Berufsverbot
Land muss linkem Lehrer 33.000 Euro zahlen
Von Christoph Titz
Jahrlang
durfte Michael Csaszkóczy nicht als Lehrer arbeiten - wegen seiner
Antifa-Arbeit sah das Land Baden-Württemberg Zweifel an seiner
Verfassungstreue. Und hat erneut vor Gericht verloren. Mehr als der
Schadensersatz zählt für den linken Pädagogen, endlich Recht zu bekommen.
Das
Geld, ja, das nimmt Realschullehrer Michael Csaszkóczy, 38, natürlich gern.
Immerhin hatte das Land Baden-Württemberg ihm über drei Jahre lang untersagt,
seine Arbeit zu tun - da sind 32.777 Euro als Schadensersatz für den
entgangenen Verdienst ein hilfreicher Betrag.
Aber genügt die Summe, um einen Schwebezustand
auszugleichen, den der Staat mit schwacher Begründung herbeigeführt hat? Über
viele Jahre ließen die Innenbehörden Csaszkóczy wie einen Staatsfeind vom
Geheimdienst überwachen. Und haben ihm eine Anstellung "rechtswidrig
versagt", wie Karlsruher Richter am Dienstag feststellten.
Das
Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist vermutlich der Schlusspunkt für ein
Berufsverbotsverfahren, das seit 2004 immer wieder Gerichte beschäftigt hat,
vor allem aber den Lehrer Csaszkóczy selbst. Weil er seit seiner Studienzeit in
der linksgerichteten Antifaschistischen Initiative Heidelberg Mitglied war,
weigerte sich das baden-württembergische Kultusministerium, den fertigen
Realschullehrer damals in den Staatsdienst zu übernehmen.
Freude über "das
Signal der Schuldhaftigkeit"
Auch in Hessen scheiterte Csaszkóczy mit seiner Bewerbung
für eine Lehrerstelle, die Behörden bezogen sich auf die Erkenntnisse der
Verfassungsschützer aus dem Südwesten. Erst die Richter am
Verwaltungsgerichtshof in Mannheim, später auch die im hessischen Darmstadt (Aktenzeichen
1 E 1247/06) hoben die staatlichen Berufsverbote im Jahr 2007 als
widerrechtlich auf. Ab Herbst 2007 durfte Csaszkóczy dann endlich unterrichten,
nämlich Deutsch, Geschichte und Kunst an der Realschule in Eberbach im
Rhein-Neckar-Kreis und "mit zunehmendem Vergnügen", wie er sagt.
Bei
seiner Schadensersatzklage ging es Michael Csaszkóczy vor allem um die
Genugtuung, am Ende doch noch Recht zu bekommen. "Das Land hat immer
behauptet, es habe nichts falsch gemacht", sagte Csaszkóczy SPIEGEL
ONLINE.
Das
Gegenteil ist nun bewiesen. Das Gericht stelle fest, das Land habe
"vorwerfbar" gehandelt und besiegelte das Urteil mit dem
Schadensersatzanspruch Csaszkóczys (Aktenzeichen 2 O 362/08). Gefordert hatte
er 110.000 Euro, doch das Gericht entschied auf nur ein Drittel der Summe -
weil er neben seiner Promotion nur eine Teilzeitstelle habe und außerdem
weitere Einkünfte angerechnet wurden. Trotzdem ist das Urteil für Csaszkóczy
ein "Signal der Schuldhaftigkeit" der Ministerien, die versucht
hatten, ihn aus dem Schuldienst fernzuhalten.
Der
Realschullehrer aus Heidelberg ist ein bekennender Linker, aber offenbar auch
ein guter Lehrer. Das Staatsexamen absolvierte er jedenfalls mit der Note 1,8,
Schüler und Lehrerkollegen lobten ihn, an seiner fachlichen Eignung meldete nie
jemand Zweifel an. An seiner Verfassungstreue schon. 2004 legte das Land ihm
nahe, der Antifa-Initiative in seiner Heimatstadt abzuschwören, die wegen ihrer
antikapitalistischen Rhetorik seit langem vom Verfassungsschutz beobachtet
wurde.
