibung der bestehenden Wirtschaftsordnung als "kapitalistische Ausbeutung" oder eine Kampagne gegen die "Berufsverbote", ist selbst ohne ausgleichende Erwähnung möglicher positiver Leistungen eine zulässige Mei- nungsäußerung, die die Konvention ausdrücklich schützt. «Es geht hier anscheinend im wesentlichen um den Ausdruck politischer Meinungen, nicht um Betätigung gegen die Sicherheit des Staates im Sinne von Artikel 4 des Übereinkommens» (ebenda S. 150, Nr. 579).


Viertens ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzuhalten, in diesem Fall der Frage nachzugehen, ob der spezifische Bewerber - hier: der Kläger - für den öffent- lichen Dienst «geeignet ist, in jedem Einzelfall unter Bezugnahme auf die Funktionen der jeweiligen Beschäftigung und auf die Folgen des tatsächlichen Verhaltens des Betroffenen für seine Befähigung, diese Funktionen zu übernehmen und auszuüben» (ebenda S. 151, Nr. 585).


Im übrigen hat damals auch der Rechtsausschuss des europäischen Parlaments "Bemerkungen zu den Berufsverboten in der BRD" abgegeben und dabei unterstrichen, «Beschränkungen sollten am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, d.h. an dem Maß an Verantwortung, das mit der vom Bewerber angestrebten Beamtenstelle verbunden ist, ausgerichtet werden» (zudem seien "Beschränkungen der freien Meinungsäußerung sowie der freien Berufswahl nur bei Tätigkeiten angebracht, die im Sinne des Artikels 21 des Grundgesetzes der BRD als verfassungswidrig gelten» (Rechtsausschuss des europäischen Parlament, Bemerkungen zu den Berufsverboten in der BRD, 61/80, 78.706, 15. Juli 1982, Seite 12).


Das Verwaltungsgericht Karlsruhe führt in seinem Urteil vom 16.03.2006 lapidar aus, dass ein Lehrer die "Grundwerte und Grundentscheidungen der Verfassung glaubhaft vermitteln" muss und dass der "Kläger dafür nicht genügend Gewähr" biete. Dabei hat es weder das tatsächliche Verhalten des Klägers in seiner Referendarzeit berücksichtigt noch einen kausalen Zusammenhang zwischen seinem sonstigen Verhalten (außerhalb des Unterrichts) und seiner Befähigung zum Lehramt aufgezeigt. Es wird auch nicht nachgewiesen, dass der Kläger das Maß an Verantwortung für eine Lehrtätigkeit in der Landessprache, Geschichte und Gemeinschaftskunde nicht aufgebracht hätte oder nicht aufbringen könne.


Fünftens schließlich hat der Ausschuss hinzugefügt, bei «Bewerbern für den öffent- lichen Dienst erscheint es wichtig, Tätigkeiten aus einer Zeit, in der sie nicht durch ein öffentliches Dienstverhältnis gebunden waren, nicht überzubewerten und ihnen Gelegenheit zu geben, nach dem Eintritt in ein solches Verhältnis den Beweis zu erbringen, daß sie die damit verbundenen Pflichten achten werden» (ebenda S. 151-2, Nr. 587). Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass nicht das frühere private, `außerdienstliche´ Verhalten des Klägers, sondern sein Verhalten im Vorbereitungs- dienst, hier in der Referendarzeit, das alle Ansprüche des Schulamts vollständig erfüllt hatte, bei der Beurteilung seiner `Geeignetheit´ im weiteren Sinne absolut im Vordergrund hätte stehen müssen. Zusätzlich hätte sein künftiges tatsächliches Verhalten während einer Probezeit im öffentlichen Schuldienst weiter beobachtet und beurteilt werden können (und müssen). Selbst diese Gelegenheit, seine Eignung (erneut) darzustellen, wurde ihm - konventionswidrig - nicht eröffnet.


Der übergeordnete IAO-Sachverständigenausschuss hatte dann nach einer nochmaligen Überprüfung den Befund des Ausschusses eindringlich bestätigt (IAO, 75. Tagung 1988, Bericht 3 (Teil 4A), S. 306 - 311). Da Deutschland die Möglichkeit einer Berufung zum Internationalen Gerichtshof (Artikel 32 der Verfassung der IAO) nicht in Anspruch nahm, hat es de facto das Ergebnis des IAO-Verfahrens akzeptiert (ebenda S. 309), aber jetzt im Fall des Klägers (erneut) die Maßstäbe der Konvention nicht eingehalten.



Beweisanträge



Abschließend wird angekündigt, dass die bereits erstinstanzlich angeführten Beweisanträge

Zeugin Weber / Zeuge (...)

in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens gestellt werden.

In der ersten Instanz war beantragt worden, die Oberbürgermeisterin der Stadt Heidelberg und einen Heidelberger Polizeibeamten zu laden, um Aufschluss über das persönliche Engagement und konkrete politische Handeln Michael Csaszkóczys zu erhalten. Das Gericht hatte auf die Ladung dieser ZeugInnen verzichtet, da es als unstrittig betrachtete, dass Csaszkóczy „als engagierter Streiter gegen Rechts und für friedliche Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht“ anzusehen sei (vgl. Urteilsbegründung vom 17.03.2006).

Da das angefochtene Urteil sehr zentral auf "Diffamierungen" der Bundesrepublik Deutschland durch Äußerungen der AIHD (die dem Kläger zugerechnet werden) über "Kontinuität zwischen NS-Staat und BRD" und "rassistische Angriffe" auf ausländische Mitbürger abgestellt hat, ist es unumgänglich, sozusagen den Wahrheitsbeweis dafür anzutreten und entsprechende wissenschaftliche Forschungsergebnisse und tatsächliche Erkenntnisse in das Verfahren einzuführen. Dazu werden Anträge auf

Erhebung zeitgeschichtlicher Sachverständigengutachten gestellt,

1. zu der Frage von Kontinuitäten zwischen Drittem Reich und BRD (siehe schon SS an das erk. Gericht v. 17.5.06 - Antrag auf Zulassung der Berufung - dort V.3., S.12, i.V.m. I.4.e, S. 4 f.); dafür wird schon jetzt benannt als

Sachverständiger Prof. Peter Steinbach, Leiter Forschungsstelle Widerstand, Institut für Geschichte, Universität Karlsruhe,

2. zu der Frage von rassistischen Übergriffen im Deutschland der Neunziger Jahre (siehe schon SS wie zuvor, dort S. 5, 3. u. 4. Abs.); dafür wird schon jetzt benannt als

Sachverständige die Staatsministerin im Bundeskanzleramt und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Maria Böhmer, zu laden über das Bundeskanzleramt, Berlin.





Heiming

Rechtsanwalt