Spiegel Online, 28.04.09

 

Berufsverbot

Land muss linkem Lehrer 33.000 Euro zahlen

Von Christoph Titz

 

Jahrlang durfte Michael Csaszkóczy nicht als Lehrer arbeiten - wegen seiner Antifa-Arbeit sah das Land Baden-Württemberg Zweifel an seiner Verfassungstreue. Und hat erneut vor Gericht verloren. Mehr als der Schadensersatz zählt für den linken Pädagogen, endlich Recht zu bekommen.

 

Das Geld, ja, das nimmt Realschullehrer Michael Csaszkóczy, 38, natürlich gern. Immerhin hatte das Land Baden-Württemberg ihm über drei Jahre lang untersagt, seine Arbeit zu tun - da sind 32.777 Euro als Schadensersatz für den entgangenen Verdienst ein hilfreicher Betrag.

Aber genügt die Summe, um einen Schwebezustand auszugleichen, den der Staat mit schwacher Begründung herbeigeführt hat? Über viele Jahre ließen die Innenbehörden Csaszkóczy wie einen Staatsfeind vom Geheimdienst überwachen. Und haben ihm eine Anstellung "rechtswidrig versagt", wie Karlsruher Richter am Dienstag feststellten.

Das Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist vermutlich der Schlusspunkt für ein Berufsverbotsverfahren, das seit 2004 immer wieder Gerichte beschäftigt hat, vor allem aber den Lehrer Csaszkóczy selbst. Weil er seit seiner Studienzeit in der linksgerichteten Antifaschistischen Initiative Heidelberg Mitglied war, weigerte sich das baden-württembergische Kultusministerium, den fertigen Realschullehrer damals in den Staatsdienst zu übernehmen.

 

Freude über "das Signal der Schuldhaftigkeit"

 

Auch in Hessen scheiterte Csaszkóczy mit seiner Bewerbung für eine Lehrerstelle, die Behörden bezogen sich auf die Erkenntnisse der Verfassungsschützer aus dem Südwesten. Erst die Richter am Verwaltungsgerichtshof in Mannheim, später auch die im hessischen Darmstadt (Aktenzeichen 1 E 1247/06) hoben die staatlichen Berufsverbote im Jahr 2007 als widerrechtlich auf. Ab Herbst 2007 durfte Csaszkóczy dann endlich unterrichten, nämlich Deutsch, Geschichte und Kunst an der Realschule in Eberbach im Rhein-Neckar-Kreis und "mit zunehmendem Vergnügen", wie er sagt.

Bei seiner Schadensersatzklage ging es Michael Csaszkóczy vor allem um die Genugtuung, am Ende doch noch Recht zu bekommen. "Das Land hat immer behauptet, es habe nichts falsch gemacht", sagte Csaszkóczy SPIEGEL ONLINE.

Das Gegenteil ist nun bewiesen. Das Gericht stelle fest, das Land habe "vorwerfbar" gehandelt und besiegelte das Urteil mit dem Schadensersatzanspruch Csaszkóczys (Aktenzeichen 2 O 362/08). Gefordert hatte er 110.000 Euro, doch das Gericht entschied auf nur ein Drittel der Summe - weil er neben seiner Promotion nur eine Teilzeitstelle habe und außerdem weitere Einkünfte angerechnet wurden. Trotzdem ist das Urteil für Csaszkóczy ein "Signal der Schuldhaftigkeit" der Ministerien, die versucht hatten, ihn aus dem Schuldienst fernzuhalten.

Der Realschullehrer aus Heidelberg ist ein bekennender Linker, aber offenbar auch ein guter Lehrer. Das Staatsexamen absolvierte er jedenfalls mit der Note 1,8, Schüler und Lehrerkollegen lobten ihn, an seiner fachlichen Eignung meldete nie jemand Zweifel an. An seiner Verfassungstreue schon. 2004 legte das Land ihm nahe, der Antifa-Initiative in seiner Heimatstadt abzuschwören, die wegen ihrer antikapitalistischen Rhetorik seit langem vom Verfassungsschutz beobachtet wurde.

