Artikel aus der Rhein-Neckar-Zeitung vom 27.8.04 Erstes Berufsverbot seit 1993 gegen Lehrer Heidelberg, (lex) Zum ersten Mal seit 1993 wurde gestern ein Berufsverbot gegen einen Lehrer in Baden-Württemberg ausgesprochen. Der Heidelberger Michael Csaszkóczy wird nach der Entscheidung von Kultusministerin Annette Schavan (CDU) nicht verbeamtet. Bereits im Dezember 2002 hatte das Oberschulamt Zweifel an der Verfassungstreue des 34-Jährigen geäußert, der sich seit 1989 politisch engagiert - unter anderem in der als linksextrem eingestuften "Antifaschistischen Initiative". Diese sei gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und befürworte Militanz. Mitglieder extremistischer Gruppen könnten nicht an Schulen arbeiten, stellt Schavan klar. Csaszköczy wird vermutlich Widerspruch gegen die Entscheidung einlegen. (Rhein-Neckar-Zeitung 27.8.04, Seite 1')
Berufsverbot für Heidelberger Lehrer ausgesprochen Gestern entschied Kultusministerin Annette Schavan: Michael Csaszkóczy darf nicht unterrichten - Zweifel an seiner Verfassungstreue Von Alexander R. Wenisch Jetzt ist es amtlich: Michael Csaszköczy darf nicht als Lehrer arbeiten. Gestern sprach Baden-Württembergs Kultusministerin An nette Schavan (CDU) das Berufsverbot für den 34 Jahre alten Heidelberger aus. Damit wurde erstmals seit mehr als zehn Jahren der unter Willy Brandt 1972 verhängte so genannte "Radikalenerlass" angewandt. Csaszkóczy ist seit 1989 politisch aktiv und engagiert sich in Heidelberg in der als linksextrem eingestuften "Antifaschistischen Initiative". Diese, begründet das Ministerium jetzt seine Entscheidung, sei gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und befürworte Militanz als "legitimes Mittel im Kampf um die Befreiung". Mitglieder extremistischer Gruppierung könnten nicht an Schulen arbeiten, stellt Schavan klar. "Demokratie muss sich gerade auch in staatlichen Schulen als wehrhaft erweisen, um Kinder und Jugendliche vor jeder möglichen extremistischen Beeinflussung zu schützen." Als Student zeigte Csaszkóczy Jugendlichen die Spuren des Nationalsozialismus in Heidelberg, machte sich für den Erhalt eines Autonomen Zentrums stark und unterstützte Demonstrationen gegen die Abschiebung von Flüchtlingen. Er organisierte Proteste gegen Nazi-Aufmärsche, rechtsextreme Burschenschaften und deutsche Kriegseinsätze. Fudern trat er regelmäßig als Sprecher des Autonomen Zentrums und Verfasser kapitalismuskritischer Artikel in Erscheinung. Straftaten liegen gegen ihn aber keine vor. Aufgrund seiner politischen Aktivitäten wurde der Heidelberger zehn Jahre lang vom Verfassungsschutz beobachtet. Csaszköczy Karriere als Lehrer verlief zunächst reibungslos. An der Pädagogischen Hochschule hatte er Deutsch, Geschichte und Kunst studiert und anschließend sein Referendariat an der Theodor-Heuss-Realschule absolviert. Sein Zweites Staatsexamen schaffte er mit 1,8. Die Einstellung in den Staatsdienst schien fast sicher - bis ihm kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres ein Brief des Oberschulamtes ins Haus flatterte: Es bestünden Zweifel an seiner Verfassungstreue, die vorgesehene Verbeamtung sei da-her ausgesetzt. Im April wurde der Heidelberger zu einem "vertieften Einstellungsge-spräch" ins Amt gebeten - konnte aber die gegen ihn gehegten Zweifel auch hier nicht aus der Welt schaffen. Auch Solidaritätsbekundungen von verschiedenen Seiten konnten an Schavans Entscheidung nicht rütteln. Unter anderen hatten sich die Heidelberger Landtagsabgeordneten Theresia Bauer (Grüne) und Claus Wichmann (SPD) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft gegen das Berufsverbot ausgesprochen. Dieses basiert auf dem "Radikalenerlass", der in den 70er Jahren verabschiedet wurde und sich vor allem gegen Mitglieder der DKP richtete. 3,5 Millionen Bewerber für den Staatsdienst wurden damals auf ihre Verfassungstreue hin überprüft - 1500 Berufsverbote wurden ausgesprochen. 1991 schaffte Baden-Württemberg den Erlass ab, der drei Jahre später vom Europäischen Gerichtshof als Verstoß gegen das Recht auf Meinungsfreiheit gewertet wurde. Daher kündigte Csaszkóczys Anwalt Martin Heiming gestern auch an, sein Mandant werde Widerspruch gegen die Entscheidung aus Stuttgart einlegen. Ob ihm dies viel bringt, ist fraglich: Ein Verfahren durch weitere Instanzen könne sich Jahre ziehen, beurteilt der Rechtsvertreter. Da-her wird sich Csaszkóczy langfristig ohnehin nach beruflichen Alternativen umsehen müssen. Wie zu erfahren war, plant der Pädagoge bereits eine Promotion in seinem Fach, um in der Wissenschaft Fuß zu fassen. Csaszkóczy selbst ist derzeit in Urlaub und nicht zu erreichen. "Ob er selbst überhaupt schon Schavans Entscheidung kennt, weiß ich nicht", sagt Heiming.