Linker Lehrer gewinnt Rechtsstreit
Verwaltungsgerichtshof in Baden-Württemberg hebt Berufsverbot auf
München - Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat das Berufsverbot gegen einen politisch aktiven Lehrer aufgehoben. Dem Pädagogen Michael Csaszkóczy, der Mitglied in der vom Verfassungsschutz beobachteten „Antifaschistischen Initiative Heidelberg" ist, sei zu Unrecht die Einstellung in den Schuldienst verweigert worden, gab das Gericht am Mittwoch bekannt. Es verwies den Fall zurück an die Schulbehörden, die nun neu über die Einstellung des Realschullehrers entscheiden müssen. Das Kultusministerium in Stuttgart wollte seine Niederlage zunächst nicht kommentieren. Man nehme das Urteil zur Kenntnis und warte die noch ausstehende schriftliche Begründung ab.
Kultusminister Helmut Rau und zuvor seine Amtsvorgängerin Annette Schavan (beide CDU) hatten seit dem Frühjahr 2004 eine Einstellung Csaszkóczys abgelehnt, weil sie an dessen Verfassungstreue zweifelten. Sie beriefen sich auf den baden-württembergischen Verfassungsschutz, der die Antifa-Initiative in Heidelberg als linksextremistisch einstuft. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte das Berufsverbot im vergangenen Jahr bestätigt.
Der vierte Senat des VGH gelangte zu einer anderen Bewertung und warf den Behörden vor, den Fall zu einseitig betrachtet zu haben. Fakten, die für Csaszkóczy sprechen könnten, seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Damit spielten die Richter darauf an, dass Csaszkóczys Verhalten während des Referendariats untadelig war. Zudem sei die „Sündenliste", die ihm vorgehalten wurde, nicht geeignet, fehlende Verfassungstreue zu unterstellen. Gemeint ist eine Aufstellung des Verfassungsschutzes, derzufolge Csaszkóczy an etlichen Demonstrationen, zum Beispiel gegen den Irak-Krieg und gegen Angriffe auf Asylbewerber teilgenommen haben soll.
Csaszkóczy, der nicht vorbestraft ist, war bereits vor dem Verwaltungsgericht als „engagierter Streiter gegen rechts und für friedliche Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht" gewürdigt worden. In der ersten Instanz hatten die Richter dem Deutsch- und Geschichtslehrer jedoch vorgehalten, sich nicht ausreichend von Erklärungen der Antifa-Gruppe zu distanzieren, in denen Militanz als legitimes Mittel des politischen Kampfes bezeichnet werde. Csaszkóczy betonte stets, er propagiere keine Gewalt, aus Respekt vor den Widerstandskämpfern gegen die Nationalsozialisten könne er Militanz aber nicht pauschal ablehnen.
Nach dem VGH-Urteil wird es den Behörden schwerfallen, ein neues Berufsverbot gerichtsfest zu begründen. Csaszkóczy zeigte sich erleichtert: „Die letzten drei Jahre waren eine sehr schwere Zeit", sagte der 36-Jährige, der von Gewerkschaftern und früheren Berufsverbots-Opfern unterstützt wurde.
1972 hatten Bund und Länder den „Radikalenerlass" beschlossen, in dessen Folge in den siebziger und achtziger Jahren Millionen Beamte auf ihre Loyalität überprüft wurden. Eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz gibt es mittlerweile nicht mehr, für Beamte besteht aber weiter eine besondere „Treuepflicht". Die baden-württembergischen Grünen werteten das Gerichtsurteil als Erfolg finden Rechtsstaat, mit dem der Kurs zurück in die Zeit der Berufsverbote gestoppt werde. (Az: 4 S 1805/06)
Nachhilfe in Sachen Rechtsstaat
Ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim bestätigt: Der Radikalenerlass hat sich überlebt
Von Tanjev Schultz
Für viele Lehrer, die heute in den Schulen unterrichten, sind Berufsverbote allenfalls das Thema einer Geschichtsstunde. Ist das nicht alles lange her? Ja, ist es. Aber leider ist das Thema auch wieder aktuell. In Baden-Württemberg trauten die Behörden einem Pädagogen nicht über den Weg, nur weil er in einer Antifa-Gruppe aktiv ist. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat nun das Berufsverbot gegen den Heidelberger aufgehoben und Kultusminister Helmut Rau und seiner Vorgängerin Annette Schavan Nachhilfe in rechtsstaatlichem Handeln erteilt. Die Zeit sollte wirklich vorbei sein, in der linke Lehrer ständig auf der Hut sein mussten und sich manch einer lieber zweimal überlegte, ob er mitlief beim Ostermarsch und ob er Rosa Luxemburg im Unterricht erwähnen durfte.
„O wei, mein Junge, o wei, ich hab' eine Zunge aus Blei", hieß es 1975 in einem Lehrer-Protest-Song des Liedermachers Walter Mossmann. Und als ein Schüler
nach dem Kommunistischen Manifest fragt: „Nee, mein Junge, nee, ich bin von Kopf bis Zeh eingestellt als Beamter in spe! "Die Berufsverbote, die in den siebziger und achtziger Jahren Tausende trafen, befeuerten einen unsäglichen Kulturkampf. Und sie haben eher das Duckmäusertum und den Opportunismus gefördert, als dass sie eine Indoktrination der Schüler verhindert hätten.
Wer seine Schüler aufhetzt oder parteiisch beurteilt, hat in der Schule nichts zu suchen. Aber nur weil jemand - wie der Heidelberger Lehrer - links von der Mitte steht, mit dem Kapitalismus hadert (wie so viele andere, sogar in SPD und Union) und genug Zivilcourage aufbringt, um sich der NPD in den Weg zu stellen, ist er noch lange nicht ungeeignet als Lehrer. Im Gegenteil. Er kann ein Vorbild sein, vor allem wenn er dem Schüler aus der Jungen Union den gleichen Respekt zollt wie allen anderen Jugendlichen. Stellt sich heraus, dass ein Lehrer das nicht kann und seine Position missbraucht, gibt es das Disziplinarrecht.
Man kann sich die Gesinnungsschnüffelei also wirklich sparen.
Die Schnüffelei richtet viel mehr Schaden an, als sie nützen könnte. Die Liste, die der Verfassungsschutz im Falle des Heidelberger Lehrers vorlegte, ist eines Rechtsstaats kaum würdig. Der Mann konnte keine friedliche Demo, zum Beispiel gegen den Irak-Krieg, besuchen, ohne dass seine Teilnahme registriert und ihm später zum vermeintlichen Beweis fehlender Staatstreue -präsentiert worden wäre. Dabei hat er sich gar nichts zuschulden kommen lassen. Und in den Schulen bringt man den Jugendlichen bei, die Versammlungsfreiheit sei ein Grundrecht, für dessen Inanspruchnahme man sich nicht rechtfertigen müsse!
Bei der insgesamt doch sehr harmlosen und bunten Antifa-Szene bestärkt das Vorgehen der Verfassungsschützer nur die verquasten Ansichten der Autonomen zum „Polizeistaat". Um so schöner, dass nun die Richter den Ministern genauso wie den Autonomen zeigen, was ein ordentlicher Rechtsstaat ist.