Redebeitrag Carmen Ludwigs, stellv. Vorsitzende der GEW Hessen

bei der Demonstration gegen Berufsverbote, Mannheim, 27.01.2007



Liebe Kolleginnen und Kollegen,

morgen, am 28.1.2007, jährt sich zum 35.Mal der Ministerpräsidentenbeschluss gegen so genannte verfassungsfeindliche Kräfte im öffentlichen Dienst, besser bekannt als der "Radikalenerlass". In Folge dieses Erlasses wurden insgesamt 3,5 Millionen Personen überprüft, ca. 10.000 kritisch-demokratische, antifaschistisch, sozialistisch oder kommunistisch denkenden Menschen wurde der Eintritt in den bzw. der Verbleib im öffentlichen Dienst verwehrt. Tausende berufliche Existenzen wurden so zerstört. Nicht erfassbar ist die Fülle von Einschüchterungen und Verunsicherungen, die an Schulen, den Hochschule und im gesamten Arbeitsleben Einzug gehalten hatte.

Wir sind heute erneut zusammengekommen, weil das Berufsverbot von Michael Csaszkóczy noch immer nicht aufgehoben ist. Wir sind fassungslos und bestürzt, dass über 30 Jahre nach der Verabschiedung des Radikalenerlasses wieder ein Berufsverbot gegen einen Antifaschisten ausgesprochen wird. Weil sich Michael Csaszkóczy als Mitglied der antifaschistischen Initiative Heidelberg in vorbildlicher Weise gegen Rassismus und Rechtsextremismus engagiert hat, darf er nicht Lehrer werden und wird er noch immer vom Verfassungsschutz überwacht. Es ist ein Skandal, dass Lehrerinnen und Lehrer bei friedenspolitischem und antifaschistischem Engagement mit Sanktionen rechnen müssen!

Wir haben mit Freude zur Kenntnis genommen, dass der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Rechtsprechung geäußert und eine Berufung zugelassen hat. So wird in Kürze erneut über das Berufsverbot von Michael Csaszkóczy verhandelt.


Wir fordern weiterhin die Einstellung und Rehabilitierung Michael Csaszkóczys und die Abschaffung der gesetzlichen Grundlagen der Berufsverbote! Antifaschistisches Engagement darf nicht kriminalisiert werden!

Dazu gehört auch, dass die Bespitzelung antifaschistischer Gruppen durch den Verfassungsschutz aufhören muss. Angesichts des derzeitigen Aufschwunges der extremen Rechten in Deutschland ist die Arbeit antifaschistischer Gruppen wichtiger denn je. Denn es sind die Antifa-Initiativen, die sich kontinuierlich gegen rechte Umtriebe engagieren und denen es zu verdanken ist, wenn Rechtsextreme vor Ort nicht Fuß fassen können.


Das Verwaltungsgericht Karlsruhe befand, dass mit den Äußerungen der Antifaschistischen Initiative Heidelbergs zu Kontinuitäten zwischen Nationalsozialismus und BRD die Grenzen einer legitimen Kritik überschritten seien. Das Verwaltungsgericht machte aus einer unstrittigen historischen Wahrheit eine Diffamierung des Staates.



Ist ein Geschichtslehrer also verpflichtet, sich von historischen Tatsachen zu distanzieren? Was passiert, wenn ein Historiker zu dem Ergebnis kommt, dass der westdeutsche Staatsapparat bis in höchste Positionen mit Altnazis durchsetzt war? Was geschieht einem Pädagogen, der feststellt, dass in diesem Staat Ausgrenzung von Migranten und rassistisches Handeln stattfindet? Wo überschreiten sie die „Grenzen einer legitimen Kritik unseres Staates und seiner Verfassung“?

Durch drohende Berufsverbote werden Studierende zur Abwägung gezwungen, ob sie sich ein Engagement gegen Rechtsextremismus noch leisten können oder ob sie dieses später mit dem Verlust der beruflichen Existenz bezahlen müssen. Im Kern geht es bei dem Berufsverbot von Michael Csaszkóczy um die Verteidigung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung. Die Bundesassistentenkonferenz schrieb 1973 über die Folgen des Radikalenerlass: „Berufsverbote haben in ihrer qualitativen Auswirkung vor allem auch die Funktion, sich artikulierende Kritik bereits in ihrem Anfangsstadium zu unterdrücken. Es wird damit ein Klima permanenter Angst geschaffen, das dem Denunziantentum Tür und Tor öffnet.“

Eine Renaissance der antidemokratischen Berufsverbote wird zu einem Klima der Einschüchterung und der Entpolitisierung insbesondere an den Hochschulen führen. Wir können keine unkritischen, angepassten Studierenden wollen! Auch hier wäre es angebracht, die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen: Es waren 1933 und davor nicht zuletzt viele Studierende und Angehörige der Hochschulen, die sich zum Wegbereiter des Faschismus machten.


In Hessen wird Michael Csaszkóczy vom Staatlichen Schulamt zudem vorgeworfen, dass er sich gemeinsam mit der GEW gegen das Berufsverbot öffentlich zur Wehr setzt. Dies lasse weiterhin Zweifel an seiner Verfassungstreue aufkommen. Der Betroffene kann sich folglich nicht gegen sein eigenes Berufsverbot zur Wehr setzen, ohne sich damit gleich wieder der Verfassungsfeindlichkeit verdächtig zu machen. Damit wird die Absurdität des Verfahrens und der Argumentation auf die Spitze getrieben!

Das Berufsverbot gegen Michael Csaszkóczy stützt sich im Wesentlichen auf die fragwürdigen und unüberprüften Einschätzungen des Verfassungsschutzes. Weil die GEW auf die vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen des NPD-Verbotsverfahrens festgestellte Verstrickung des Verfassungsschutzes mit der rechtsextremistischen Szene hingewiesen hat, wurde sie vom hessischen Innenminister aufgefordert „ihr Verhältnis zum demokratischen Staat Bundesrepublik Deutschland und seinen Einrichtungen zu überprüfen.“

Hierzu sagen wir ganz deutlich: Nicht diejenigen, die sich mit kritischen Äußerungen an die Öffentlichkeit wenden, haben Nachholbedarf in Sachen Demokratie, sondern diejenigen, die wie die hessische Landesregierung

und die

- Antifaschistinnen und Antifaschisten überwachen lassen und Berufsverbote aussprechen.


Wir bleiben dabei: Der Verfassungsschutz ist denkbar ungeeignet, in einem solchen Fall zum Herrn des Verfahrens gemacht zu werden!


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Berufsverbot ist und bleibt ein undemokratisches Instrument zur politischen Disziplinierung und gehört abgeschafft!