Ermutigung zu demokratischem Engagement?
Der Kreisverband der GEW Rhein-Neckar-Heidelberg ist empört über die
staatliche Repression, wie sie politisch links engagierten Menschen in
besonders ausgeprägter Form und Zahl immer wieder erleben und erdulden
müssen. Beispiele, die Anlass zu Sorge und kritischer Beobachtung geben,
finden sich in jüngster Vergangenheit zahlreiche:
Für Fassungslosigkeit und Unverständnis sorgt derzeit beispielsweise der
Fall eines angehenden Lehrers, der im Rahmen seines
Stellenbewerbungsverfahrens eine Mitteilung des für ihn zuständigen
Oberschulamts erhielt, das Zweifel an seiner Verfassungstreue bestünden.
Bei einer Anhörung soll er sich nun zu diesem Sachverhalt äußern. Worauf
sich diese Zweifel stützen, ist nicht konkretisiert.
Sollte wirklich sein Engagement in antifaschistischen und
friedenspolitischen Gruppen der Grund dafür sein?
Der Kreisverband der GEW Rhein-Neckar/ Heidelberg protestiert gegen
solche Formen der Anhörung, da sie in ihrer Konsequenz eine Vorstufe
bzw. die Voraussetzung für ein Berufsverbot darstellen. Die einem
solchen Verfahren zugrundeliegenden Paragraphen wurden -abgesehen von
der Abwicklung der DDR- zuletzt in den 70er Jahren angewendet und
dienten vor allem dazu, rechtliche Voraussetzungen dafür zu schaffen,
politisch unliebsame Menschen aus dem LehrerInnenberuf fernzuhalten. Wie
einem Pressebericht der Bundes-GEW vom 28.01.2002 zu entnehmen ist,
wurden damals bundesweit über 14.000 Berufsverbots- und
Disziplinarverfahren durchgeführt, die zu rund 1.200 Ablehnungen von
Bewerberinnen und Bewerbern und über 260 Entlassungen aus dem
öffentlichen Dienst führten. Bemerkenswert daran ist, dass solche
Verfahren fast ausschließlich gegenüber Angehörigen und
UnterstützerInnen linker Parteien und Organisationen Anwendung fanden.
Die GEW hat Jahrzehnte in vielen tausend Einzelfällen gegen die
Berufsverbotspraxis auf Bundesebene und in ihren Landesverbänden
gekämpft. Einen späten Erfolg hat der GEW-Rechtsschutz noch 1995
vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erzielt, wo in einem
exemplarischen Urteil die Berufsverbotspraxis der BRD für
menschenrechtswidrig erklärt wurde, da sie gegen die Grundrechte auf
Meinung- und Vereinigungsfreiheit verstoßen. Umso unverständlicher
erscheint nun der Rückgriff auf derartige Methoden seitens der
Schulverwaltung in heutiger Zeit.
Welches Ziel soll hier verfolgt werden, wenn nicht das der
Einschüchterung und Einschränkung politischer Handlungsspielräume von
Lehrerinnen und Lehrern?
Das zu befürchtende Berufsverbot muss auch im Kontext anhaltender
politischer Einschüchterungen und Behinderungen in anderen Bereichen
gesehen werden, vor allem im Rahmen von Demonstrationen, so jüngst und
in besonders drastischer Form bei der Demonstration für ein neues
selbstverwaltetes Zentrum vom 31.01.04 in Heidelberg. Bereits vor fünf
Jahren war das Autonome Zentrum, das auf dem Areal der alten
Glockengießerei gestanden hatte, abgerissen worden. Da das Versprechen
der Stadt Heidelberg, für Ersatz zu sorgen, bis heute nicht erfüllt
worden ist, gingen Angehörige und SympathisantInnen des "autonomen
Zentrums im Exil" auf die Straße, um ihrem Anspruch auf Räume und
Selbstbestimmung öffentlich Ausdruck zu verleihen. Schon am
Versammlungsort mussten sich die DemonstrantInnen
akribischen Kontrollen unterziehen, mussten Rucksäcke und Taschen
leeren, Schuhe ausziehen etc., wie auch die Rhein-Neckar-Zeitung vom
02.02. 2004 berichtet. Dabei wurden zahlreiche, für eine Demonstration
eigentlich selbstverständliche Gegenstände wie Fahnenstangen und Fahnen
beschlagnahmt. Auffällig war das unverhältnismäßig hohe Aufgebot an
Einsatzkräften der Polizei, die mit Sturmhauben, Helmen, Knieschützern,
Schlagstöcken und Schutzschildern gerüstet den Demonstrationszug
einkesselten und in teilweise mehrreihigen engen Spalieren
bis zum Kundgebungsort "bewachten". Sie boten ein ausgesprochen
bestürzendes Bild für alle, die bis dahin das Demonstrationsrecht als
ganz normalen Bestandteil ihrer Grundrechte betrachtet hatten. Die
TeilnehmerInnen dieser legal angemeldeten und im Verlauf friedlichen
Demo mussten sich angesichts eines solch drastischen Auftretens der
Polizei nicht nur wie gefährliche Kriminelle behandelt fühlen, sondern
die Vermittlung ihrer Forderungen in der Öffentlichkeit wurde dadurch
auch erheblich eingeschränkt. Transparente wurden durch den von
Einsatzkräften gebildeten Wanderkessel fast vollständig verdeckt
und interessierte BürgerInnen von der Kampfmontur der meisten
PolizistInnen von der Kontaktaufnahme zu TeilnehmerInnen des
Demonstrationszuges abgeschreckt.
Beispiele für das repressives Vorgehen der Polizei in Form penibler
Kontrollen, Spaliere, Einkesselungen und den Einsatz von Schlagstöcken
waren in der Vergangenheit auch bei -von Gewerkschaftsseite
mitgetragenen- Demonstrationen, wie der ersten Mai-Demo in Mannheim oder
Ludwigshafen oder einigen Anti-Nazi-Demos in Karlsruhe immer wieder zu
beobachten. Auch hier wurde deutlich, das die Teilnahme an
Demonstrationen mit linken Inhalten von Staatsseite nicht als
etwas Selbstverständliches betrachtet wird, sondern immer wieder
argwöhnisch beobachtet, gefilmt und bewacht wird. Wünschenswert w&aml;re,
wenn sich dieses Land mehr auf seine demokratischen Wurzeln besinnen
würde und Leute, Gruppen und Demonstrationen, die sich für
emanzipatorische Werte wie Selbstbestimmung und Menschenrechte
einsetzen, würdigt und fördert anstatt einschüchtert und in ihre
Schranken weist.
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Auf der Sitzung des Kreisvorstands der GEW Rhein-Neckar/Heidelberg vom
28.01.04 wurde sich einstimmig gegen ein Wiederaufleben der
Berufsverbotspraxis der 70er Jahre ausgesprochen.