Süddeutsche Zeitung, 14.03.2006, Titelseite

Eine Frage der Einstellung

Linker Lehrer darf nicht in den Schuldienst

Es sei schon ein merkwürdiges Gefühl, zum Staatsfeind erklärt zu werden, sagt Michael Csaszkóczy. „Beruflich stehe ich vor dem Nichts." Wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue verwehrt Baden-Württemberg dem Lehramtsanwärter seit zwei Jahren die Übernahme in den Schuldienst. Auch Hessen will Csaszkóczy nicht einstellen. Der heute 35-jährige Realschulpädagoge wehrte sich juristisch - am Montag wies das Verwaltungsgericht Karlsruhe seine Klage ab.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft verurteilt das „Berufsverbot“ und verlangt vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU), auf dieses „antiquierte Mittel" zu verzichten. Csaszkóczy, der sein Examen mit guten Noten abschloss und zurzeit von Arbeitslosengeld II lebt, will Rechtsmittel einlegen und weiter klagen. „Es geht auch um die politische Kultur“, sagt der linke Aktivist, dem die Mitgliedschaft in der „Antifaschistischen Initiative Heidelberg“ (AIHD) vorgeworfen wird. Die Initiative wird vom baden-württembergischen Verfassungsschutz beobachtet und als linksextrem eingestuft. Das Kultusministerium bekräftigte nach der Gerichtsentscheidung, es gebe „erhebliche Zweifel, dass Csaszkóczy auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts, dessen schriftliche Begründung in zwei Wochen erwartet wird, war nach dem Verlauf der Verhandlung keine Überraschung. Der Vorsitzende der fünfköpfigen Kammer, Bernd Heß, hatte freundlich und bestimmt zu erkennen gegeben, warum Csaszkóczys Klage kaum Chancen habe: Ein beamteter Lehrer für Deutsch und Geschichte müsse „unseren Staat und unsere gelebte Verfassung positiv bejahen“.

Daran zweifelte der Richter, weil sich Csaszkóczy weder beim „vertieften Einstellungsgespräch" noch schriftlich von der AIHD distanziert habe. Diese diffamiere „unseren Staat“, der angeblich die NS-Vergangenheit verharmlose und rassistische Angriffe dulde.

Als rechtliche Basis der Nichteinstellung wurde immer wieder die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Radikalenerlass aus dem Jahr 1975 zitiert. Karlsruhe hatte damals bestätigt, dass „Beamten eine besondere politische Treuepflicht gegenüber dem Staat und seiner Verfassung obliegt“. Von 1972 bis Ende der siebziger Jahre waren rund drei Millionen Personen routinemäßig auf ihre Verfassungstreue überprüft worden. Tausende wurden nicht in den öffentlichen Dienst aufgenommen, Hunderte entlassen.

Differenzierende Erläuterungen des verhinderten Lehrers konnten Richter Heß offenkundig ebenso wenig überzeugen wie die Tatsache, dass es während der Referendarzeit keine Beanstandungen gab. Das bestätigte auch der Vertreter des Regierungspräsidiums Karlsruhe, der Csaszkóczys Einsatz gegen den Rechtsextremismus sogar würdigte. „Wir können ihm die Kinder und Jugendlichen nicht anvertrauen“, sagte Baden-Württembergs Kultusminister Helmut Rau nach Bekanntwerden des Urteils. Die AIHD bekenne sich zu Militanz. Csaszkóczy sagt, „Militanz“ bedeute für ihn, „kämpferisch für Überzeugungen einzustehen“, nicht etwa, zu Gewalttaten aufzurufen. Das Gerichtsurteil sei bitter - und es reize seinen „Kampfgeist".

H. Kerscher/T. Schnitz