Reblandkurier, 1.September2004
Fatales Eigentor
von Prof. Dr. Dr. Klaus Mylius
Staunend vernimmt man, dass das Kultusministerium einem Lehramtsanwärter in Heidelberg den Eintritt in den Schuldienst verweigert, weil er der “Antifaschistischen Initiative Heidelberg” angehört. Jemandem ein Berufsverbot zu erteilen, weil er sich gegen Faschismus wendet – das kann doch wohl nicht wahr sein!
Mit Recht befürchtet nun die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, dass die Zeit der Berufsverbote wiederkehrt. Bekanntlich hat aber der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Berufsverbote als menschenrechtswidrig eingestuft. Übrigens: seinerzeit gab es in der DDR nicht wenige – von westlicher Seite scharf kritisierte – Fälle, in denewn aus ideologischen Gründen der Zugang zu intellektuellen Berufen erschwert oder unmöglich gemacht wurde. Soll diese Praxis jetzt – sozusagen seitenverkehrt – bei uns eingeführt werden?
Auch das Argument, der Bewerber habe an außerparlamentarischen Aktionen mitgewirkt, gerät zum Eigentor. Denn es ist eine Binsenwahrheit, dass nicht alle Probleme unseres gesellschaftlichen Lebens allein von denm Parlamenten gelöst werden können. Denn könnten sie das wirklich, brauchten wir keine Bürgerinitiativen, keine gemeinnützigen Vereine, ja nicht einmal die Kirchen.
Der Lehramtsanwärter hatte sich vor allem gegen Aktionen und Aufmärsche der NPD engagiert, einer Partei also, die der Bundesinnenminister verbieten lassen wollte. Gegen Gesetze hat der Bewerber nicht verstoßen; seine fachliche Qualifikation ist nicht zu beanstanden. Es liegt also eine reine Gesinnungsentscheidung vor.
Dieses Eigentor wirkt um so fataler, als die von rechts aufkommende Gefahr immer größer wird. Da wird die Kirche im sächsischen Burgstädt über und über mit SS- und HJ-Symbolen geschändet. Im hessischen Kreis Alsfeld trafen sich 200 Neonazis zu einer “privaten Feier”, auf der nicht nur faschistische Symbole bejubelt, sondern – noch viel gravierender – zu Morden an unseren jüdischen Mitbürgern aufgehetzt wurde.
Aber Polizei und verfassungsschutz sahen sich bis jetzt außerstande einzuschreiten. Sollten weitere solche Eigentore geschossen werden wie in Stuttgart oder Alsfeld , würde unser Land schlimmen Schaden erleiden. Nutzen hätten davon nur die, die wir auch angesichts der auf uns blickenden Weltöffentlichkeit bekämpfen wollen und müssen: die Rechtsextremen, sprich – die Nazis!
Prof. Dr. Dr. Klaus Mylius lehrt an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main.