Redebeitrag Anne Riegers, Landessprecherin der VVN-BdA Baden Württemberg

bei der Demonstration gegen Berufsverbote, Mannheim, 27.01.2007





Liebe Freundinnen und Freunde,


Wir sind an der Gedenktafel in der Mauer der Lauerschen Gärten vorbei gekommen.

Mit unseren Gedanken sind wir bei Erich Paul, Hermann Adis und Adolf Doland.

42 Tage vor dem Ende des deutschen Raubkrieges 1945 wollten sie weitere Tote in Mannheim verhindern. Die US-Truppen hatten gerade Ludwigshafen besetzt und Mannheim lag unter schwerem Artilleriebeschuss. Zum Schutz der Bürger hatten die drei weiße Tücher aus dem Luftschutzbunker gehängt.

Zivilcourage und Mut waren bitter nötig, um dem unsinnigen Sterben ein Ende zu machen.

Die terroristische Führung von Nazi-Deutschland hatte befohlen, alle männlichen Personen über 14 Jahre zu erschießen, die sich in Häusern mit weißen Fahnen aufhielten.

Kampfkommandant Major Fohr und der Mannheimer Polizeikommandant Habenicht setzen diesen Befehl brutal durch. Erich, Hermann und Adolf wurden wegen Menschlichkeit und Zivilcourage am 28. März 1945 durch den Befehl blindwütiger Terroristen erschossen. Sie sind uns Vorbilder – sie haben sich nicht einschüchtern lassen!


Heute – 62 Jahre danach - werden in Deutschland Menschen, die eine andere Meinung äußern als die Obrigkeit sie vorgibt, nicht mehr erschossen. Sie werden auch nicht erschossen, wenn sie nach ihrem Gewissen handeln. Heute haben sich die herrschenden Eliten andere, subtile, perfide, Mittel ausgedacht, mit denen sie Menschen mundtot machen wollen, die andere, als Regierungsmeinungen äußern und danach leben.

Heute wird mit Existenzvernichtung und Berufsverbot belegt, wer sich nicht duckt!

Wer selber denkt, wer hinterfragt und danach handelt!

Wir fordern: Weg mit den Berufsverboten!


Der 27. Januar ist der Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus.

Heute vor 62 Jahren befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz.

Es wurde für die ganze Welt zum Symbol des Terrors, des Holocaust ein Synonym für die Konzentrationslager des Dritten Reiches.

Für die braunen Machthaber dienten sie von Anfang an einem Zweck: Hier wurden seit Anfang 1933 alle Andersdenkenden und Gegner des Regimes konzentriert:

Kommunisten und Sozialdemokraten, Zeugen Jehovas, oppositionelle Priester und Pastoren, politisch unliebsame Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle.

Sie wurden gequält, gefoltert, ausgebeutet, entwürdigt, ermordet.

Seit 1941 dienten dann die Konzentrationslager der unfassbaren industriellen Vernichtung von Millionen Menschen.

In Baden-Württemberg, am Heuberg, gab es eines der ersten Konzentrationslager im März 1933.


Wer von Auschwitz, wer von Konzentrationslagern redet, darf von der Machtübertragung am 30. Januar 1933 an die Nazis nicht schweigen. Die Nazis kamen nicht aus eigener Kraft zur Macht. Vielmehr ermöglichten wichtigen Teilen der Eliten aus Wirtschaft, Großgrundbesitzern, Militär, Medien

und dem politische Teil des Konservatismus die Machtübertragung auf Hitler und somit die Herbeiführung des Zweiten Weltkriegs.

Wer von Auschwitz redet, darf von der Kontinuität zwischen dem nationalsozialistischem Staat und der Bundesrepublik Deutschland nicht schweigen:


Ich verweise auf das Ausführungsgesetz des Artikels 131 GG.

Dort wurde 1951 von der Adenauer-Regierung gesetzlich verankert, dass bei der Neubesetzung von Behörden-Stellen mindestens 20 % NS-Belastete berücksichtigen werden mussten.

