Redebeitrag Michael Csaszkóczys
auf der Demonstration gegen Berufsverbote am 25.03.2006
Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Genossinnen und Genossen,
ich möchte mich bei euch bedanken dafür, dass wir heute so viele sind. Mehr als zwei Jahre dauert nun schon das Berufsverbot, das das Land Baden-Württemberg gegen mich verhängt hat und ich habe in dieser Zeit gelernt, dass es falsch ist, aus Trotz den Helden zu spielen und so zu tun, als würde alles, was mir widerfährt einfach an mir abprallen.
Ich habe mich in den letzten zwei Jahren oft genug ziemlich hilflos und allein gefühlt. Wenn ich Euch hier sehe, weiß ich, dass ich nicht allein bin und dass die Auseinandersetzungen, die ich mit dem Staat hatte und habe, nicht allein meine Angelegenheit sind. Sie sind die Sache von vielen.
Sie sind die Angelegenheit von allen, die sich nicht damit zufrieden geben, dass die Welt so ist wie sie ist, die nicht dem Schwindel aufsitzen, dass diese Welt die beste aller möglichen Welten sei.
Diese Auseinandersetzungen sind die Angelegenheit von allen, die es nicht für eine unumstürzliche Glaubenswahrheit halten, dass der Kapitalismus das Ende der Geschichte sei.
Sie sind die Angelegenheit von allen, die der Überzeugung sind, dass eine Gesellschaft von der offenen Diskussion über notwendige Veränderungen lebt.
Ich habe das Urteil, das das Verwaltungsgericht Karlsruhe am 13.03. gefällt hat, zur Kenntnis genommen und ich habe mir die Begründung gründlich durchgelesen. Weil an meinen persönlichen Taten offensichtlich nichts Verdammenswertes zu finden war, hat mich das Gericht zunächst einmal als „engagierten Streiter gegen Rechts und für friedliche Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht“ bezeichnet, nur um mir anschließend vorzuwerfen, mein „moralischer Rigorismus“, mein „lebensfremder Idealismus“ würden über das Ziel hinausschießen.
Wenn mit moralischem Rigorismus gemeint ist, dass meine Moralvorstellungen nicht so flexibel sind wie die derjenigen, die uns allerorten als treue Freunde unserer Verfassung präsentiert werden, dann lasse ich mir diesen Vorwurf gern gefallen.
Meine Moralvorstellungen sind nicht so flexibel wie die derjenigen, die tagtäglich ohne mit der Wimper zu zucken bereit sind, Menschen in Folter, Elend und Tod abzuschieben.
Sie sind nicht so flexibel wie die Moralvorstellungen der frommen Christdemokratinnen und -demokraten, die noch heute den furchtbaren NS-Juristen Filbinger hofieren.
Sie sind nicht so flexibel wie die Moral derjenigen, die die alltägliche rassistische Gewalt in Deutschland totschweigen wollen, um das Ansehen der Nation nicht zu gefährden.
Wenn mit „lebensfremdem Idealismus“ gemeint ist, dass ich mir unter Demokratie mehr vorstellen kann, als alle vier Jahre ein Kreuz zu malen, dann will ich mich dazu gern schuldig bekennen.
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil insbesondere hervorgehoben, ein Lehrer habe sich in Deutschland zu distanzieren von einer Gruppe, die folgendes schreibt:
„Zwischen dem Nationalsozialismus und der BRD hat es Kontinuitäten gegeben“ und „Im Deutschland der 90er Jahre sind rassistische Übergriffe zur Normalität geworden“. Vor diesen Tatsachen soll ein Lehrer als treuer Staatsdiener also die Augen verschließen.
Die Berufsverbote in Deutschland stehen in einer finsteren Tradition, die nicht erst bei den Bismarckschen Sozialistengesetzen 1878 beginnt. Schon immer gehörte es in Deutschland zur Staatsraison, Linke aus wesentlichen Bereichen der Gesellschaft zu verdrängen, sie zu stigmatisieren und zu kriminalisieren.
Das Verwaltungsgericht hat mir bestätigt, dass ich „nicht Gewähr dafür biete, jederzeit voll einzutreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung“. Die Formulierung ist nicht neu: Sie stammt aus dem nationalsozialistischen „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ aus dem Jahr 1933. Mit diesem Gesetz sollten Juden und Jüdinnen, Kommunistinnen und Komunisten, Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aus dem Staatsdienst entfernt werden. Es war der erste Schritt zu ihrer Entrechtung, Vertreibung und Ermordung. Damals hieß es, niemand dürfe in den öffentlichen Dienst, der „nicht Gewähr dafür biete, jederzeit rückhaltlos einzutreten für den nationalen Staat“.
