Stuttgarter Nachrichten, 29.04.09

 

Linker Lehrer darf weiter unterrichten

Zeitweiliges Berufsverbot wird mit 32 777 Euro entschädigt
 

Von Martin Oversohl

KARLSRUHE. Am Ende, nach jahrelangem Rechtsstreit, nach Klagen, Prozessen und Urteilen, wirkte es nur noch wie eine Formsache. Kein Verteidiger war anwesend, kein Staatsanwalt, als der Vorsitzende Richter der Karlsruher Zivilkammer am Dienstag in wenigen Sätzen einen Schlussstrich zog unter die Justizfehde um das Berufsverbot gegen einen als linksextrem eingestuften Lehrer. Das Urteil bedeutet für das Land eine weitere Niederlage, denn der Heidelberger Pädagoge Michael Csaszkóczy erhält 32 777 Euro Schadenersatz.

Mehrere Jahre lang durfte der Lehrer - obwohl fachlich geeignet - nicht unterrichten, weil seine politische Einstellung im Kultusministerium für Bedenken sorgten. Dies war rechtswidrig. Nun muss der Steuerzahler das entgangene Gehalt zahlen.

Csaszkóczy engagiert sich in einer linksextremistischen Heidelberger Initiative, die vom Verfassungsschutz kritisch beäugt wird. "Ich war ein Testballon", sagt der 38-Jährige heute. "Das Land wollte sehen, wie weit es in derartigen Fällen gehen kann." Setzte sich das Ministerium in der ersten Instanz noch durch, so blieb es beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim erfolglos. Dort wurde das Berufsverbot für grundrechtswidrig erklärt.

Zunächst hatten die Schulbehörde und das Kultusministerium in Stuttgart Csaszkóczys Bewerbung im August 2004 abgelehnt. Gut ein Jahr später scheiterte auch sein Versuch, an einer Schule in Hessen unterzukommen, am Veto der Behörden. Die Behörden hatten die Internetseite der umstrittenen Initiative ins Feld geführt. Dort heißt es: "Militanz, die sich durch angemessene Zielgerichtetheit, permanente Selbstreflexion, konsequente Abwägung und hohes Verantwortungsbewusstsein der Agierenden auszeichnet, betrachten wir als legitimes Mittel im Kampf um Befreiung." Außerdem wird behauptet, an "den herrschenden Unterdrückungsverhältnissen" werde sich auf parlamentarischem Weg "nichts Grundlegendes ändern".

Csaszkóczy ist nun erleichtert. "Wichtig war es vor allem zu zeigen, dass sich das Land schuldhaft verhalten hat", sagte er. Bis heute habe sich kein Verantwortlicher bei ihm entschuldigt. "Von einem souveränen Staat dürfte man allerdings so etwas wie eine Erklärung erwarten." Seit einiger Zeit unterrichtet der Lehrer wieder an einer Realschule im Rhein-Neckar-Kreis Deutsch, Geschichte und Kunst.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nannte die Entscheidung des Gerichts eine "schallende Ohrfeige" für die Landesregierung. Dagegen hielt sich das Kultusministerium mit einer Reaktion zurück. Es werde nach sorgfältiger Prüfung des Urteils entschieden, ob Rechtsmittel eingelegt würden, sagte ein Sprecher.