Stuttgarter Zeitung, 15.03.07
Berufsverbot für Pädagogen: Land muss erneut entscheiden
Verwaltungsgericht Mannheim hebt Beschluss des Oberschulamts auf - Teilerfolg für abgelehnten Lehramtsbewerber
MANNHEIM. Der VGH hat die Entscheidung des Landes gegen die Einstellung eines Heidelberger Lehramtsbewerbers aufgehoben. Die Behörden hätten bei der Beurteilung des Falls wesentliche Kriterien außer Acht gelassen, bemängelten die Richter.
Von Johanna Eberhardt
Der angehende Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy hat vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg einen wichtigen Teilerfolg in seinem Bemühen um Aufnahme in den Schuldienst erzielt. Das Oberschulamt habe dem 36-Jährigen die Einstellung wegen Zweifel an seiner Verfassungstreue „zu Unrecht verweigert", hat der vierte Senat des Gerichts gestern festgestellt. „Die Bescheide wurden deshalb aufgehoben und das beklagte Land verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Einstellung in den Schuldienst unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden", teilte der Verwaltungsgerichtshof mit.
Das Oberschulamt Karlsruhe hatte, wie berichtet, die Einstellung Csaszkóczys im Jahr 2004 unter anderem wegen dessen Mitgliedschaft in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg abgelehnt und dabei besonders 17 Einzelfälle - von der Teilnahme an Demonstrationen gegen Neonazis bis zu schriftlichen Veröffentlichungen für bedenklich gehalten. Mit dem Urteil, dessen schriftliche Begründung noch nicht vorliegt, hat der VGH nicht nur die Ablehnung des baden-württembergischen Kultusministeriums für hinfällig erklärt, sondern auch die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe geändert, das die Klage vor einem Jahr abgewiesen hatte.
Für den Senat sei maßgeblich gewesen, dass die Schulbehörde bei ihrer ungünstigen Prognose des Bewerbers „wesentliche Beurteilungselemente nicht hinreichend berücksichtigt" habe. Deren Prüfung sei „den Anforderungen an eine sorgfältige und vollständige Würdigung des Sachverhalts der Person der Klägers nicht gerecht geworden", heißt es in der Mitteilung des VGH. So sei beispielsweise Csaszkóczys Verhalten in dem von ihm bereits absolvierten Vorbereitungsdienst nicht ausreichend bewertet worden. Die ihm vorgehaltene „Sündenliste" im Zusammenhang mit seinem Engagement bei der Antifaschistischen Initiative sei nicht geeignet, die Annahme mangelnder Verfassungstreue zu rechtfertigen.
Zwar gebe es derzeit keine rechtlichen Voraussetzungen, um das Land zu einer Übernahme des Klägers in das Beamtenverhältnis zu verpflichten. Es müsse jedoch dessen Antrag auf Einstellung neu bescheiden. Die Revision hat der Senat nicht zugelassen. Das Land werde nach Erhalt des schriftlichen Urteils über das weitere Vorgehen entscheiden, hieß es gestern aus dem Kultusministerium. Der Anwalt des Klägers zeigte sich sehr zufrieden mit der Entscheidung. Mit den Vorgaben des VGH seien den Behörden die bisher zu Lasten seines Mandanten ins Feld geführten Fakten genommen. „Das kann nur heißen, dass er eingestellt werden muss."
Die Landesregierung solle das Urteil des VGH als Chance sehen und den Bewerber jetzt einstellen, sagte Rainer Dahlem, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Damit könne sie einen Schlussstrich unter das Thema Berufsverbote und den Rückfall in die unrühmliche Politik der 70er-Jahre ziehen. Die Entscheidung sei nicht nur ein Erfolg für den Betroffenen, sondern auch für den Rechtsstaat, erklärte die Heidelberger Abgeordnete der Grünen, Theresia Bauer. Der politische Rückwärtskurs des Ministeriums werde zumindest teilweise gestoppt. (AZ 4 S 1805/06)