Weil er Mitglied
in einem linksradikalen Bündnis ist, erhielt ein junger Realschullehrer aus
Heidelberg Berufsverbot. Nun bekommt er dafür Schadenersatz. VON
INGO ARZT
STUTTGART taz |
Michael Csaszkóczy ist froh und erleichtert. Und natürlich, sagt der 38-jährige
Lehrer, fühle er auch Genugtuung. Das Land Baden-Württemberg muss ihm 32.777
Euro Schadenersatz zahlen, weil es ihm fast drei Jahre lang verboten hatte, als
Lehrer zu arbeiten. Das entschied am Dienstag das Landgericht Karlsruhe. Das
Kultusministerium von Baden-Württemberg, damals unter der Leitung der heutigen
Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU), hatte im Jahr 2004 Bedenken an
seiner Verfassungstreue und belegte Csaszkóczy mit einem Berufsverbot. Er ist
Mitglied bei der "Antifaschistischen Initiative Heidelberg", die sich
als "linksradikales Bündnis" von Anarchos, KommunistInnen,
SozialistInnen und anderen beschreibt.
Ursprünglich hatte
Csaszkóczy auf 110.000 Euro geklagt. "Wenn ich über Schaden rede, dann
rede ich aber nicht über den Verdienstausfall", sagte er gegenüber der
taz. Er spricht von Existenzängsten während der vergangenen Jahre, in denen er
sich durch die Instanzen klagte. "Es hat mich gestört, dass das Land
überhaupt keine Verantwortung übernommen hat. Es hat nie öffentlich erklärt,
wie es zu solchen Grundrechtsverletzungen kommen konnte."
Das Landgericht
Karlsruhe hat jetzt anerkannt, dass sich das Land rechtswidrig verhalten habe,
zumal der Entscheidung ein lang andauerndes und gründliches Verfahren des
Kultusministeriums voranging, wie das Gericht mitteilte. Es folgte damit einem
Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (VGH) vom März 2007, das keine
Zweifel an Csaszkóczys Verfassungstreue erkennen konnte. Jahrelang war er vom
Verfassungsschutz beobachtet worden, einmal landete sogar eine seiner Reden auf
dessen Webseite. Darin ging es allerdings um Kapitalismuskritik. Gegen die
freiheitlich-demokratische Grundordnung Deutschlands hat sich Csaszkóczy nie
gestellt. "Das Bild des Inlandsgeheimdienstes ist nach wie vor: Wer den
Kapitalismus kritisiert, ist im Verdacht, ein Verfassungsfeind zu sein",
beschwert sich Csaszkóczy. Er musste sich nach dem VGH-Urteil nicht von den Äußerungen
der "Antifaschistischen Initiative" distanzieren.
Im September 2007 hob
das Kultusministerium Baden-Württemberg das Berufsverbot gegen Csaszkóczy
aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts auf, seither unterrichtet er in
Teilzeit an der Realschule in Eberbach am Neckar Deutsch, Geschichte und Kunst.
In der Zeit des Berufsverbotes bezog er zunächst Hartz IV, später bildete er
als Dozent an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg Lehrer aus und
promovierte mithilfe eines Stipendiums. In Heidelberg bringt Csaszkóczy bei
Touren Jugendlichen die Geschichte der Stadt während des Faschismus nahe oder
organisiert Demonstrationen.
Der Fall Csaszkóczy
hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt, weil es das erste Berufsverbot war, seit
in den 70er-Jahren mit dem sogenannten Radikalenerlass hunderte Lehrer,
Postbeamte oder Straßenbahnfahrer aus dem Staatsdienst ausgeschlossen wurden.
Viele von ihnen waren in der kommunistischen DKP organisiert. Das Urteil
zugunsten von Csaszkóczy war das erste Mal, dass Betroffenen eines
Berufsverbotes Schadenersatz zugesprochen wurde, sagt sein Anwalt, Martin
Heiming. Für ältere Fälle sei die Verjährungsfrist längst abgelaufen, momentan
betrage sie drei Jahre. Dennoch könne man eine politische Entscheidung treffen,
früheres Unheil wieder gutzumachen, sagt Heiming. "Da wäre das Urteil ein
gutes Signal."