unsere zeit - Zeitung der DKP   3. September 2004

Innenpolitik

Berufsverbote längst nicht auf Müllhaufen der Geschichte
Die Fälle Michael Csaszkóczy und Peter Porsch

Das verfassungswidrige Verhalten von Ministerinnen und Ministern taucht
im Verfassungsschutzbericht nicht auf. Dabei geschieht es in aller
Regelmäßigkeit. Aktuell sind es die Kultusministerin von
Baden-Württemberg, Annette Schavan, und der Wissenschaftsminister in
Sachsen, Matthias Rößler (beide CDU). Sie verhängten Berufsverbote gegen
den Lehrer Michael Csaszkóczy und den Professor Peter Porsch.

In der vergangenen Woche gab Schavan bekannt, dass der Referendar
Michael Csaszkóczy aus Heidelberg nicht in den Schuldienst des Landes
übernommen werden soll. Der ursprünglich geplante Einstellungstermin war
der 1. Februar 2004. Nach der bestandenen Prüfung wurde die zugesagte
Einstellung bereits im Februar verschoben. Wegen Erkenntnissen des
Verfassungsschutzes, nach denen der angehende Lehrer Mitglied einer
"extremistischen Vereinigung" sei, seien Zweifel an dessen
Verfassungstreue aufgetaucht. Zu diesem Fall gab es bereits am 10.
Februar des Jahres eine Pressemitteilung der "Roten Hilfe", deren
Mitglied der angehende Lehrer ist. Inzwischen haben Gewerkschaften und
andere Organisationen wie die LandesAstenkonferenz gegen die Maßnahme
protestiert und unter anderem gefordert endlich die "rechtlichen
Grundlagen" für dieses Unrecht aus dem Landesrecht zu streichen.

Als unmittelbar vom Berufsverbot Betroffener der Ära Kohl, der erst nach
20 Jahren (1983 bis 2003) mehr oder weniger rehabilitiert wurde, richte
ich ein besonderes Augenmerk darauf, wenn das Thema Berufsverbot in den
Schlagzeilen auftaucht. Viele Menschen denken, "Berufsverbote" gehören
in der Bundesrepublik der Geschichte an. Doch von den Tausenden von
Betroffenen aus den 70er bis 90er Jahren gibt es noch etliche, die auf
ihre Rehabilitierung warten, seitdem der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte in Straßburg am 26. September 1995 die Bundesregierung
und die Landesregierungen in ihre Schranken verwiesen hat. Nach dem
Urteil im Falle Dorothea Vogt (7/19994/454/535) wurde festgestellt, dass
die Berufsverbote in der Bundesrepublik völkerrechtswidrig sind.

Der von Willy Brandt und den Ministerpräsidenten vor 32 Jahren
eingeführte sogenannte "Radikalenerlass" - der weder ein Erlass noch ein
Gesetz war - ist nicht erledigt. Entsprechende Landesregelungen in
Baden-Württemberg und Bayern gibt es noch und werden bei Bedarf - siehe
den Fall Czaszkóczy - aus der Schublade geholt um in erster Linie
aufmüpfig gewordene junge Leute zu verunsichern. Weder Auszüge aus den
Berichten des Verfassungsschutzes, die als politisches Kampfmittel seit
jeher benutzt und deren Inhalte den Betroffenen meistens vorenthalten
werden, noch persönliche Meinungen einer Ministerin oder eines Ministers
sind maßgebend für die Beurteilung von Lehramtsanwärtern oder anderen
Bewerbern im öffentlichen Dienst.

Aber nicht nur Bewerber werden nicht eingestellt, sondern altgediente
Angehörige des öffentliches Dienstes wie in der vergangenen Woche
Professor Peter Porsch, der Fraktionsvorsitzende der PDS im Sächsischen
Landtag, der Knall auf Fall auf Empfehlungen einer anonymen
Personalkommission fristlos durch den Minister gekündigt wurde.

Bevor eine Anhörung nach dem Beamtenrecht einsetzt, hat der Betroffene
Anspruch auf ein rechtliches Gehör. Das wurde nach den vorliegenden
Berichten nicht gewährt. Erst wenn der Verdacht eines dienstwidrigen
Verhaltens nicht ausgeräumt werden kann, können das sogenannte
ordentliche Disziplinarverfahren und Anhörungen eingeleitet werden. Wie
in Heidelberg wird auch in Leipzig das geschriebene Recht offenbar mit
Füßen getreten.

Maßgebend ist allein der Grundrechtskatalog des Grundgesetzes (GG) der
Bundesrepublik Deutschland, hier insbesondere der Artikel 3, Absatz 3
GG, nach der niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner
Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens,
seiner religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt oder
bevorzugt werden darf.

Uwe Scheer

Unser Autor wurde im Mai 1985 vom Dienst bei der Zollverwaltung Hamburg
suspendiert, weil er 1978 und 1982 bei den Wahlen für die DKP kandidiert
hatte.

Bundesweite Demonstration gegen Berufsverbote am 23. Oktober in
Heidelberg, Bau