In einem weiteren Schreiben an das Verwaltungsgericht reagiert Regierungsdirektor Brandner für das Regierungspräsidium Karlsruhe auf die Klagebegründung durch Csaszkóczys Rechtsanwalt.
Dabei gesteht er zunächst ein, Akten beim Inlandsgeheimdienst angefordert zu haben, ohne den Betroffenen darüber zu informieren.
Des weiteren versucht er die 'Vorwürfe' gegen Michael Csaszkóczy um Aktivitäten für das 'Autonome Zentrum Heidelberg', die 'Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes' und die 'Rote Hilfe e.V.' zu erweitern. Insbesondere bei den beiden letztgenannten Organisationen offenbart Brandner dabei ein wahrhaft erschreckendes Geschichtsbild.
Regierungspräsidium Karlsruhe
12.05.05
An das Verwaltungsgericht Karlsruhe
Michael Csaszkóczy ./. Land Baden-Württemberg
Anlagen:
Presseerklärung des Rote Hilfe e.V. Bundesvorstands vom 10.02.2004
Presseerklärung zur 35. ordentlichen Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA Baden-Württemberg am 15./16.05.2004 vom 17.05.2004
(...)
I
Der Kläger rügt die “vorschriftswidrige” Anfrage beim Landesamt für Verfassungschutz (LfV). Dem ist Folgendes zu entgegnen:
Es ist richtig, dass das Kultusministerium (per E-Mail) beim Innenministerium am 22.07.2003 um Präzisierung der gegen den Kläger im Raum stehenden Vorwürfe der verfassungsfeindlichen Betätigung bat und dieser zu diesem Zeitpunkt nicht unterrichtet wurde. Ein Verfahrensfehler ist allerdings darin nicht zu sehen: Das Innenministerium informierte im Jahr 2002 das Kultusministerium von sich aus zunächst fernmündlich und sehr allgemein über die Aktivitäten des Klägers in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD) bzw. der dortigen Autonomen Szene sowie darüber, dass der Kläger als Lehrer tätig sein soll. Nachdem nicht auszuschließen war, dass der Kläger in einer der kommenden Einstellungskampagnen zum Zuge kommen würde, wurde das Innenministerium vom Kultusministerium um Präzisierung der früheren Mitteilungen gebeten. Daraufhin legte das Innenministerium mit Schreiben vom 28.Juli 2003 einen ausführlichen Bericht vor. Darüber wurde auch das frühere Oberschulamt Karlsruhe als zuständige Einstellungsbehörde unterrichtet. Der Angelegenheit brauchte allerdings nicht weiter nachgegangen zu werden, da der Kläger im Einstellungsverfahren Sommer 2003 nicht zum Zuge kam. (...)
Obwohl das Landesverfassungsschutzgesetz die Information des Betroffenen zwingend vorschreibt – nicht etwa “die Information der Einstellungsbehörde”, wie Herr Brandner schreibt – gab es für ihn keinen Bedarf, der Angelegenheit weiter nachzugehen und die Geheimdienstakte ruhte weiter friedlich ein halbes Jahr lang auf seinem Schreibtisch. Erst am 30.Dezember 2003 – das Berufsverbotsverfahren war mit Csaszkóczys Ladung zur Anhörung bereits eingeleitet – wurde er über eine eine erneute Frage beim Innenministerium informiert.
Demnach kann festgestellt werden, dass der Kläger, nachdem er konkret zur Einstellung heranstand, davon unterrichtet wurde, dass eine Anfrage an das Innenministerium gerichtet würde. Sämtliche Erkenntnisse wurden dem Kläger dann zur Rechtsverteidigung vor allem im Blick auf das angekündigte vertiefte Einstellungsgespräch vom 22.April 2004 zur Verfügung gestellt. (...)
Solange jemand nicht zur Einstellung heransteht, hält es Herr Brandner also offenbar für sein gutes Recht, ohne sein Wissen in Verfassungsschutzakten über ihn zu lesen. Ganz sicher scheint er sich da aber doch nicht zu sein, denn er schiebt nach:
Im Übrigen wird auf die Bestimmungen der §§ 45, 46 LvwVfG verwiesen, wonach ein (etwaiger) Verfahrensfehler jedenfalls dann keine Folgen nach sich zieht, wenn sich wie hier das Ermessen auf Null reduziert und keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können.
II
(...) Auch der Versuch des Klägers, zwischen dem Autonomen Zentrum (AZ) einerseits und der AIHD andererseits zu differenzieren und lediglich auf seine Aktivitäten für letztere Organisation seit 1999 abzustellen, da nur dieses vom Landesamt für Verfassungsschutz als “verfassungsfeindlich” eingestuft würde, geht fehl.
Das Landesamt für Verfassungsschutz ordnet die Autonome Szene und damit das Autonome Zentrum Heidelberg eindeutig dem “gewaltbereiten Linksextremismus” und damit der verfassungsfeindlichen Szene zu (vgl. VV zu § 6 LBG, Nr. 10.2) (...)
Eine vage Zugehörigkeit zu einer nicht näher definierten “Szene” reicht hier offenbar schon aus, um als Feind der deutschen Verfassung zu gelten!
