Neues Deutschland 24.06.04
Wieder Berufsverbot im öffentlichen Dienst?
Michael Csaszkoczy darf auf Weisung des Schulamtes nicht Lehrer sein -
aus politischen Gründen
Der 33-jährige Michael Csaszkoczy studierte in Heidelberg Deutsch,
Geschichte und Kunst auf Lehramt. Trotz einer guten Note im zweiten
Staatsexamen wird ihm die ursprünglich vorgesehene Einstellung in den
Karlsruher Schuldienst verwehrt. Mit ihm sprach Peter Nowak.
ND: Sie wollen als Lehrer in Baden-Württemberg arbeiten. Warum sind Sie
noch immer ohne Job?
Csaszkoczy: Mitte Dezember 2003 teilte mir das Oberschulamt Karlsruhe
seine Zweifel daran mit, dass ich Gewähr dafdafür biete, jederzeit voll für
die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Auf
telefonische Nachfrage habe ich erfahren, dass meine Einstellung als
Lehrer für Anfang 2004 vorgesehen gewesen sei. Akteneinsicht erhielt ich
erst einige Monate später.
Was haben Sie in den Akten gefunden?
Dass der Verfassungsschutz mich seit mehr als zwölf Jahren beobachtete.
Dabei hatte er so banalen Erkenntnisse gewonnen wie die Tatsache, dass
ich Demonstrationen gegen deutsche Kriegseinsätze und Nazi-Aufmärsche
angemeldet und an einer Dokumentation über eine Widerstandsgruppe im
Dritten Reich mitgearbeitet habe.
In einer Anhörung vor einer Kommission des Oberschulamtes spielte all
das kaum eine Rolle. Es ging letztlich nur um die Frage, ob ich Mitglied
der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD) bin, was ich nie
bestritten habe. Ich wurde aufgefordert, mich zu deren Grundsatzpapier
zu bekennen oder mich davon zu distanzieren. Dazu war ich in dieser
pauschalen Form nicht bereit. Die AIHD war dem Verfassungsschutz immer
dann ein Dorn im Auge, wenn sie es geschafft hat, mit radikalen linken
Positionen Bündnisse bis ins bürgerliche Lager zu schließen.
Haben Sie Solidarität erfahren?
Innerhalb der radikalen Linken hat sich, insbesondere von der Roten
Hilfe getragen, schnell eine Solidaritätsbewegung gebildet. Auch die
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat sich nach anfänglichem
Zögern voll hinter mich gestellt. Inzwischen ist das Komitee für
Grundrechte und Demokratie aktiv geworden, beispielsweise mit einem
Offenen Brief an die baden-württembergische CDU-Kultusministerin Annette
Schavan.
Wehren Sie sich juristisch?
Wenn Frau Schavan das Berufsverbot bestätigt, werde ich natürlich
klagen. Dabei unterstützt mich die GEW. Allerdings kann das viel
Durchhaltevermögen erfordern. 1994 hat beispielsweise der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte im Fall einer Kollegin entschieden, die
in den 70er Jahren Berufsverbot erhalten hatte. Die Berufsverbotspraxis
der BRD wurde mit diesem Urteil für menschenrechtswidrig erklürt - nach
20 Jahren.
Sind Sie heute ein Einzelfall?
Nach allem, was mir, aber auch der Gewerkschaft und der Initiative gegen
Berufsverbote bekannt ist, ist dies der erste Fall eines politischen
Berufsverbotes nach mehr als zwei Jahrzehnten. Lediglich bei der
Abwicklung der DDR wurden in einem sehr anders gelagerten Kontext
dieselben Paragrafen angewendet - als es darum ging, ehemaligen
Staatsbediensteten der DDR den Zugang zum öffentlichen Dienst zu
verwehren. Ob Berufsverbote wieder zur Normalität werden, hängt
sicherlich stark davon ab, wie es uns gelingt, eine breite
Öffentlichkeit gegen die Wiederbelebung dieser antidemokratischen Waffe
aus Zeiten des Kalten Krieges zu mobilisieren.