Göttingen,
29.04.2009
Presseerklärung: Berufsverbote sind keine Betriebsunfälle!
In seinem gestern Morgen verkündeten Urteil zum
Berufsverbotsfall Michael Csaszkóczy hat das Landgericht Karlsruhe im
hoffentlich nunmehr beendeten Schadensersatzprozess deutlich gemacht, dass das baden-württembergische
Kultusministerium hinsichtlich seines Verhaltens gegenüber dem Heidelberger Realschullehrer
�schuldhaft� gehandelt habe und somit zur Wiedergutmachung des entstandenen
materiellen Schadens verpflichtet sei. Bereits der Verwaltungsgerichtshof
Mannheim hatte die staatliche Repressionsmaßnahme, diesem linken Lehrer wegen
seines Engagements in der vom Verfassungsschutz als „linksextremistisch“
eingestuften „Antifaschistischen Initiative Heidelberg“ (AIHD) jahrelang die
Ausübung seines Berufes zu verweigern, als grundrechtswidrig verurteilt. Nun
hat die für Amtshaftungsklagen zuständige Zweite Zivilkammer des Landgerichts
Karlsruhe der an sie gerichteten Klage stattgegeben und ihm 32.777,20 Euro
zugesprochen.
Anfang 2004 sah das alles noch anders aus. Damals machte das
kultusministeriell zuständige, mit Informationen des Inlandsgeheimdienstes
gefütterte und von der heutigen Bundesbildungsministerin Annette Schavan
protegierte Verwaltungsgericht deutlich, dass es an einer Reanimation der Berufsverbotspraxis
interessiert sei, die für die 1970er Jahre so prägend war, weil damals in der
BRD über 100.000 Menschen davon betroffen waren. Während diese Maßnahme in
einer von der Blockkonfrontation zwischen Ost und West dominierten politischen
Gesellschaftssituation von staatsnahen Kräften noch als „Unterwanderungs- oder
Indoktrinationsgefahr“ durch eine starke Linke bezeichnet werden konnte, haben
sich die Umstände nun umfassend gewandelt. Schließlich können selbst konservative
Gruppierungen solche Gefahrenszenarien heute nicht mehr vermitteln, ohne
unglaubwürdig zu erscheinen.
Das Verwaltungsgericht wurde durch seine Entscheidung zum
Vollstrecker einer auf dem Boden staatsideologischer Prämissen urteilenden
Gesinnungsjustiz, bei der das immerwährende Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen
Grundordnung des verfassten Regierungssystems in eine vollständige
Entpolitisierung des BeamtInnentums transformiert werden sollte. Das hätte bedeutet,
dass vor allem LehrerInnen kein außerparlamentarisches oder nicht-staatliches antifaschistisches
Engagement an den Tag legen dürften, eben weil sie als LehrerInnen in ihrer
Rolle als FormerInnen staatshörigen Nachwuchses aufgehen müssten. Ob sie sich
dabei individuell in strafrechtlich relevantes Gewässer begeben hätten oder
�nur� Mitglieder von Gruppierungen gewesen wären, die vom Verfassungsschutz
(VS) beobachtet werden, würde keine Rolle spielen. Die Zugehörigkeit zu einer
vom VS als bedrohlich eingestuften Gruppierung, der über breite Vernetzung
bundesweite Bedeutung zugeschrieben wird (wie damals der DKP), sollte
ausreichen.
Das damalige Urteil sollte als Aufforderung an unseren
langjährigen Genossen Michael verstanden werden, politisch abzuschwören, sich
endlich zu einem „wehrhaften Demokraten“ zu entwickeln, alle Mitgliedschaften
in linken Organisationen aufzukündigen und ein „guter Deutscher“ zu werden. Dieses
Kalkül ist nicht aufgegangen. Im Gegenteil: Michael ist seit fast zwei Jahren Realschullehrer
in Eberbach, das Land hat nun die Rechnung für den „Betriebsunfall“ quittiert
bekommen und darf sich nun auch ganz offiziell schuldhaftes Verhalten vorwerfen
lassen.
Diese Schuldzuweisung an das Land ist nicht nur als Erfolg
für Michael zu bewerten, sondern eben als Erfolg für alle GenossInnen, die von
Berufsverboten oder Betriebsrepression betroffen sind. Sie belegt, dass man
sich nicht von seiner Meinung oder seinem politischen Engagement distanzieren
muss, nur weil ein so genannter Rechtsstaat, sein Repressionsapparat oder seine
VertreterInnen in Behörden und Ämtern es so wollen.
Aber damit ist es nicht getan. Auch in Zukunft wird sich die
Rote Hilfe für betroffene GenossInnen einsetzen, sowohl für die aktuell
Betroffenen, als auch für die nicht statt gefundene Rehabilitierung oder Wiedergutmachung
für die Opfer der Berufsverbotspraxis der BRD aus den 1970er und 1980er Jahren.
Ziel ist weiterhin die Verbannung der gesetzlichen Grundlage für solche Berufsverbote
aus den Gesetzbüchern sowie die Abschaffung jeglicher Geheimdienste in der BRD.
Mathias Krause für den Bundesvorstand der Roten Hilfe