Die AIHD lässt keinen Zweifel daran, dass “Autonome Zentren” nach ihrem Verständnis auch immer Orte linksextremistischer Agitation sein sollen. In einem Redebeitrag der AIHD auf der Demonstration für ein “Autonomes Zentrum” in Heidelberg am 26.Mai 2001 heißt es u.a.:
“Das Autonome Zentrum Heidelberg [...] war vor allem ein politischer Treffpunkt für eine Vielzahl antifaschistischer, antirassistischer oder antisexistischer Gruppen. [...] Um es noch einmal klarzustellen: Bei der Forderung nach dem versprochenen Ersatz für das AZ [...] geht es um ein linkes politisches und kulturelles Zentrum, in dem es möglich ist, die kapitalistische Verwertungslogik zumindest punktuell zu durchbrechen. [...]”
In einem weiteren Redebeitrag der “Antifaschistischen Initiative Heidelberg” anlässlich der Kundgebung für ein neues “Autonomes Zentrum” am 28.Juni 2003 wird u.a. erklärt:
“Genau das ist es, was wir wieder wollen: eine klare, radikale Alternative zum gegenwärtigen Mainstream der kapitalistischen Einbahnstraße des bundesrepublikanischen Systems [...] für uns stellt der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte dar.” (vgl. Auch LT-Drs. 13/3537).
Nach alledem sind die aktivitäten des Klägers auch und gerade im Zusammenhang mit dem AZ Heidelberg als verfassungsfeindlich einzustufen.
Wenn Brandner hier Antifaschismus, Antirassismus und Antisexismus als Beleg für Verfassungsfeindlichkeit einstuft, mag man im Umkehrschluss über sein eigenes Verfassungsbild spekulieren. In jedem Fall scheint er davon auszugehen, dass Kapitalismus in der Bundesrepublik Verfassungsrang hat.
Darüber hinaus ist der Kläger Mitglied in der linksextremistischen “Roten Hilfe e.V.” und in der linksextremistisch beeinflussten “Vereinigung des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten” (VVN-BdA). Die Mitgliedschaft des Klägers geht aus zwei Presseerklärungen hervor, die der Klageerwiderung angeschlossen sind. Der VGH Baden-Württemberg sowie das Landesamt für Verfassungsschutz stufen die “Rote Hilfe” als Organisation ein, die die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik beseitigen will (vgl. Urteil vom 28.02.1978, NJW 1978, 2262 sowie Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2002, S.103 ff. Sowie Bericht 2003, S. 233 ff.). Bezüglich der VVN-BdA wird auf die Ausführungen im Verfassungsschutzbericht 2003, S.225 ff. Und im Verfassungsschutzbericht des Bundes 2003, S. 128 ff. Verwiesen. Die “Rote Hilfe e.V.” ist eine der ältesten in linksextremistischen Traditionen stehenden Organisationen. Sie war erstmals unter Federführung der “Kommunistischen Partei Deutschlands” (KPD) 1924 in der Weimarer Republik gegründet worden, hatte sich aber in der Zeit des Nationalsozialismus aufgelöst. Sie trat damals als Solidaritätsorganisation des “revolutionären Proletariats” im Kampf gegen die “Klassenjustiz” an.
Die Rote Hilfe hat sich nicht, wie Herr Brandner schreibt, in der Zeit des Nationalsozialismus “aufgelöst”, sie wurde von den Nazis mit brutaler Gewalt zerschlagen, ihre Mitglieder in Konzentrationslagern inhaftiert und nicht selten zu Tode gefoltert. Es ist zu hoffen, dass Herrn Brandner gar nicht bewusst ist, in welche Tradition er sich mit seinen Ausführungen stellt.
1975 wurde die “Rote Hilfe e.V.” mit Sitz in Dortmund wieder neu gegründet und versteht sich als eine Solidaritäts- und Hilfsorganisation, die “politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum unterstützt. Sie konzentriert sich auf politisch Verfolgte aus der BRD, bezieht aber auch nach Kräften Verfolgte aus anderen Ländern ein.” (...)
Die Mitgliedschaft in der “Roten Hilfe e.V.” und in der VVN-BdA belegen einmal mehr, wie stark der Kläger in das verfassungsfeindliche Spektrum verstrickt ist und dass es absolut unglaubwürdig ist, wenn er nunmehr in der Klagebegründung dieses “Verhaftetsein” in dieser Szene relativieren will. (...)
Der Autor wird schon wissen, warum er hier seine eigenen Worte in Anführungszeichen setzt: Verstrickung, Verhaftetsein – das alles taugt wenig bis gar nicht als Beweis. Daher zum Abschluss noch einmal, die Versicherung, dass er es gar nicht nötig hat, irgend etwas zu beweisen:
Abschließend wird auf Folgendes hingewiesen:
Der Dienstherr ist nicht verpflichtet, nachzuweisen, dass der Kläger nicht verfassungstreu ist; für ein Fehlen der Gewähr der Verfassungstreue genügen bereits begründete Zweifel. Es besteht keine Vermutung der Verfassungstreue bis zum Beweis des Gegenteils (BverwG, ZBR 1980, 89). (...)
Preisfrage: Wie beweist man eigentlich seine Verfassungstreue, wenn es nicht ausreicht, sich verfassungstreu zu verhalten?
Dem Dienstherrn steht bei der Prüfung, ob der Bewerber die Gewähr der Verfassungstreue bietet, ein Beurteilungsspielraum zu. Dementsprechend unterliegt die Entscheidung des Dienstherrn als persönlichkeitsbezogene Prognoseentscheidung nur einer beschränkten verwaltungsrechtlichen Kontrolle. (...)
Brandner
Ltd. Regierungsdirektor