Rechtsstaat
Nach 25 Jahren erneut Berufsverbot?
Oberschulamt Karlsruhe will Verfassungstreue prüfen
Von Markus Drescher
Wegen Zweifel an seiner Verfassungstreue wird einem Heidelberger
Realschullehrer die Einstellung in den Staatsdienst verwehrt. Er würde
damit Opfer des längst überholt geglaubten "Radikalenerlasses" von 1972,
so die Rote Hilfe.
Eineinhalb Jahre wartete Michael Csaszkoczy auf eine Stelle als
Realschullehrer im Schulamtsbezirk Heidelberg. Dann erreichte den
33-Jährigen am 15. Dezember letzten Jahres ein Schreiben des
Oberschulamts Karlsruhe mit der Mitteilung, dass Zweifel an seiner
Verfassungstreue bestehen. Diese Erkenntnis ergebe sich aus einer zwölf
Jahre langen Beobachtung durch den Verfassungsschutz.
Eine derartig intensive Aufmerksamkeit seitens der
baden-württembergischen Verfassungsschützer wurde Csaszkoczy durch sein
Engagement in verschiedenen Antifaschistischen Gruppen und der
Antikriegsbewegung, zuletzt als Vertreter der Antifaschistischen
Initiative Heidelberg, zuteil. Er selbst ahnte diese Beobachtung, da er
in Berichten des Verfassungsschutzes auf dessen Homepage immer wieder
auf Zitate aus seinen Reden bei verschiedenen Veranstaltungen stieß.
Darunter waren allerdings sogar Auftritte bei unzweifelhaft
verfassungstreuen Organisationen und Einrichtungen wie dem DGB und der
Volkshochschule.
Csaszkoczy wurde nach dem Studium und der ersten Staatsprüfung für das
Lehramt an Realschulen ohne Beanstandung ins Beamtenverhältnis auf
Widerruf übernommen und absolvierte sein Referendariat. Er kann sich
nicht erklären, warum ihm nun eine Einstellung als Lehrer verweigert
wird. Im Gespräch mit dem ND erklärte er: "Die Vorwürfe sind absurd. Das
Ganze erinnert an den Radikalenerlass aus den 70er Jahren."
1972 war der "Erlass zur Besch&aunl;ftigung von Radikalen im öffentlichen
Dienst" verabschiedet worden, um linke und kritische Personen aus dem
öffentlichen Dienst fern zuhalten. Seit 1979 wurden dessen Vorschriften
aber nicht mehr oder nur teilweise angewendet. In mehreren
Bundesländern, darunter auch Baden-Württemberg, blieb der Erlass jedoch
Teil der geltenden Gesetzgebung. "Es ist unerträglich und erschreckend,
dass mit der Wiederbelebung dieser antidemokratischen Waffe aus Zeiten
des Kalten Krieges erneut versucht werden soll, politisch aktive
Menschen einzuschüchtern und mundtot zu machen", empört sich Stefan
Riedel von der Roten Hilfe.
Unklar ist, von wem die Initiative gegen die Einstellung Csaszkoczys
ausgeht, da auch in Baden-Württemberg die seinerzeit übliche
"Regelanfrage" beim Verfassungsschutz nicht mehr vorgesehen ist. Im
Schreiben des Schulamts vom 15. Dezember 2003 wurde Csaszkoczy zu einem
"vertieften Einstellungsgespräch" geladen, in dem "insbesondere Fragen
nach der Mitgliedschaft in Parteien oder Gruppierungen, die
verfassungsfeindliche Ziele verfolgen", erörtert werden sollten. Das
Verhör war bereits für den 23. Dezember 2003 vorgesehen, wurde jedoch
wegen angeblicher neuer Erkenntnisse des Verfassungsschutzes mehrfach
verschoben.
Auf telefonische Nachfrage teilte der zuständige Regierungsdirektor dem
Lehrer mit, dass ihm bereits seit Sommer 2003 eine Akte des
Verfassungsschutzes vorliege. Darüber hätte Csaszkoczy laut Paragraf 3
des Landesverfassungsschutzgesetzes eigentlich informiert werden müssen.
Dieses blieb jedoch aus.
Infolge des "Verfahrens" gegen Csaszkoczy, das sich nun schon mehrere
Wochen hinzieht, konnte er eine freie Lehrerstelle nicht antreten. Laut
Oberschulamt war sie eigentlich für ihn ab 1. Februar 2004 vorgesehen.
Csaszkoczy bezeichnet deshalb den gesamten Vorgang, der mit seiner
angeblich fraglichen Verfassungstreue begründet wird, als "ein
praktisches Berufsverbot".
(ND 12.02.04)