Göttingen, 21.04.2005
Drei Schweinderl auf Abwegen
Büro des Erlanger Vereins zur Förderung alternativer Medien durchsucht und Plakate gegen Berufsverbote beschlagnahmt
Vier Polizeibeamte und ein Vertreter der Stadt Erlangen fanden sich am Morgen des 20. April 2005 beim Büro des Erlanger Vereins zur Förderung alternativer Medien zur Hausdurchsuchung ein. Eine Richterin des Amtsgerichts Erlangen hatte diesen Besuch angeordnet. Als "Beweismittel" wurden drei Plakate beschlagnahmt und mitgenommen. Eines davon hing im Schaufenster und ist nach Ansicht des Erlanger Gerichts Anlass genug, um die Büroräume durchstöbern zu lassen.
Dieses bundesweit verteilte Plakat der Roten Hilfe e. V. thematisiert ein Berufsverbot gegen den Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy. Dieser war vom baden-württembergischen Kultusministerium mit Berufsverbot belegt worden, weil "Zweifel an seiner Bereitschaft" bestünden, "jederzeit voll einzutreten für diefreiheitlich-demokratische Grundordnung". Als einziger Beleg dafür dient dem baden-württembergischen Kultusministerium die Mitgliedschaft Csaszkóczys in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD). "Damit betreibt Baden-Württemberg die Wiederbelebung der deutschen Berufsverbotspraxis der 70er Jahre, von der angenommen wurde, dass sie seit zwanzig Jahren der Vergangenheit angehört."
Auf dem deutlich als Satire zu erkennenden Plakat ist unter der Schlagzeile "Das neue Heidelberger Schloss" vor der Kulisse des Heidelberger Schlosses der von dem Berufsverbot betroffene Lehrer mit Vorhängeschloss an den Lippen abgebildet. Die Fußzeile ziert der Spruch "Baden Württemberg - Wir können alles. Außer Menschenrechte". Daneben findet sich ein Wappen mit drei springenden Schweinen. In diesem glaubt die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth das baden-württembergische Landeswappen wiederzuerkennen. Das Plakat nimmt Bezug auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der 1995 die Berufsverbotspraxis der BRD als menschenrechtswidrig erklärt hatte. Das Amtsgericht Erlangen dagegen sieht den Tatbestand der "Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole" gegeben.
Gegen den Vereinsvorstand wird nun ermittelt, ob er diesen Plakatanschlag veranlasst oder gebilligt habe. Der Fall Csaszkóczy hatte bundesweit für Proteste von politischen Gruppen, Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen gesorgt. Offensichtlich soll nun mit juristischen Mitteln versucht werden, diesen Protest mundtot zu machen.
Die Rote Hilfe protestiert gegen diesen Fall politischer Repression und fordert die sofortige Einstellung des Ermittlungsverfahrens.
Mathias Kraus für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V.