Der Realschullehrer Michael Csaszkoczy hatte sich seit Sommer 2002 um
eine Stelle im Umfeld von Heidelberg beworben. Er ist in Heidelberg seit
vielen Jahren für sein Engagement in antifaschistischen Gruppen und der
Antikriegsbewegung sowie für seinen Einsatz für das Autonome Zentrum
(AZ) bekannt.
Mit Schreiben vom 15.12.2003 wurde ihm nun vom Oberschulamt Karlsruhe
mitgeteilt, dass das Innenministerium gegen seine Einstellung
interveniert habe, weil Zweifel daran bestünden, dass er jederzeit
Gewähr dafür biete, voll einzutreten für die freiheitliche demokratische
Grundordnung. Der Verfassungsschutz habe über mehr als 10 Jahre
Informationen über Csaszkoczy gesammelt, die angeblich Zweifel an seiner
Verfassungstreue begründen. Nähere Hintergründe werden in dem Schreiben
nicht genannt.
Ein Termin für eine Anhörung, in der Michael Csaszkoczy Gelegenheit hat,
Zweifel an seiner Verfassungstreue auszuräumen, wurde bislang noch nicht
festgelegt. Da die Einstellung - laut Auskunft des Oberschulamtes -
spätestens zum neuen Schulhalbjahr am 1. Februar 2004 vorgesehen gewesen
wäre, tritt damit das Berufsverbot faktisch schon in Kraft, ohne vorher
offiziell verhängt worden zu sein. Die einschlägigen Paragraphen wurden
– abgesehen von der Abwicklung der DDR – seit über 20 Jahren nicht mehr
angewendet, was dem laufenden Berufsverbotsverfahren gegen Michael
Csaszkoczy eine besondere Brisanz verleiht.
Geschichte und Hintergründe des Berufsverbots
Angesichts einer starken linken Bewegung wurde 1972 mit dem „Erlass zur
Beschäftigung von Radikalen im öffentlichen Dienst„ die rechtlichen
Voraussetzungen dafür geschaffen, politisch unliebsame Menschen, die
sich für emanzipatorische Ziele einsetzen, aus dem öffentlichen Dienst
und insbesondere aus dem LehrerInnenberuf fernzuhalten.
Von 1979 an wurde dieser Radikalenerlass jedoch nicht mehr oder nur noch
teilweise angewendet. In einigen Bundesländern wurde die einschlägige
Gesetzgebung sogar widerrufen.
Der antiemanzipatorische Charakter lässt sich auch daran deutlich
erkennen, dass Berufsverbote gegen Rechtsextreme praktisch nie zur
Anwendung kamen. Diese Form politischer Einschüchterung ist in Europa
einzigartig. Dementsprechend hat auch der Europäische Gerichtshof in
einem exemplarischen Urteil 1995 die Berufsverbotspraxis der BRD für
menschenrechtswidrig erklärt, weil sie gegen die Grundrechte auf
Meinungs- und Vereinigungsfreiheit verstoße.
Gegen die Wiederbelebung der antidemokratischen Berufsverbote
Wir protestieren gegen die geplante Anhörung eines linkspolitisch
tätigen Menschen, die wir als Gesinnungsverhör betrachten. Ziel dieses
Vorgehens ist offenbar, Lehrerinnen und Lehrern von vornherein einen
Maulkorb anzulegen und sie in ihrer Meinungsfreiheit und
Handlungsfähigkeit einzuschränken.
Es ist unerträglich und erschreckend, dass mit der Wiederbelebung dieser
antidemokratischen Waffe aus Zeiten des Kalten Krieges erneut versucht
werden soll, politisch aktive Menschen einzuschüchtern und mundtot zu
machen.
Offensichtlich sind es heute stärker der Sozialabbau und die
fortschreitende Demontage von BürgerInnenrechten, angesichts derer ein
Klima der Unsicherheit und Angst erzeugen werden soll, das politischen
Protest bereits im Keim erstickt.
Die Gesellschaft und unsere Schulen brauchen Lehrkräfte, die entschieden
für demokratische, emanzipatorische Werte und Ideen eintreten, sich
kritisch mit den realen Entwicklungen auseinandersetzen und die
notwendige Diskussion um die Zukunft unserer Gesellschaft führen.
Schülerinnen und Schüler brauchen Vorbilder, die ihnen
Verantwortungsbewusstsein und die Bereitschaft zum persönlichen
Engagement vermitteln und vorleben.
Stefan Riedel
Solidaritätskomitee gegen das Berufsverbot (für Michael Csaszkoczy)
PS: Für weitere Nachfragen und zur Kontaktaufnahme mit dem betroffenen
Lehrer selbst wenden Sie sich bitte an das Solidaritätskomitee.
Email: berufsverbot@rotehilfe.de
(Fax: 062723559)
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