Soz – Sozialistische Zeitung, Februar 2005
Le
Berufsverbot – ein Fall für GEW und Rote Hilfe
»Zum Schutz der Schüler«, begründet
Annette Schavan, Kultusministerin von Baden-Württemberg (CDU),
das im August 2004 in Kraft getretene Berufsverbot gegen den
Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy. Das sahen
rund 1.000 Demonstrierende anders, die am 23. Oktober dagegen auf die
Straße gingen. Getragen hatte den Protest ein Bündnis aus
der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW),
Menschenrechtsorganisationen, antifaschistischen Gruppen,
Studierendenschaften, Parteien und Roter Hilfe - bislang der
Höhepunkt einer bis heute währenden Kampagne.
Was war
geschehen? Csaszkóczy wurde nach seinem Referendariat in einem
»vertieften Einstellungsgespräch« vorgehalten,
Mitglied in der »Antifaschistischen Initiative Heidelberg«
und Anmelder von Demonstrationen zu sein. Zudem habe er eine
Broschüre über eine Widerstandsgruppe im Faschismus
geschrieben und sich darin für »basisdemokratische
Verhältnisse« und »Militanz als ein legitimes Mittel
der Befreiung« ausgesprochen. Vorgeworfen wurde ihm auch, sich
schützend vor ein Flüchtlingsheim gestellt und sich an
einem Versuch, einen Naziaufmarsch zu verhindern, beteiligt zu haben.
Diese Renaissance der Berufsverbotspraxis erinnert schlagartig an
den 1972 unter dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt (SPD)
verabschiedeten »Radikalenerlass«, der in der alten BRD
rund 11.000 offizielle Verfahren, 256 Entlassungen und 2.200
Disziplinarverfahren zur Folge hatte - überwiegend gegen
DKP-Mitglieder. Dank breiter Öffentlichkeitsarbeit betroffener
Personen und deren Organisationen sorgte die Verbotspraxis dereinst
bundesweit wie international für Aufmerksamkeit – und
bereicherte etwa den französischen Wortschatz um die Vokabel le
Berufsverbot.
Auch Michael Csaszkóczy geht mit seiner
Situation entsprechend politisch um und fand mittlerweile Beachtung
durch Fernsehbeiträge wie Artikel auch in bürgerlichen
Medien. Was seine Stellungnahmen anbelangt, so zeigt er sich
keinesfalls eingeschüchtert: »Frau Schavan hat mit ihrem
Beschluss, mein Berufsverbot zu bestätigen, mich ganz offiziell
zum Staatsfeind erklärt. Von einer Frau, die nicht müde
wird, den furchtbaren NS-Juristen Filbinger als Freund dieses Staates
zu präsentieren ... will ich das gerne als besondere
Auszeichnung annehmen«, so Csaszkóczy in einer Rede auf
der besagten Demonstration, in der er kurzerhand den Ankläger
zum Angeklagten macht: »Tatsächlich misstraue ich einem
Staat, der – wie in meinem Fall offen zugegeben – Oppositionelle
über 15 Jahre hinweg bespitzeln lässt, um später
zuzuschlagen und ihre berufliche Existenz zu vernichten. Tatsächlich
kann ich mir etwas Besseres vorstellen als eine Demokratie, die
zentrale Machtbereiche – vor allem in der Wirtschaft –jeder
gesellschaftlichen Kontrolle entzieht und all diejenigen, die dies
nicht akzeptieren wollen, zu “Feinden der Demokratie” erklärt.
Tatsächlich betrachte Ich es nicht nur als legitim, sondern als
notwendig, sich im Kampf gegen alte und neue Faschisten nicht auf die
deutsche Polizei zu verlassen, sondern ihnen entschlossen
entgegenzutreten. Tatsächlich bin ich nicht bereit, deutsche
Angriffskriege von den Verbrechen, die sie waren und sind, in
”humanitäre Operationen” umzulügen. .... Tatsächlich
halte ich es für falsch und gefährlich, sich im Kampf gegen
Rassismus, Ausbeutung, Antisemitismus und Sexismus auf
Parlamentsbeschlüsse zu verlassen.« (vgl. Zeitung der
Roten Hilfe, 4.2004)
Die Kampagne ging in erster Linie vom
Heidelberger Solidaritätskomitee aus und wird von der bundesweit
organisierten Roten Hilfe aktiv mitgetragen. Zudem unterstützt
auch die GEW die Solidaritätsarbeit weitgehend vorbehaltlos. In
den vergangenen Monaten wurden in zahlreichen Städten
Veranstaltungen, auf denen neben Csaszkóczy häufig ein
ehemals von Berufsverbot Betroffener referierte, oftmals gemeinsam
von Ortsgruppen der Roten Hilfe und der GEW durchgeführt. So
wird auch in gewerkschaftlichen Organen über den Fall berichtet.
Mehr noch: Im November 2004 hatten u.a. Die GEW Hamburg und die Rote
Hilfe eine Konferenz zum Thema organisiert. Ilona Wilhelm, zweite
Vorsitzende der GEW, erklärte dort: »Solidarität
gehört für die GEW ebenso wie der Kampf um bessere
Arbeitsbedingungen und Tarife zum Kerngeschäft einer
Gewerkschaft ... Wir fordern Annette Schavan auf, das Berufsverbot
gegen Michael Csaszkóczy zurückzunehmen.« (vgl.
Junge Welt, 25.11.2004)
Solcherlei gewerkschaftliche Solidarität
ist besonders erfreulich, wenn man bedenkt, dass es innerhalb der GEW
bisweilen auch zum schlechten Ton gehört, interne linke
Strömungen auszuspielen. So etwa geschehen 2003 mit dem
oppositionellen Zeitungsprojekt prekär des Landesverbandes
Hessen für die Beschäftigten in der Weiterbildung, das nun
– inhaltlich vergleichsweise konform – unter gleichem Namen vom
GEW-Hauptvorstand herausgegeben wird. Bleibt zu hoffen, dass sich die
GEW künftig weiter nach links öffnet. Nötig scheint
dies allemal, denkt man über den genannten Berufsverbotsfall
hinaus an Herausforderungen im Zuge von Hartz IV. Ein- Euro-Jobs für
arbeitslose Lehrerinnen und Lehrer an Schulen, Verlängerung von
Arbeitszeiten und andere tarifliche Beschneidungen sowie eine
Kahlschlagspolitik im Weiterbildungssektor sind nur einige
Stichworte, bei denen man ohne grundlegenderen Protest vermutlich
nicht sehr weit kommen wird.
Mario Tal