Presseerklärung der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke und Nele Hirsch, 08.08.2007
Zur Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der
innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion Ulla Jelpke und der
bildungspolitischen Sprecherin Nele Hirsch zur gegenwärtigen und
früheren Berufsverbotspraxis (BT-Drucksache 16/6128) erklären
Ulla Jelpke:
Die Bundesregierung hält Berufsverbote für
politisch unliebsame Bewerber zum Öffentlichen Dienst weiterhin
für gerechtfertigt. Das ist die wesentliche Botschaft einer
Antwort auf eine Kleine Anfrage zur gegenwärtigen und früheren
Berufsverbotspraxis.
Der so genannte Radikalenerlass war 1972 von
den Regierungen von Bund und Ländern eingeführt worden. Bis
1991 wurden gegen ca. 1100 Personen Berufsverbote ausgesprochen, 130
Personen wurden aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Betroffen
waren insbesondere Mitglieder kommunistischer Organisationen und
Aktivistinnen und Aktivisten der Friedensbewegung. Eine neue Welle
von Berufsverboten erfolgte nach der Wiedervereinigung gegen
ehemalige Angehörige von Parteien, Massenorganisationen und
Behörden der DDR.
1995 hatte der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte (EMGR) in Straßburg im
Falle einer wegen ihres Engagements in der DKP aus dem Schuldienst
entlassenen Beamtin entschieden, dass der Radikalenerlass gegen die
Menschenrechte auf Meinungs- und Koalitionsfreiheit sowie das Prinzip
der Verhältnismäßigkeit verstößt. Für
die Bundesregierung ist dieses Urteil bis heute kein Grund, den
Radikalenerlass abzuschaffen. Es handle sich bei dem Urteil um einen
Einzelfall. Daher „besteht auch weiterhin keine Veranlassung,
allgemeine Konsequenzen aus dem Urteil des EGMR vom 26. September
1995 im Fall Vogt zu ziehen“, heißt es in der Antwort der
Bundesregierung. Im Klartext: Berufsverbote bleiben ein
Damoklesschwert zur Disziplinierung politisch unliebsamer Beamter und
Bewerber zum öffentlichen Dienst.
Vergangene Woche wies
das Darmstädter Verwaltungsgericht die hessische Schulbehörde
an, die Bewerbung des Lehrers Michael Csaszkoczy erneut zu prüfen.
Wegen seines Engagements in einer antifaschistischen Initiative
hatten Hessen und Baden-Württemberg Csaszkoczys Übernahme
in das Beamtenverhältnis verweigert. Die von der Bundesregierung
als Konsequenz aus dem Straßburger Urteil vorgesehene
Einzelfallprüfung hatte nicht stattgefunden.
Berufsverbote
stellen ein trauriges Relikt des kalten Krieges da. Diese autoritären
und europaweit einzigartigen Maßregelungen gegen linke und
antifaschistisch engagierte Bürgerinnen und Bürger gehören
endlich in die Mottenkiste der Geschichte.