Csaszkóczy indes war nicht bereit zu einer Unterwerfungsgeste. Er erklärte, "Gewalt gegen Menschen oder Sachen" lehne er ab, wollte aber mit seinen Überzeugungen nicht brechen. "Ich will den Kindern ein Lehrer sein, der morgens auch noch in den Spiegel schauen kann", sagte er SPIEGEL ONLINE.

 

Schavan wollte den linken Lehrer nicht im Staatsdienst

 

Seit Beginn der Berufsverbotsverfahrens sorgte der Fall mehrfach für Wirbel. Für die Linken war er ein gefundenes Fressen und eine Steilvorlage, den Staat vorzuführen. Die Obrigkeit wiederum machte es den Aktivisten leicht, beharrte auf Geheimdienstinformationen über die Heidelberger Gruppe und schaltete auf stur. Gestützt wurden die Zweifel an der Verfassungstreue des Pädagogen durch kaum mehr als eine Selbstdarstellung der Initiative und ihre Haltung zur "Militanz".

Für die Einstellungsbehörde reichte das, um Csaszkóczy als linksextrem einzustufen. Ansonsten ist das Sündenregister  des Lehrers kurz: Lediglich eine von Csaszkóczy im Jahr 2001 angemeldete Demonstration war auf dem Weg durch Heidelberg von der Route abgekommen - das Verfahren wurde gegen die Zahlung von 200 Mark eingestellt.

Trotzdem, das Land beharrte darauf, dass der Realschullehrer ungeeignet für den Staatsdienst sei. "Wer Mitglied in einer extremistischen Gruppierung ist, sich darin aktiv gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung stellt und Militanz als angemessenes Mittel der Auseinandersetzung ansieht, kann nicht als Lehrer in öffentlichen Schulen wirken", erklärte Annette Schavan (CDU), damalige Kultusministerin und heutige Bundesbildungsministerin.

Die Verwaltungsgerichte folgten den Argumenten nicht, als sie im Jahr 2007 die Berufsverbote in Hessen und Baden-Württemberg aufhoben. Die Richter äußerten sich ungewöhnlich deutlich. Mit dem aktuellen Richterspruch ist jetzt auch amtlich, dass der Staat schuldhaft Schaden angerichtet hat und dafür zahlen muss.

 

GEW: Urteil ist Politikunterricht für die Landesregierung

 

Baden-Württembergs Kultusministeriums hielt sich bedeckt. Ein Sprecher sagte lediglich, man prüfe das Urteil und entscheide dann, ob man Rechtsmittel einlegen werde. Die Lehrergewerkschaft GEW nannte das Urteil eine "schallende Ohrfeige" für die Landesregierung - und "Politikunterricht für Ministerpräsident Günther Oettinger und Kultusminister Helmut Rau", so die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz.

Die Debatte um Berufsverbote gegen linke Staatsdiener sorgte einst in den siebziger Jahren für mächtig Wirbel, ist aber eigentlich seit einem Vierteljahrhundert vorbei. Und 1995 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall einer kommunistischen Lehrerin aus Jever die deutsche Praxis der Berufsverbote für nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar erklärt. Streitfälle gibt es kaum noch, Csaszkóczy ist seit langem der einzige Lehrer, der als angeblicher "Linksextremist" vor der Schultür bleiben sollte.

Er hofft jetzt, dass das Land nach dem aktuellen Urteil nicht mehr in Berufung geht, damit die zähen Auseinandersetzungen ein Ende finden. Dass ihn der Verfassungsschutz nach wie vor überwacht, davon ist Michael Csaszkóczy überzeugt. "Vor etwa drei Jahren habe ich um Einsicht in die entsprechenden Ermittlungsakten gebeten. Die bekam ich nicht, weil das Verfahren noch laufe." Er habe darum gebeten, informiert zu werden, wenn seine Einsichtnahme die Ermittlungen nicht mehr gefährdet. Gehört habe er in der Sache noch nichts.