Artikel aus dem Mannheimer Morgen vom 27.8.04




 Berufsverbot gegen Lehrer
 Stuttgart/Heidelberg. Wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue wird ein
 Lehramtsbewerber aus Heidelberg nicht in den Schuldienst übernommen.
 "Wer Mitglied in einer extremistischen Vereinigung ist und diese aktiv
 unterstützt, kann nicht Lehrer an einer öffentlichen Schule sein",
 begründete die Stuttgarter Kultusministerin Annette Schavan (CDU) die
 Ablehnung. Michael Csaszkóczy (34) gehört zur "Antifaschistischen
 Initiative Heidelberg", die der Verfassungsschutz als linksextremistisch
 einstuft. Die Lehrergewerkschaft GEW kritisierte den Beschluss als
 "Rückfall in die Politik der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts".
 Während des Referendariats habe es keine Beanstandungen gegeben.

 (Mannheimer Morgen 27.08.04 , Seite 1)


Aus der Mottenkiste Von Peter Reinhardt (Stuttgart) Sorgsam meidet Annette Schavan die vorbelasteten Begriffe Berufsverbot und Radikalenerlass. Doch der Fall des Heidelberger Nachwuchslehrers erinnert an die vergessen geglaubte Praxis der 70er Jahre: Während des Referendariats gab es keine Klagen über Verstöße gegen die Pflicht zur politischen Neutralität oder versuchte Beeinflussung von Schülern. Der Pädagoge bekennt sich zwar zu einer vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuften Gruppierung, bei deren Demonstrationen es mehrfach Gewalt gab. Aber ihm selbst konnte keine Straftat nachgewiesen werden. Als Lehrer abgelehnt wurde er also wegen seiner Gesinnung. Schwer nachvollziehbar in einem Land, in dem ein Mann, der in seinen jungen Tagen Steine geworfen hat, es zum hoch angesehenen Außenminister bringen kann. Andere Bundesländer haben nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die rechtliche Grundlage dieser Berufsverbote getilgt. Offenbar wollte Schavan, die mancher in der CDU für zu liberal hält, ein Zeichen setzen. Darauf deutet auch ihr Rückgriff auf die "wehrhafte Demokratie", die konservative Christdemokraten gerne beschwören. Der Bewerber, der sich nicht eindeutig von militanten Zielen distanziert, nährt allerdings die Zweifel selbst. Trotzdem hätte die Ministerin statt des faktischen Berufsverbots ihm eine Bewährungsprobe im Angestelltenstatus anbieten können. Nun müssen einmal mehr Richter einen politischen Streitfall entscheiden. © Mannheimer Morgen - 27.08.2004 (Kommentar Seite 2)
Eine Frage der Gesinnung Extremist oder nicht? Heidelberger darf nicht Lehrer werden Von unserem Redaktionsmitglied Heiko Brohm Das Ganze war dem Stuttgarter Ministerium lange Zeit unangenehm. So unangenehm, dass man sich entschieden hatte, zum "Inhalt des Verfahrens" gar nichts zu sagen. Doch jetzt hat Kultusministerin Annette Schavan das Wort ergriffen und die Entscheidung verkündet: Ein Heidelberger Lehramtsanwärter darf nicht Lehrer werden, er wird nicht in den Schuldienst eingestellt. Der Grund sind "Zweifel an der Eignung für den Schuldienst". Die gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) nennt es einfach Berufsverbot. Der 34-jährige Michael Csaszkóczy hatte in Heidelberg studiert und dort sein Referendariat an der Theodor-Heuss-Realschule gemacht. Seit einem Jahr stand er im Schulamtsbezirk Heidelberg auf der allgemeinen Bewerberliste. So weit, so gut. Doch im Dezember teilte ihm das Oberschulamt Karlsruhe mit, es bestünden Zweifel, "ob er Gewähr dafür biete, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung" einzutreten. Csaszkóczy ist Mitglied der "Antifaschistischen Initiative Heidelberg" (AIHD), bezeichnet sich selbst als Kommunist und hat schon öffentlich den Kapitalismus kritisiert. Ein Staatsfeind also? "Demokratie muss sich gerade auch in staatlichen Schulen als wehrhaft erweisen, um Kinder und Jugendliche vor jeder möglichen extremistischen Beeinflussung zu schützen", sagte Ministerin Schavan als Begründung. Der Bewerber sei seit Jahren in herausragender Position für die AIHD aufgetreten. Diese Gruppierung stelle sich selbst als eine Organisation dar, die davon überzeugt sei, dass sich auf parlamentarischem Wege an "den herrschenden Unterdrückungsverhältnissen" nichts Grundlegendes ändern werde. Es wurde ein Verfahren im Stuttgarter Ministerium eingeleitet, bei dem Csaszkóczy erfuhr, dass er seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die Sache hätte sicherlich weniger Aufsehen erregt, wären nicht die Begriffe "Berufsverbot" und "Radikalenerlass" im Raum gestanden. Die GEW sprang Csaszkóczy zur Seite, forderte seine Einstellung. Er habe sich zu seiner Verfassungstreue differenziert geäußert, Vorstrafen lägen nicht vor. Der Radikalenerlass aus den 70er Jahren sah für jeden Bewerber vor seiner Einstellung in den Staatsdienst die Regelanfrage vor. Dabei ging es nicht um die fachliche Eignung eines Bewerbers, sondern um seine Gesinnung. Im Visier des Verfassungsschutzes waren damals vor allen Dingen Mitglieder der kommunistischen DKP. 1991 wurde die Regelanfrage in Baden-Württemberg abgeschafft. Warum schaltete sich das Ministerium nun in den Fall Csaszkóczy ein? Nach Angaben von GEW-Sprecher Matthias Schneider lagen keine Beschwerden vor. Nachdem Csaszkóczy in Heidelberg aber bekannt sei, habe da wohl "jemand beim Oberschulamt angerufen". Der Gewerkschaft geht es auch ums Prinzip. Sie wehrt sich dagegen, dass Bewerber selbst einen Persilschein für ihre politische Gesinnung vorweisen müssen. Nur einmal in zehn Jahren trete so ein Fall überhaupt auf, heißt es dagegen aus dem Kultusministerium. Dieser wird wohl noch weitergehen. Csaszkóczy ist zurzeit in Urlaub. Wenn er zurückkommt, wird er wahrscheinlich Rechtsmittel einlegen. © Mannheimer Morgen - 27.08.2004 (Seite 5)