Csaszkóczy
indes war nicht bereit zu einer Unterwerfungsgeste. Er erklärte, "Gewalt
gegen Menschen oder Sachen" lehne er ab, wollte aber mit seinen
Überzeugungen nicht brechen. "Ich will den Kindern ein Lehrer sein, der
morgens auch noch in den Spiegel schauen kann", sagte er SPIEGEL ONLINE.
Seit Beginn der Berufsverbotsverfahrens sorgte der Fall
mehrfach für Wirbel. Für die Linken war er ein gefundenes Fressen und eine
Steilvorlage, den Staat vorzuführen. Die Obrigkeit wiederum machte es den
Aktivisten leicht, beharrte auf Geheimdienstinformationen über die Heidelberger
Gruppe und schaltete auf stur. Gestützt wurden die Zweifel an der
Verfassungstreue des Pädagogen durch kaum mehr als eine Selbstdarstellung der
Initiative und ihre Haltung zur "Militanz".
Für
die Einstellungsbehörde reichte das, um Csaszkóczy als linksextrem einzustufen.
Ansonsten ist das Sündenregister des
Lehrers kurz: Lediglich eine von Csaszkóczy im Jahr 2001 angemeldete
Demonstration war auf dem Weg durch Heidelberg von der Route abgekommen - das
Verfahren wurde gegen die Zahlung von 200 Mark eingestellt.
Trotzdem,
das Land beharrte darauf, dass der Realschullehrer ungeeignet für den
Staatsdienst sei. "Wer Mitglied in einer extremistischen Gruppierung ist,
sich darin aktiv gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung stellt und
Militanz als angemessenes Mittel der Auseinandersetzung ansieht, kann nicht als
Lehrer in öffentlichen Schulen wirken", erklärte Annette Schavan (CDU),
damalige Kultusministerin und heutige Bundesbildungsministerin.
Die
Verwaltungsgerichte folgten den Argumenten nicht, als sie im Jahr 2007 die
Berufsverbote in Hessen und Baden-Württemberg aufhoben. Die Richter äußerten
sich ungewöhnlich deutlich. Mit dem aktuellen Richterspruch ist jetzt auch
amtlich, dass der Staat schuldhaft Schaden angerichtet hat und dafür zahlen
muss.
Baden-Württembergs
Kultusministeriums hielt sich bedeckt. Ein Sprecher sagte lediglich, man prüfe
das Urteil und entscheide dann, ob man Rechtsmittel einlegen werde. Die
Lehrergewerkschaft GEW nannte das Urteil eine "schallende Ohrfeige"
für die Landesregierung - und "Politikunterricht für Ministerpräsident
Günther Oettinger und Kultusminister Helmut Rau", so die
GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz.
Die
Debatte um Berufsverbote gegen linke Staatsdiener sorgte einst in den siebziger
Jahren für mächtig Wirbel, ist aber eigentlich seit einem Vierteljahrhundert
vorbei. Und 1995 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall
einer kommunistischen Lehrerin aus Jever die deutsche Praxis der Berufsverbote
für nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar erklärt.
Streitfälle gibt es kaum noch, Csaszkóczy ist seit langem der einzige Lehrer,
der als angeblicher "Linksextremist" vor der Schultür bleiben sollte.
Er
hofft jetzt, dass das Land nach dem aktuellen Urteil nicht mehr in Berufung
geht, damit die zähen Auseinandersetzungen ein Ende finden. Dass ihn der
Verfassungsschutz nach wie vor überwacht, davon ist Michael Csaszkóczy
überzeugt. "Vor etwa drei Jahren habe ich um Einsicht in die
entsprechenden Ermittlungsakten gebeten. Die bekam ich nicht, weil das
Verfahren noch laufe." Er habe darum gebeten, informiert zu werden, wenn
seine Einsichtnahme die Ermittlungen nicht mehr gefährdet. Gehört habe er in
der Sache noch nichts.