DIE ROTE HILFE 2.2004
Zeitung der Roten Hilfe e.V.
Interview mit Michael Csaszkoczy
Der Heidelberger Michael Csaszkoczy will Lehrer werden und darf nicht.
Hurra, das Berufsverbot ist wieder da! Wir befragten das engagierte Rote
Hilfe-Mitglied, warum derartige Repressionen aus der Mottenkiste geholt
werden.
WIE KAM ES DAZU, DASS MAN DICH DARAN HINDERN WILL, LEHRER ZU WERDEN? WAS
WIRD DIR VORGEWORFEN?
An Weihnachten vergangenen Jahres bekam ich einen Brief vom
Oberschulamt, in dem mir mitgeteilt wurde, dass Zweifel daran bestünden,
ob ich jederzeit bereit sei, voll für die freiheitlich demokratische
Grundordnung einzutreten. Es lägen Erkenntnisse des Verfassungsschutzes
seit dem Jahr 1992 über mich vor. Auf telefonische Nachfrage wurde mir
bestätigt, dass ich für den Jahreswechsel zur Einstellung vorgesehen
gewesen sei. Da ein entsprechendes Verfassungsschutzpapier dem
Oberschulamt tatsächlich seit dem letzten Sommer vorlag, obwohl
offiziell noch keine Sicherheitsüberprüfung gegen mich eingeleitet war,
ist davon auszugehen, dass das Innenministerium von sich aus aktiv
geworden ist, um meine Einstellung zu verhindern.
Die dem Oberschulamt übermittelten "Erkenntnisse" des
Verfassungsschutzes, die ich zwischenzeitlich einsehen konnte, bestehen
aus 20 meiner Meinung nach ziemlich willkürlich zusammengestellten
Vorfällen. Darunter sind solch bahnbrechende Erkenntnisse wie meine
Teilnahme an Demonstrationen gegen den Irakkrieg oder die bloße
Tatsache, dass ich einer Zeitung ein Interview über die Räumung des
Autonomen Zentrums gegeben habe. Auch meine Beteiligung an Protesten
gegen Naziaufmärsche ist vermerkt sowie meine Mitarbeit an einer
historischen Dokumentation über eine lokale Widerstandsgruppe im Dritten
Reich. Am 21. April hatte ich nun meine Anhörung beim Oberschulamt, in
der ich Gelegenheit bekommen sollte, "Zweifel an meiner Verfassungstreue
auszuräumen".
WAS IST DEINER MEINUNG NACH DER POLITISCHE HINTERGRUND DER
REPRESSALIEN?
Mit einer allgemeinpolitischen Einschätzung tue ich mich noch schwer.
Die bundesdeutsche Praxis der Berufsverbote stammt ja aus einer Zeit, in
der es tatsächlich eine starke linke außerparlamentarische Bewegung gab,
gegen die die BRD meinte, sich schützen zu müssen. Davon kann heute
keine Rede sein. Für denkbar halte ich, dass in Zeiten verstärkten
Sozialabbaus und eines rapiden Abbaus bürgerlich-demokratischer Rechte
hier eine Art präventive Repression stattfinden soll, um zu
signalisieren: "Wagt es gar nicht erst, aufzubegehren".
Außerdem ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Radikalenerlass ja
in den letzten zwanzig Jahren, auch wenn er praktisch nicht mehr
angewandt wurde, seine intendierte
Wirkung, Einschüchterung und Drohung, an den Schulen weiterhin getan
hat. Es gibt unter Lehrerinnen und Lehrern eine große Angst davor, sich
politisch zu weit aus dem Fenster zu hängen, auch wenn sie es eigentlich
für geboten hielten. Ich merke das ganz konkret an ehemaligen
Kolleginnen und Kollegen, die etwa der Presse gegenüber ihre volle
Solidarität mit mir bekunden, aber einen Rückzieher machen, wenn ihr
Name oder ihr Gesicht auftauchen könnten. Insofern halte ich es durchaus
für denkbar, dass es in der Vergangenheit gar nicht nötig war, das
repressive Mittel der Berufsverbote aus der Mottenkiste zu holen, weil
die LehrerInnenschaft sich ohnehin in vorauseilendem Gehorsam übte.
WIE IST DER AKTUELLE STAND DES VERFAHRENS? WELCHE CHANCE SIEHST DU.
DOCH HOCH UNTERRICHTEN ZU DÜRFEN?
Bei der Anhörung spielten die über zwölf Jahre hinweg gesammelten
Geheimdienstinformationen aus der Akte eigentlich gar keine wesentliche
Rolle mehr. Vielmehr spitzte sich das Verhör auf die simple Frage zu:
"Sind Sie Mitglied der Antifaschistischen Initiative Heidelberg?". Als
ich diese ohnehin öffentlich bekannte Tatsache bejahte, war die
Entscheidung für die Kommissionsmitglieder offensichtlich bereits
gefallen. Mir wurde dann eine Selbstdarstellung der AIHD vorgelegt, mit
der Aufforderung, mich dazu zu bekennen, oder mich davon zu
distanzieren. Dies habe ich in dieser pauschalen Form abgelehnt.
Daraufhin wurde die Anhörung in beiderseitigem Einvernehmen abgebrochen.
Ich habe in den nächsten Tagen noch eine schriftliche Stellungnahme
verfasst, die dann dem Protokoll beigefügt wurde. Nun bleibt nur noch
auf die Entscheidung zu warten. Allerdings haben die
Kommissionsmitglieder unmissverständlich klar gemacht, dass es mir
bislang nicht gelungen sei, ihre Zweifel an meiner Verfassungstreue
auszuräumen. Außerdem wird die Entscheidung nicht, wie das eigentlich
üblich wäre, von der normalerweise dafür zuständigen
Einstellungsbehörde, dem Oberschulamt, getroffen, sondern das
Kultusministerium beansprucht, selbst über meinen Fall zu befinden.
Gemeinsam mit meinem Anwalt bin ich davon überzeugt, dass eine
Entscheidung zu meinen Gunsten kaum zu erwarten ist. Das heißt, dass ich
den Beruf, an dem mir viel liegt und für den ich sieben Jahre lang
studiert habe, auf absehbare Zeit nicht ausüben kann. Ich werde gegen
das zu erwartende Berufsverbot natürlich Rechtsmittel einlegen.
Allerdings haben Berufsverbotsopfer aus den 70er Jahren, die den langen
Atem hatten, ihre Klagen aufrechtzuerhalten, oft Jahrzehnte gebraucht,
bis sie Recht bekamen (zuletzt etwa 1995 vor dem Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte). Interview: RHZ