Die
Zeit, 13.09.2007
Michael
Csaszkóczy
Ein Linker wird Lehrer—nach jahrelangem Rechtsstreit
Richtig
freuen, sagt er, werde er sich vielleicht in zwei Wochen. Im Moment habe er zu
viel zu tun. Anfang der Woche hat Michael Czaszkóczy seinen neuen Job angetreten.
Er ist nun Lehrer. Ein fast vier Jahre währender Rechtsstreit ist damit zu
Ende. Am Dienstag hat er zwei achten Klassen einer Heidelberger Realschule
seine ersten beiden Unterrichtsstunden gegeben, Kunst und Geschichte.
Dass
das nicht früher möglich war, lag an Csaszkóczys politischen Aktivitäten, die
oftmals nicht den Beifall der baden-württembergischen Landesregierung fanden. Mal stellte er sich schützend vor bedrohte Asylbewerber, als ein randalierender Mob vor deren Baracke zog. Mal nahm er
seinen Wohnsitz in einem angeblich linksextremistischen
Bauwagencamp. Vor allem aber engagierte
er sich in einer Gruppe aus der autonomen Szene, die durch revolutionäre Parolen und ihren Einsatz gegen
Neonazis und das Kampftrinkermilieu der studentischen Burschenschaften auf
sich aufmerksam macht.
Für
einen Lehrer gehöre sich so etwas nicht, befand
das Stuttgarter Kultusministerium. Csaszkóczy, obwohl zweifellos ein guter Pädagoge, sei leider auch ein
Verfassungsfeind und werde darum nicht
eingestellt — aus Sicht des Ministeriums »ein ganz normaler Vorgang«.
Mehr als drei Jahre dauerte es, bis ein Gericht die Stuttgarter Normalität
an den Normen des Grundgesetzes maß. Nach Prüfung des Beweismaterials erklärte
der Verwaltungsgerichtshof in Stuttgart dasselbe im Frühjahr dieses Jahres in deutlich befremdetem Ton für unerheblich. »Dass
die bloße Teilnahme an Veranstaltungen und Demonstrationen, die ersichtlich
ebenso vom Grundgesetz gedeckt ist wie die freie Meinungsäußerung, überhaupt
erwähnt wird, vermag der Senat kaum nachzuvollziehen.«
Hat
sich mit der Einstellung des Lehrers auch die Einstellung der Landesregierung
geändert? »Zweifel an der verfassungstreue müssen gut begründet sein« — diese
Lehre zog das Kultusministerium aus dem Rechtsstreit. Grund, sich bei Csaszkóczys
zu entschuldigen, sehe man nicht.
FRANK DRIESCHNER