Redebeitrag von Dieter Fehrentz, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN/BdA) auf der Kundgebung am 29.1.2005
Die VVN-BdA erklärt sich solidarisch mit Realschullehrer Michael Csaszkoczy und protestiert aufs schärfste gegen das von Kultusministerin Schavan über ihn verhängte Berufsverbot. Michael Csaszkoczy hat nichts anderes getan, als der Pflicht eines jeden Bürgers als Demokrat nachzugehen, gegen alte und neue Nazis aktiv zu sein. Der Vorwurf, er gäbe nicht jederzeit die Gewähr dafür, für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten, ist völlig widersinnig und aus der Luft gegriffen. Die Ministerin bricht mit dem Berufsverbot gleich mehrfach das Grundgesetz. Sie bestraft eine radikaldemokratische Meinung, beschneidet die Freiheit der Berufswahl und ermutigt geradezu Neofaschisten zu ihren verfassungswidrigen Aktivitäten. Auch missachtet Schavan kaltblütig die Ächtung des Berufsverbots durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Die
Schöpfer des Grundgesetzes wollten nach 1945 mit einer
demokratischen, liberalen und antifaschistischen Verfassung
Berufsverbote, wie sie von Aristokraten, über Bismarck bis
Hitler angewandt wurden, ein für allemal ausschließen. Die
Menschenrechte wurden garantiert, Volksverhetzung und Rassenhass
geächtet und bereits die Vorbereitung von Angriffskriegen unter
Strafe gestellt. Doch darum scherten sich die Regierungen der
Bundesrepublik bisher nicht.
Adenauer ließ
Linksdemokraten und Kommunisten wegen ihrer Meinung verfolgen.
Zwischen 1950 und 1970 wurden über 150.000 staatsanwaltliche
Ermittlungsverfahren durchgeführt. Schon das Tragen einer roten
Nelke war verdächtig. Über 7000 Kommunisten wurden
verurteilt und inhaftiert, 2000 für 1 bis zu 3 Jahren.
1972
wurde unter Willy Brandt der Radikalenerlass beschlossen. Radikale
Demokraten, Friedensfreunde und Antifaschisten wurden mit
Berufsverbot bedroht. Über 3 Mio. Beschäftigte und
Bewerber für den öffentlichen Dienst wurden politisch
durchleuchtet. Die Schnüffler des sogenannten
Verfassungsschutzes lieferten dazu eine Datei mit 18 Mio.
Eintragungen. 11.000 Lehrer, Postboten, Lokomotivführer und
Friedhofsgärtner erhielten Berufsverbotsverfahren, über 250
wurden entlassen. 1250 Bewerberinnen nd Bewerber zum Lehramt wurden
abgelehnt. 2200 Beamte wurden einem Disziplinarverfahren unterzogen.
Das längste dauerte 27 Jahre.
Nach dem
Anschluss der DDR erhielten 10.000e ihrer ehemaligen Bürgerinnen
und Bürger Berufsverbote und wurden entlassen. Die
Birthler-Gauch-Behörde durchwühlt, ordnet und archiviert
mit 2000 Mitarbeitern DDR-Akten nach Material, um bei Bedarf jeden
politisch unliebsamen ehemaligen DDR-Bürger als Mitarbeiter des
Ministeriums für Staatssicherheit hinstellen zu können.
Alte
und neue Nazis aber erhalten in diesem fabelhaft demokratischen
Deutschland freie Bahn. Verwaltungsgerichte ermöglichen den
Neonazis fast überall ihre Aufmärsche und Kundgebungen,
trotz ihrer rassistischen, antisemitischen und antidemokratischen
Phrasen. Gegen den Protest von Bürgermeistern und unzähligen
Demokraten dürfen die Rechtsextremen unter dem Schutz von
martialisch ausgerüsteten Polizei-Hundertschaften ihre
verfassungswidrigen Parolen skandieren.
Die Einstellung des
NPD – Verbotsverfahrens nach einem dilettantisch gestellten
Verbotsantrag der Regierung und unter Beihilfe von
Verfassungsschutzspitzeln ist symptomatisch für diesen Staat.
Wie nah sich bereits manche Konservative und NPD-Funktionäre
sind, zeigten ihre gemeinsamen Stimmenabgaben für einen
NPD-Kandidaten im Sächsischen Landtag. Und wenn das
Bundesverfassungsgericht sogar eine Nazidemonstration gegen den Bau
einer Synagoge in Bochum zulässt, dann ist das Maß voll
und die Demokratie in höchster Gefahr.
Michael Csaszkoczy hat gegen diese Entwicklung sein demokratisches Recht auf Protest und auf Aktionen gegen das verfassungswidrige und provokante Auftreten der Neonazis wahrgenommen. Während Politiker an Wahltagen über die Wahlerfolge von Naziparteien jammern, soll diesem engagierten Antifaschisten ein Maulkorb verpasst und seine berufliche Zukunft zerstört werden Diese antidemokratische Politik richtet sich gegen alle engagierten Initiativen und Bürger in unserem Land.
Die VVN-BdA fordert:
Michael Csaszkoczy C. muss Lehrer werden.
Schüler brauchen engagierte Lehrer, die im Kampf gegen Rassismus und Faschismus ein persönliches Beispiel geben.
Weg mit dem Berufsverbot
Dieter Fehrentz