Stuttgarter Zeitung, 14.03.2006, Titelseite

Trotz Friedensliebe zu radikal für das Lehramt

Die Mitgliedschaft in einer antifaschistischen Vereinigung kostet einen Lehrer seinen Job

Von Meinrad Heck

Michael Csaszkoczy bleibt erst einmal, was er ist. Ein Antifaschist und einer, der Lehrer werden will, es von Staats wegen aber nicht darf. Noch unter Annette Schavan hatte das baden-württembergische Kultusministerium dem heute 36-Jährigen aus Heidelberg vor zwei Jahren die Übernahme in den Schuldienst verweigert. Nicht etwa, weil er linke Parolen von sich gegeben hätte, sondern wegen seiner Mitgliedschaft in einer so genannten Antifaschistischen Initiative Heidelberg. Die gilt dem Verfassungsschutz als linksextremistisch, seit die Kultusministerialen dies auch zu wissen glauben, haben sie Zweifel an der Verfassungstreue des Pädagogen. Das Karlsruher Verwaltungsgericht sah das jetzt ähnlich, wies dessen Klage gegen die Nichteinstellung ab und verhängte damit faktisch ein Berufsverbot gegen den Mann.

Über 10000 ähnliche Fälle vom Lokführer bis zum Finanzbeamten kennt man unter dem Stichwort „Radikalenerlass". Der sollte in den 70er-Jahren die Linken vom Staatsdienst fern halten, und er soll es wohl heute noch - auch wenn sich die damalige Bedrohungslage deutlich nach rechts verschoben hat und kein Einzelfall so ist wie der andere. Willkommen also in der Vergangenheit.

Noch haben die Verwaltungsrichter ihr Urteil gestern nur bekannt gegeben, aber nicht begründet. Begründet hatte sein Peti-tum nur ein Regierungsdirektor des für pädagogische Angelegenheiten zuständigen Regierungspräsidiums Karlsruhe. Der attestiert dem Lehramtsanwärter ob seiner antifaschistischen Grundhaltung immerhin „Zivilcourage" und „Friedensliebe", möchte aber seinen eigenen Sohn von dem friedliebenden Pädagogen ausdrücklich nicht unterrichtet haben. Willkommen also im Absurden. Denn keine Behörde hat den leisesten Hinweis darauf, dass der vermeintlich verfassungsuntreue Mann seine Schüler während der Referendarzeit etwa indoktriniert oder - wie es im Amtsdeutsch heißt - seine Neutralitätspflicht verletzt hätte.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft läuft Sturm und wettert, es könne nicht sein, dass dieses „antiquierte Mittel" des Berufsverbots eingesetzt werde und Pädagogen „bei politischem Engagement mit Sanktionen rechnen müssen". Höchste Zeit, sagt die GEW, dass der Radikalenerlass aus dem Landesrecht gestrichen werde. Die Studentenorganisationen sprechen von einem „Klima der Angst", dann wenn zu befürchten sei, dass die Teilnahme an einer Demonstration gegen Neonazis zu einem Berufsverbot führe.

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