Rhein-Neckar-Zeitung, 20.09.2005


Ich würde gern arbeiten"

Wegen des Berufsverbots lebt der Lehrer Michael Csaszkóczy von ALG lI


(avm) Michael Csaszkóczy darf offenbar auch in Hessen nicht Lehrer werden. Sein neuer Arbeitgeber in spe, die Heppenheimer Martin-Buber-Schule, hatte schon den Arbeitsvertrag unterschrieben, dann holte ihn sein altes baden-württembergische Berufsverbot ein. Dem 35-jährigen Heidelberger wird vorgeworfen, als angeblicher Linksextremist nicht auf dem Boden der Verfassung zu stehen.


Wollten Sie ernsthaft in Heppenheim in den hessischen Schuldienst gehen?

Ja, das wollte ich tatsächlich. Das ist der Beruf, den ich gelernt habe und den ich gerne ausübe. Dass Baden-Württemberg glaubt, sich so salopp über Entscheidungen des Euro päischen Gerichtshofs für Menschenrechte hinwegsetzen zu können, bedeutet ja noch nicht, dass das in anderen Bundesländern auch passieren muss.


Wie wollen Sie gegen das neuerliche Berufsverbot vorgehen, immerhin hatten Sie eine l schriftliche Einstellungszusage?

Sicher ist, dass ich die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen werde.


Wie überraschend kam es für die Schule, dass Sie nicht anfangen dürfen? Immerhin setzten Sie sich unter neun Kandidaten durch.

Dort ist man aus allen Wolken gefallen. Kaum jemand hätte geglaubt, dass ein solches Vorgehen in unserem Staat überhaupt möglich ist.


Haben Sie denn Ihr baden-württembergisches Berufsverbot verschwiegen?

Nein, das habe ich nicht, obwohl es im Einstellungsgespräch keine ausschlaggebende Rolle gespielt hat.


Mal ehrlich: Sind Sie jetzt ein Verfassungsfeind oder nicht?

Nein, das bin ich nicht. Ich wäre sehr dankbar, wenn Menschen, die sich nun durch Rückenwind seitens der Obrigkeit legitimiert fühlen, mich als Staatsfeind auszugrenzen, auch nur eine Äußerung von mir anführen würden, in der ich das Grundgesetz angegriffen hätte. Tatsache ist, dass es dort, wo mein politisches Engagement der Verfassung galt, um die Bewahrung und Verteidigung von Verfassungsgrundsätzen ging. Als Beispiele seien das Verbot eines Angriffskrieges und das Grundrecht auf Asyl genannt.


Haben Sie mit einer politischen Einstellung, die möglicherweise doch manchem „extrem" anmutet, die Befähigung, ausgerechnet Geschichte zu unterrichten?

Radikalität im Denken und Handeln ist für mich durchaus ein positiver Begriff, den ich nicht mit dem diffamierenden Ausdruck „Extremismus" gleichgesetzt sehen möchte. Niemand wirft mir vor, jemals Schüler indoktriniert zu haben- selbst Frau Schavan nicht, die ansonsten mit wildesten Anschuldigungen wahrlich nicht geizt. Ein solches Verhalten würde auch meinem politischen wie pädagogischen Selbstverständnis widersprechen.


Wie geht es mit Ihnen weiter? Wo wollen Sie sich überhaupt bewerben? Und was machen Sie, wenn es mit dem Lehrerberuf nicht mehr weitergeht? Immerhin sind Sie ja schon 35.

Das ist eine bittere Frage, weil ich sie im Moment nicht beantworten kann. Ich werde mich jedenfalls von einer grundrechtswidrigen politischen Repressionsmaßnahme nicht davon abhalten lassen, in dem Bereich zu arbeiten, für den ich qualifiziert bin.


Wovon leben Sie denn im Moment?

Im Moment bin ich einer von den vielen, die gezwungen sind von ALG II zu leben - und das, obwohl ich ja eigentlich Arbeitsstellen hätte, für. die ich qualifiziert wäre und wo ich gerne arbeiten würde.