Stuttgarter Zeitung, 29.04.2009

 

Das Land erhält Demokratieunterricht

 

Baden-Württembergmuss Lehrer nach rechtswidrigem Berufsverbot Schadenersatz zahlen

 

Von Meinrad Hecke

 

Was hatte sich der Mann in diversen Gerichts­sälen nicht alles anhören dürfen. Sogar seine schärfsten Gegner im Rang von Regierungsdi­rektoren und anderen Ministerialen attestier­ten ihm Friedensliebe und Zivilcourage - nur eines war dem so Geschätzten nicht ver­gönnt gewesen: Michael Csaszköczy aus Hei­delberg durfte nicht werden, was er werden wollte. Zivilcourage hin oder her - das Kultus­ministerium von Baden-Württemberg wollte den heute 38-jährigen nicht als Lehrer einstellen. Der Mann liebte zwar den Frieden, war aber Mitglied einer als linksextremis­tisch eingestuften Vereinigung namens Anti­faschistische Initiative Heidelberg und als solcher für den Beruf „ungeeignet”.

In letzter Instanz hatte der Verwaltungs­gerichtshof Baden-Württemberg vor zwei Jah­ren dieses faktische Berufsverbot aufgeho­ben. Jetzt folgte die nächste Quittung: Das Land muss dem mittlerweile eingestellten Pädagogen wegen seines Verdienstausfalls Schadenersatz bezahlen.

110 000 Euro hatte Csaszköczy vor dem Landgericht Karlsruhe deshalb einklagen wol­len. Auf knapp 33 000 'Euro strichen die Karlsruher Zivilrichter seine Forderung ,zu­sammen, aber dennoch hat der Mann im Grundsatz obsiegt. Denn die Richter stellten fest, dass ihm seine Einstellung in den Schuldienst „zunächst rechtswidrig versagt” wor­den war. Bis dahin war es ein langer und mitunter für das Land Baden-Württemberg durchaus peinlicher Weg gewesen.

Die Causa Csaszk6czy erinnerte in all den Prozessjahren an den Radikalenerlass aus den 70er Jahren, als Zigtausende von Staatsdienern bis hin zum seinerzeit noch beamte­ten Lokführer auf ihre politische Gesinnung hin durchleuchtet worden waren, um die Linken vom Staatsdienst fernzuhalten.

An diese überlebte Pragfis knüpfte das. Stuttgarter Kultusministerium Anfang 2004 an. Annette Schavan und Co. starteten damit in die Vergangenheit durch, denn ein ver­gleichbares Berufsverbot bei Lehrern hatte es in Baden-Württemberg seit den 70er Jahren nicht mehr gegeben.

Jetzt ätzt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) über eine „schal­lende Ohrfeige für die Landesregierung". Der Richterspruch sei, Politikunterricht für Minis­terpräsident Oettinger und für Kultusminis­ter Rau”. Die Landesvorsitzende der Gewerk­schaft, - Doro Moritz, erklärte, andersden­kende Lehrerinnen und Lehrer auszuhalten sei in einer Demokratie an Schulen schließ­lich selbstverständlich.

Nach dem gestrigen Richterspruch scheint Baden-Württemberg wieder in der Gegenwart angekommen zu sein.