Interview der Rhein-Neckar-Zeitung mit Michael Csaszkóczy, geführt am 07.09.2005
Wollten Sie ernsthaft in Heppenheim in den hessischen Schuldienst gehen?
Ja, das wollte ich tatsächlich. Das ist der Beruf, den ich gelernt habe und den ich gerne ausübe. Dass Baden-Württemberg glaubt, sich so salopp über Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hinwegsetzen zu können, bedeutet ja noch nicht, dass das in anderen Bundesländern auch passieren muss.
Was war denn die Begründung, dass Sie jetzt doch nicht Lehrer werden dürfen?
Ich habe bis heute noch keine Begründung erhalten, geschweige denn eine schriftliche. Die einzige Information, die ich von meinem (verhinderten) Rektor bekommen habe, ist, dass ich aus politischen Gründen nicht eingestellt werden dürfe und dass das Innenministerium gegen meine Einstellung interveniert habe.
Wie wollen Sie gegen das neuerliche Berufsverbot vorgehen, immerhin hatten Sie eine schriftliche Einstellungszusage?
Die juristischen Schritte werde ich im Einzelnen mit meinem Anwalt und mit der GEW absprechen. Sicher ist, dass ich die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen werde.
Wie überraschend kam es denn für die Schule, dass Sie jetzt doch nicht anfangen dürfen? Immerhin setzten Sie sich unter neun Kandidaten durch.
Dort ist man buchstäblich aus allen Wolken gefallen. Kaum jemand hätte geglaubt, dass ein solches Vorgehen in unserem Staat überhaupt möglich ist.
Wie reagierten Ihre Kollegen in spe und der Rektor der Schule?
Ich habe aus dem Kollegium viel solidarische Unterstützung erfahren, für die ich sehr dankbar bin. Der Rektor hat mir versichert, dass er mich weiterhin gern an seiner Schule beschäftigt sähe und dass es ihm dabei auf meine fachliche und pädagogische Qualifikation ankommt und nicht auf meine politische Einstellung.
Haben Sie der Heppenheimer Schule denn Ihr baden-württembergisches Berufsverbot verschwiegen?
Nein, das habe ich nicht, obwohl es im Einstellungsgespräch keine ausschlaggebende Rolle gespielt hat.
Mal ehrlich: Sind Sie jetzt ein Verfassungsfeind oder nicht?
Nein, das bin ich nicht. Ich wäre sehr dankbar, wenn Menschen, die sich nun durch Rückenwind seitens der Obrigkeit legitimiert fühlen, mich als Staatsfeind auszugrenzen, auch nur eine Äußerung von mir anführen würden, in der ich das Grundgesetz angegriffen hätte. Tatsache ist, dass es dort, wo mein politisches Engagement der Verfassung galt, um die Bewahrung und Verteidigung von Verfassungsgrundsätzen ging. Als Beispiele seien das Verbot eines Angriffskrieges und das Grundrecht auf Asyl genannt.
Haben Sie mit einer politischen Einstellung, die möglicherweise doch manchem "extrem" anmutet, die Befähigung, ausgerechnet Geschichte zu unterrichten?
Radikalität im Denken und Handeln ist für mich durchaus ein positiver Begriff, den ich nicht mit dem diffamierenden Ausdruck 'Extremismus' gleichgesetzt sehen möchte. Niemand wirft mir vor, jemals Schülerinnen und Schüler indoktriniert zu haben - selbst Frau Schavan nicht, die ansonsten mit wildesten Anschuldigungen wahrlich nicht geizt. Ein solches Verhalten würde auch meinem politischen wie pädagogischen Selbstverständnis widersprechen. Im Übrigen denke ich, dass sich guter Geschichtsunterricht nicht dadurch auszeichnet, dass er fertige Antworten und Wertungen liefert, sondern dadurch, dass er die SchülerInnen befähigt, selbst Fragen an geschichtliche Quellen zu stellen. Das gilt nicht erst für die gymnasiale Oberstufe, sondern selbstverständlich auch für die Haupt- und Realschule.
Wie geht es mit Ihnen weiter? Wo wollen Sie sich überhaupt bewerben? Und was machen Sie, wenn es mit dem Lehrerberuf nicht mehr weitergeht? Immerhin sind Sie ja schon 35.
Das ist eine bittere Frage, weil ich sie im Moment nicht beantworten kann. Ich werde mich jedenfalls von einer grundrechtswidrigen politischen Repressionsmaßnahme nicht davon abhalten lassen, in dem Bereich zu arbeiten, für den ich qualifiziert bin.
Wovon leben Sie denn im Moment?
Im Moment bin ich einer von den Vielen, die gezwungen sind von ALG II zu leben - und das, obwohl ich ja eigentlich Arbeitsstellen hätte, für die ich qualifiziert wäre und wo ich gerne arbeiten würde.