Redebeitrag auf der Demonstration gegen Berufsverbote in Karlsruhe
Das kürzlich vom Verwaltungsgericht bestätigte Berufsverbot gegen Micha geht nicht nur auf die bundesdeutsche Berufsverbotspraxis der 1970er Jahre zurück, sondern hat seine Wurzeln bereits im 19. Jahrhundert. Seit der Existenz Deutschlands als Nationalstaatsform sind die unterschiedlichsten Regierungssysteme von einer Obrigkeitspolitik geprägt, die Linke ausgrenzt und zu Feindbildern erklärt:
Mit dem unter Kanzler Bismarck im Oktober 1878 erlassenen und bis Anfang 1890 Gültigkeit besitzenden „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ war jede sozialdemokratische Betätigung außerhalb der Reichstagsfraktion illegalisiert worden. Rund 1350 Zeitungen und Druckschriften wurden verboten, 900 Linke aus ihren Wohnorten verbannt und Unzählige zu Gefängnis- oder Geldstrafen verurteilt. Mit diesem „Sozialistengesetz“ sollten alle links von rechtskonservativen und nationalliberalen Kreisen stehenden PolitaktivistInnen als „Reichsfeinde“ bekämpft werden. Diese politische Ächtung der linken Opposition ging mit einem sozialen Ausschluss einher, der sich in materieller Entrechtung und in Verfolgung am Arbeitsplatz äußerte. Da die staatliche Repression gegenüber der ArbeiterInnenbewegung auch nach der Annullierung des Sozialistengesetzes anhielt, belastete es das politische Leben im Deutschen Reich jedoch weiterhin.
Hatte die obrigkeitsstaatliche Maßnahme des „Blut-und-Eisen“-Politikers mehrere soziale und juristische Ebenen umfasst, so richtete sich das bereits im April 1933 verabschiedete nationalsozialistische „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufbeamtentums“ ausschließlich gegen die beruflichen Grundlagen unliebsamer StaatsdienerInnen. Auch wenn es sich in erster Linie gegen die jüdische Bevölkerung richtete, waren auch zahlreiche Linke von den folgenden Massenentlassungen betroffen. Mit dem Wiederherstellungsgesetz sollten BeamtInnen auch dann entlassen werden können, „wenn die nach dem geltenden Recht hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen“. Ferner können sie aus dem Dienst entlassen werden, wenn sie „nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten“. Diese Formulierung sollte im Übrigen 1972 die Grundlage des bundesrepublikanischen „Radikalenerlasses“ unter der Regierung Willy Brandts bilden.
Die Einstufung von KommunistInnen als Staatsfeinde änderte sich auch nach der Zerschlagung des faschistischen NS-Staates nicht: Am 17. August 1956 wird die Kommunistische Partei Deutschland (KPD) verboten. Um den politischen Restaurierungsprozess und die Remilitarisierung der BRD voranzutreiben, wird die KPD für verfassungswidrig erklärt, ihre Auflösung verfügt, das Vermögen eingezogen und die Bildung von „Ersatzorganisationen“ verboten. Das Verbotsurteil legalisiert auch nachträglich alle zwischen 1951 und 1956 gegen KommunistInnen ergangenen strafrechtlichen Urteile von BRD-Gerichten. Damit werden Polizei- und Justizorgane ermächtigt, politische Aktivitäten der Partei und ihrer Mitglieder in der Zeit vor dem Verbot nachträglich zu kriminalisieren. Das Verbot wird vor allem damit begründet, dass die politische Zielsetzung der KPD und deren marxistisch-leninistische Grundlagen verfassungswidrig seien. Nach der Urteilsverkündung kommt es zu einer Welle von Hausdurchsuchungen in Büros und Wohnungen. Material und Vermögen werden beschlagnahmt, KommunistInnen gesucht und verhaftet. Die Zahl der durch die politische Justiz in Gefängnisse gebrachten KommunistInnen liegt nach dem Verbot bei über 3.600 Personen. Zynischerweise sind unter den Betroffenen viele Menschen, die im NS-Staat in Konzentrationslagern gelandet waren, weil sie zu denen gehörten, die am heftigsten Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur geleistet hatten.
In der Folge des KPD-Verbots kommt es oft zu Arbeitsplatzverlusten, Berufsverboten, finanziellen und familiären Problemen. Hohe Prozesskosten, Bespitzelungen und persönliche Diffamierungen belasten viele Betroffene. Nicht selten werden Gefängnis- oder Geldstrafen in beträchtlicher Höhe verhängt. Viele der dabei agierenden Richter und Staatsanwälte stehen direkt in faschistischer Tradition.
Das weiterhin bestehende KPD-Verbot wird nach den Erfahrungen mit der 1968er-Revolte Vorbild für die als „Radikalenerlass“ bekannt gewordene „Gemeinsame Erklärung des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten der Länder vom 28.1.1972“. In ihr erwarten der Bund und die Länder von Angehörigen des öffentlichen Dienstes, dass sie sich positiv zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. BewerberInnen um die Einstellung in den öffentlichen Dienst müssen die Gewähr dafür bieten, „jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ einzutreten. Auf der Grundlage dieses „Radikalenerlasses“ wurden vor allem in den 1970er Jahren unzählige Berufsverbote verhängt.
Selbstverständlich auch gegen Menschen, die sich im außerparlamentarischen Bereich in systemkritischen Organisationen bewegten. So wie unser Genosse Micha, der offiziell seit August 2004 kein Realschullehrer sein darf und dessen Vergehen es ist, Mitglied politisch unliebsamer Organisationen aus dem linken Spektrum und Angehöriger einer seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierung zu sein - der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD). Die Kriminalisierung von Antifa-Gruppen gehört in Deutschland zum Standardrepertoire staatlicher Repression. Hier ist vor allem die Konstruktion solcher Gruppen als kriminelle oder terroristische Vereinigungen hervorzuheben. Dadurch erhoffen sich die Behörden, einen Einblick in linksradikale Strukturen zu bekommen und diese zu destabilisieren. Diese Politik der Einschüchterung und Bespitzelung soll die Freiräume zerstören, die für erfolgreichen politischen Widerstand noch vorhanden und notwendig sind.
Demselben Zweck dient das Berufsverbot gegen Micha. Es ist im Kontext der zurzeit zu beobachtenden Zunahme staatlicher Repression gegen Menschen zu sehen, die sich in irgendeiner Form zu ihrer antifaschistischen Gesinnung bekennen wollen.
Micha ist nur einer von ihnen. Gemeint sind wir alle!
Weg mit den Berufsverboten!
Der staatlichen Repression entschlossen entgegentreten!
Antifaschismus ist legitim und notwendig!