WDR-Morgenecho, 14.09.2005, Beitrag von Ludger Fittkau



Der neue Staatsfeind im Südwesten


- Erstes Berufsverbot gegen einen Linken seit 20 Jahren –




Die Schule wollte ihn und hatte ihm bereits den Arbeitsvertrag geschickt.

Doch Stunden, bevor ein Realschullehrer seine Stelle im südhessischen Heppenheim antreten wollte, stoppte ihn vor wenigen Tagen die hessische Landesregierung. Sie schloss sich damit dem Urteil des baden-württembergischen Kultusministerin Annette Schavan (CDU/ heute im Kompetenzteam Angela Merkels) an. Ludger Fittkau über den ersten Berufsverbotsfall gegen einen Linken in Deutschland seit zwanzig Jahren, gegen den die Lehrergewerkschaft GEW jetzt vor Gericht zieht.


Der neue Staatsfeind der CDU-Regierungen in Baden-Württemberg und Hessen kommt mit dem Fahrrad zum verabredeten Interview in einem Heidelberger Gartenlokal. Der 35 Jahre alte Michael Csaskóczy hat ein rundliches, gemütliches Gesicht unter der Glatze, das linke Ohr ist mit einer ganzen Anzahl Metallringe geschmückt. Seit vielen Jahren ist Csaskóczy einer der Wortführer der autonomen

Szene im Rhein-Neckar-Raum. Nachdem gegen ihn im vergangenen Jahr in Baden-Würtemberg ein Berufsverbot verhängt wurde hatte er sich an einer Realschule im Hessischen Heppenheim beworben und hatte schon seinen Dienst angetreten:


O-Ton Michael Csaszkóczy:

Ein paar Minuten vor der ersten Lehrerkonferenz kam der Rektor auf mich zu und sagte: Auf Initiative des Innenministeriums sei ihm untersagt worden, einen Vertrag zu unterschreiben. Ein genaue Begründung habe ich nicht bekommen, aber das er politische Gründe sind, ist klar. Ich habe ja schon in Baden-Württemberg Berufsverbot bekommen.


Seit seiner Jugend ist Csaszkóczy politisch gegen rechts aktiv: Schon mit 19 hat er sich in Mannheim schützend vor ein Flüchtlingsheim gestellt, das von Ausländerfeinden bedroht wurde. Demos gegen die Kriege auf dem Balkan und im Irak hat er angemeldet und als angehender Geschichtslehrer an einer Broschüre über eine lokale Widerstandgruppe gegen den Nationalsozialismus mitgearbeitet.


All diese Aktivitäten hat der baden-württembergische Verfassungsschutz fein säuberlich in die Akte eingetragen, die er über den unangepassten Linken führte. Ausschlaggebend für das Berufsverbot war letztendlich der Vorwurf, Csaskóczy habe sich nicht eindeutig von einem Diskussionspapier seiner Heidelberger Antifa-Gruppe distanziert, in dem zu einem militanten Widerstand gegen Neonazis aufgefordert wird:


O-Ton Michael Csaszkóczy:

Was ich tatsächlich schon gesagt habe an einem Beispiel, dass , wenn irgendwo ein Nazi-Aufmarsch stattfindet, ich es nicht sinnvoll finde, vier Kilometer entfernt zu bekunden, dass man ein besserer Mensch ist, sondern dass man sich tatsächlich den Nazis entgegenstellt und ihnen zeigt, das sie nicht erwünscht sind. Das finde ich nach wie vor richtig und das habe ich auch so geschrieben.



Der zweite Vorwurf der CDU-Kultusministerinnen in Hessen und Baden-Württemberg: Der angehende Lehrer habe sich nicht von dem Satz im Diskussionspapier distanziert, dass sich an den ”herrschenden Unterdrückungsverhältnissen auf parlamentarischem Weg nichts ändern” werde und das sich die Gruppe deshalb als Teil der außerparlamentarischen Opposition verstehe. Obwohl die Antifaschistische Initiative Heidelberg also gar keine Partei ist und schon gar nicht in die Parlamente strebt, stellt Hessens Kultusministerin Karin Wolff die linke Gruppe mit der NPD gleich:


O-Ton Karin Wolff:

Ich habe auch die Wiedereinstellung eines NPD-Mitglieds als Lehrer verhindert vor zwei Jahren und da sind die Maßstäbe für mich gleich.“


Über diese Gleichsetzung ist der Geschichtslehrer Michael Csaskóczy empört. Er sei durchaus in der Lage, zwischen seiner politischen Arbeit und dem Schulunterricht klar zu unterscheiden:


O-Ton Michael Csaszkóczy:

Ich habe im Referendariat ein Jahr lang selbstständig Klassen unterrichtet und auch da ist nie der Vorwurf gemacht worden von irgendjemandem, auch von Frau Schavan nicht oder von irgendjemandem, dass ich Kinder indoktriniert hätte oder dergleichen, also das würde tatsächlich auch völlig meinem pädagogischem oder politischem Selbstverständnis widersprechen. Ist aber auch nie gemacht worden, der Vorwurf, darum geht es in diesem ganzen Verfahren definitiv nicht.“


Sondern es gehe um pure ”Gesinnungsschnüffelei” – findet die Lehrergewerkschaft GEW, die nun gegen die Berufsverbote in Baden-Württemberg und Hessen vor Gericht zieht. Gewerkschaftsekretärin Urike Noll:


O-Ton Ulrike Noll:

Und das Schlimme ist, das jetzt Lehrerinnen und Lehrer überlegen müssen, was ist jetzt dem Kultusministerium oder der Staatsicherheit noch genehm, auf welche Demo darf ich gehen, welche Demo darf ich jetzt noch anmelden und das schüchtert Leute natürlich extrem ein, politisch aktiv zu sein und sich politisch zu engagieren und das ist für unsere Demokratie schon ein ganz großer Verlust, wenn das so einreißen sollte.“