Das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts, auf das sich das Gericht bezieht, stammt aus der Feder Willi Geigers, damals Bundesverfassungsrichter. Die Grundzüge des Urteils finden sich bereits in seiner Dissertation aus dem Jahre 1941 über die „Rechtsstellung des Schriftleiters“. In dieser Arbeit diskutierte Geiger 1941 die besten Möglickeiten, Marxisten und andere „Schädlinge an Volk und Heimat“ aus den Medien fernzuhalten. Den Doktortitel, den sich Geiger mit dieser Hetzschrift erwarb, setzte er 1975 auch stolz unter sein Urteil zum Thema Berufsverbote.
Ausgerechnet auf diese juristischen Texte beruft sich das Verwaltungsgericht, um mir zu verbieten, von einer Kontinuität zwischen Nationalsozialismus und BRD-Gesellschaft zu reden! Allerdings: In Deutschland über Faschismus zu reden heißt noch immer, im Haus des Henkers über den Strick zu reden.
Aus dem Urteil des Gerichts wird die Bestrebung überdeutlich, sich von den lästigen Bürden zu befreien, die die nationalsozialistische Vergangenheit einer selbstbewusst gewordenen deutschen Nation immer noch auferlegt. Da soll nach Ansicht des Gerichts über faschistische Kontinuitäten und über rassistische Übergriffe nicht mehr geredet werden.
Nicht nur in der Urteilsbegründung, sondern auch in den Medien ist mir immer wieder vorgeworfen worden, dass ich nicht bereit war, mich von folgendem Satz zu distanzieren: „Militanz ist für uns ein legitimes Mittel im Kampf um Befreiung.“
Eine Distanzierung von diesem Satz kommt für mich schon deshalb nicht in Frage, weil ich das als Verhöhnung aller derjenigen empfinden würde, die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus gekämpft haben. Allerdings empfinde ich es nicht als zu viel von den Schulbehörden verlangt, doch einmal im Duden die Bedeutung des Wortes „militant“ nachzuschlagen: Dort steht „kämpferisch für seine Überzeugungen eintretend“ und als Beispiel ist genannt „eine militante Pazifistin“. In diesem Sinne ist Militanz eine bittere Notwendigkeit in einer Zeit, in der bürgerliche und soziale Rechte zunehmend eingeschränkt werden und in der Antisemitismus und Rassismus in unserer Gesellschaft weiter wachsen.
Wir brauchen viele Menschen, die bereit sind, kämpferisch für ihre Überzeugung einzutreten und die sich dabei weder von Ministerien noch vom Verfassungsschutz einschüchtern lassen.
Der Inlandsgeheimdienst, von dem ich nicht so recht weiß, warum er eigentlich den Namen „Verfassungsschutz“ trägt, spielt in diesem Berufsverbotsverfahren eine entscheidende Rolle.
Das Verbotsverfahren gegen die NPD ist gescheitert, weil laut Bundesverfassungsgericht nicht mehr auseinanderzuhalten war, wer aus Überzeugung Nazi, wer aus Überzeugung Verfassungsschützer und wer aus Überzeugung beides war. Und einem solchen Geheimdienst wird die Entscheidung überlassen, einen Lehrer wegen seines antifaschistischen Engagements aus dem Schuldienst fernzuhalten und seine berufliche Existenz zu zerstören!
Die Politik, die der Verfassungsschutz betreibt hat Tradition. Ein Verfassungsfeind aber ist – so das Karlsruher Verwaltungsgericht, wer diese Tradition benennt und kritisiert.
Die Klagen über das politische Desinteresse weiter Bevölkerungskreise und insbesondere der Jugend erweisen sich als pure Heuchelei. Politisches Engagement ist nur dann erwünscht, wenn es sich grundsätzlich mit den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen abfindet.
Lassen wir nicht zu, dass die Spielräume für eine gesellschaftsverändernde emanzipatorische Politik noch enger werden, als sie es ohnehin schon sind.
Wenn wir die Rechte, die wir haben, nicht mehr wahrnehmen, dann existieren sie irgendwann nicht mehr.
Noch einmal: Der Kampf gegen das Berufsverbot ist nicht allein eine Sache derer, die meine politischen Ansichten teilen. Er ist die Sache aller derer, die nicht wollen, dass Einschüchterung, Duckmäusertum und Untertanengeist das politische Klima in unserer Gesellschaft bestimmen.
Es geht nicht nur darum, dass mein Berufsverbot aufgehoben wird.
Es geht auch nicht nur darum, dass die Betroffenen der Berufsverbote aus den 70er und 80er Jahren endlich rehabilitiert und für das ihnen zugefügte Unrecht entschädigt werden – obwohl das eine wichtige Forderung ist.
Es geht darum, dass die gesetzlichen Grundlagen der antidemokratischen Berufsverbote endlich aus unseren Gesetzbüchern verschwinden!
Wenn wir die Wiederbelebung der Berufsverbote verhindern wollen, werden wir alle einen langen Atem brauchen. Ich hoffe, dass ich darauf zählen kann, dass wir gemeinsam diesen langen Atem haben!
Es wird sicherlich nicht das letzte Mal sein, dass wir zusammen für Meinungsfreiheit und gegen politische Repression auf die Straße gehen müssen. Bis dahin!
Michael Csaszkóczy