Redebeitrag der Roten Hilfe e.V.


Nachdem das Verwaltungsgericht Karlsruhe am 10.03.2006 über die Rechtmäßigkeit des Berufsverbotes gegen den Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy verhandelt hatte, gab es am Montag darauf sein Urteil bekannt: Das Verwaltungsgericht hat das vom baden-württembergischen Kultusministerium verhängte Berufsverbot bestätigt.

Die Maßnahme des Ministeriums betrachtet das Gericht offenbar als legitim, auch wenn dem Betroffenen individuell kein irgendwie geartetes, gar strafrechtlich relevantes Fehlverhalten nachgewiesen werden könne. Ausschlaggebend sei vor allem Michas Engagement in der vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuften Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD).


Die Kriminalisierung solcher außerparlamentarischen, systemkritischen Antifa-Gruppen gehört in Deutschland zum Standardrepertoire staatlicher Repression. Indem die Ermittlungs- und Geheimdienst-Behörden derartige Zusammenschlüsse als kriminelle oder terroristische Vereinigungen konstruieren und verfolgen, verschaffen sie sich einen Einblick in linke Strukturen und versuchen, diese zu destabilisieren. Diese Politik der Einschüchterung und Bespitzelung soll die Freiräume zerstören, die für erfolgreichen politischen Widerstand noch vorhanden und notwendig sind.


Demselben Zweck dient das Berufsverbot gegen Micha. Es ist darüber hinaus im Kontext der derzeitigen Zunahme staatlicher Repression gegen Menschen zu sehen, die sich in irgendeiner Form zu ihrer antifaschistischen Gesinnung bekennen. An Micha soll ein weiteres Exempel statuiert werden.


Ob es sich nun, wie im Raum Stuttgart, um die Kriminalisierung einer Antifa-Broschüre handelt, in der eine Mausefalle abgedruckt ist, in der ein Hakenkreuz eingeklemmt ist;

ob es nun, wie in Leutenbach, das behördlich verhängte Verbot des Verkaufs und der Herstellung von Aufnähern mit Symbolen ist, die in der antifaschistischen Szene seit Jahren benutzt werden;

ob es nun, wie in Tübingen, um das nicht erlaubte Tragen eines Ansteckers geht, auf dem ein Hakenkreuz in einem Verbotsschild zu erkennen ist;

ob es nun Jugendliche sind, die am Beginn einer linken Politisierung stehen und ihre emanzipatorische Orientierung mit eindeutig antifaschistischen Aufnähern an ihren Jacken zeigen wollen - und diese Aufnäher auf offener Straße von Polizisten abgerissen werden…


All diese repressiven Willkürmaßnahmen zeichnen sich dadurch aus, dass sich die staatliche Exekutive und Judikative zu Handlangern reaktionärer Kreise machen und linkes Engagement im Keim ersticken wollen. Außerdem erweitert sich juristisch der Rahmen, innerhalb dessen präventive Kriminalisierung möglich wird. Jetzt muss noch nicht einmal mehr direkt gegen eine Demonstration von Faschisten protestiert werden; jetzt muss schon mit staatlicher Repression gerechnet werden, wenn sich die oder der Einzelne auf rein symbolischer Ebene von nationalsozialistischer Propaganda distanziert oder - wie Micha - offensichtliche Kontinuitäten zwischen NS-Staat und BRD feststellt.


Das Verwaltungsgericht hat in Michas Fall deutlich gemacht, dass es an einer Reanimation der Berufsverbotspraxis interessiert ist, die für die 1970er Jahre so prägend war, als in der BRD über 100.000 Menschen davon betroffen waren. Während diese Maßnahme in einer von der Blockkonfrontation dominierten Gesellschaftssituation von staatsnahen Kräften noch mit der Unterwanderungsgefahr durch eine starke Linke gerechtfertigt werden konnte, haben sich die Umstände nun umfassend gewandelt. Schließlich können selbst konservative Gruppierungen solche Gefahrenszenarien heute nicht mehr vermitteln, ohne unglaubwürdig zu erscheinen.


Das Verwaltungsgericht wird durch seine Entscheidung zum Vollstrecker einer auf dem Boden staatsideologischer Prämissen urteilenden Gesinnungsjustiz. Ziel ist offenbar, das immerwährende Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des verfassten Regierungssystems in eine vollständige Entpolitisierung des BeamtInnentums zu transformieren. Das heißt, dass vor allem LehrerInnen kein außerparlamentarisches antifaschistisches Engagement an den Tag legen dürfen, eben weil sie als LehrerInnen in ihrer Rolle als FormerInnen staatshörigen Nachwuchses aufgehen müssen.


Das Karlsruher Urteil ist als Aufforderung an unseren langjährigen Genossen Michael zu verstehen, politisch abzuschwören und alle Mitgliedschaften in linken Organisationen aufzukündigen. Damit will der Staat einen neuen Präzedenzfall schaffen, durch den bereits politisch interessierte Studierende und Auszubildende von öffentlichkeitswirksamer linker Aktivität abgeschreckt werden sollen, da ihnen ansonsten die Verweigerung eines Arbeitsplatzes droht.


Wir werden alles tun, um einen Rückfall in die repressive Politik der umfassenden Gesinnungsprüfungen der 1970er Jahre zu verhindern!


Antifaschismus ist nicht kriminell, sondern notwendig!

Weg mit dem Berufsverbot!

Geheimdienste abschaffen!


Der Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V.