(Zur Erläuterung dazu: Es gab nach1945 Nichtbelastete, Mitläufer und Belastete. Letztere mussten bei der Stellenbesetzung mit 20 % berücksichtigt werden.)


Ich erinnere an Kurt Georg Kiesinger.

Bereits im Mai 1933 trat er in die NSDAP ein, wurde stellvertretender Leiter der Rundfunkpolitischen Abteilung, die direkt dem Goebbelsministerium unterstand. In der Bundesrepublik konnte er Ministerpräsident von Baden Württemberg und anschließend Bundeskanzler werden.

Ein weiterer Beweis der Kontinuität ist Hans Filbinger, der furchtbaren Marinerichter. Noch nach Kriegsende verfolgte er deutsche Matrosen mit Nazigesetzen, verurteilte einen Monat vor Kriegsende respektable Deserteure zum Tode. In Baden-Württemberg konnte er bis vor wenigen Jahren Ministerpräsident sein. Vor zwei Jahren wurde er von der CDU in die Bundesversammlung entsandt, um das oberste deutsche Staatsoberhaupt, Bundespräsident Köhler, zu wählen.


Es gibt die NPD, die von ehemaligen Funktionären der verbotenen faschistischen Deutschen Reichspartei gegründet wurde, deren Gründer wiederum teilweise NSDAP-Mitglieder waren.

Es gibt die Republikaner, die vom SS-Mann Schönhuber gegründet wurde. Es gibt die Krisenreaktionskräfte der Bundeswehr, die von General Günzel befehligt wurden, der den rechtsextremistischen Äußerungen des Bundestagsabgeordneten Hohmanns Beifall bekundete.

Allein diese wenigen Beispiele zeigen Kontinuitäten zwischen dem Nationalsozialistischen Staat und der Bundesrepublik Deutschland. Es ist der Stand der historischen Forschung, wie die renommierte Wochenzeitschrift „Die Zeit“ feststellte.

Diese unbequeme Wahrheit vertritt unser Kamerad Michael Csaszkóczy, ebenso wie die Antifa-Initiative, ebenso wie meine Organisation, die VVN-Bund der Antifaschisten und wie wir alle, die wir hier versammelt sind. Wir benennen diese Kontinuitäten - wir schweigen nicht.


Micha, du lässt Dich nicht einschüchtern! Du zeigst Gesicht!

Wir bewundern Deinen Mut und Deiner Zivilcourage. Du hast unsere Unterstützung!


Ebenfall Kontinuität in Deutschland haben die Berufsverbote. Die Verfolgung selbständig denkender Demokraten in Deutschland steht in einer für das Land typischen Tradition, die antidemokratische Staatsdoktrin wird administrativ und lückenlos durchgesetzt!

Historische Stationen sind die Karlsbader Beschlüsse von 1819, die so benannte Demagogen-Verfolgung, durch die u.a. Ernst Moritz Arndt gemaßregelt und ein Jahr später seine Professur verlor

die Demokratenverfolgungen nach der Revolution von 1848/49 mit den Kölner Kommunisten-Prozesse als Höhepunkt im Jahr 1852, das Sozialistengesetz von 1878, das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom April 1933, der Adenauer-Erlass vom 1950, der Ministerpräsidentenbeschluss von 1972, der die Berufsverbote einführte und nun das Berufsverbot gegen Michael Csaszkóczy.


Damit muss endlich Schluss sein!


Bundeskanzlerin Merkel hat soeben die EU-Ratspräsidentschaft übernommen.

Wir fordern von hier, aus der Jubiläumsstadt Mannheim, die Zeit ihrer Ratspräsidentschaft zu nutzen, um der Hexenjagd gegen Demokraten ein Ende zu machen.

Wir fordern ein positives demokratisches Signal von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft:

Weg mit den Berufsverboten.

Kein McCarthyismus in Deutschland.


Michael Csaszkóczy muss endlich eingestellt werden.