Mannheimer Morgen, 13.03.2007
Zu militant, um anderer Leute Kinder zu unterrichten?
Bei der Heidelberger Antifa engagierter Lehrer klagt vor dem Verwaltungsgerichtshof auf Aufnahme in den Schuldienst
Von unserem Redaktionsmitglied Steffen Mack
Heidelberg/Mannheim. Drei Minuten vor der Lehrerkonferenz klingelte das Telefon. Das Kultusministerium in Wiesbaden untersagte Michael Csaszkoczy, an der Heppenheimer Realschule frisch eingestellt für Deutsch, Geschichte und Kunst, die Teilnahme. Wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue entließ ihn Hessen umgehend wieder aus dem Schuldienst. In selbigen hatte Baden-Württemberg den Heidelberger Antifa-Aktivisten erst gar nicht aufgenommen. Dagegen klagt Csaszkoczy in beiden Ländern. Und morgen hofft er vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim darauf, erstmals Recht zu bekommen.
Der Fall wird viel Aufmerksamkeit auf die Quadratestadt ziehen. Die Initiative gegen Berufsverbote plant eine Mahnwache vor dem Gericht, eine Delegation der Internationalen Liga für Menschenrechte hat sich angekündigt, auch die Lehrergewerkschaft GEW unterstützt Czaszkoczys Klage und gibt ihm Rechtsschutz. "Anders könnte ich mir das überhaupt nicht leisten", erzählt der 36-Jährige. Nach seiner gescheiterten Aufnahme in den Schuldienst lebte er von Hartz IV, mittlerweile hat er ein Promotionsstipendium. "Aber auch als Doktor der Pädagogik kann ich ja eigentlich nichts anderes werden als Lehrer."
Seine fachlichen Qualitäten stehen außer Zweifel. Das zweite Staatsexamen machte er mit 1,8. Auch während seines Referendariats habe es keine Probleme gegeben, so der Heidelberger: "Mir wurde nie vorgeworfen, meine Schüler zu indoktrinieren und sonst wie negativ zu beeinflussen." Nichtsdestotrotz ist sein politische Engagement den Behörden nicht geheuer. "Mittlerweile weiß ich, dass ich seit 1992 im Visier des Verfassungsschutzes bin." Damals beteiligte sich Czaszkoczy an einer Kundgebung vor dem Asylbewerberheim in Mannheim-Schönau. Nachdem dort Anwohner gegen Ausländer gepöbelt hatten, reisten linke Gegendemonstranten aus ganz Deutschland an, darunter gewalttätige Autonome. Es gab reichlich Krawall.
Zum Verhängnis wurde Czaszkoczy nun ein Papier der Heidelberger Antifa, bei der er sich engagiert. Darin steht, Militanz sei ein legitimes Mittel gegen Unterdrückung. Hiervon habe er sich vor dem Oberschulamt distanzieren sollen, aber nicht wollen, sagt der Linke. "Militant bedeutet für mich nicht gewalttätig, im Duden ist ja auch von militanten Pazifisten die Rede", betont Czaszkoczy. "Gewalt lehne ich ab." Doch davon konnte er die Kultusministerien nicht ausreichend überzeugen. Auch das Karlsruher Verwaltungsgericht lehnte seine Klage ab, Berufung ließ es nicht zu.
Dass der VGH diese Entscheidung wegen "ernsthafter Zweifel" an ihrer Richtigkeit morgen dennoch neu verhandelt, feiern Czaszkoczys Unterstützer schon als Sieg. Der Kläger zeigt sich "nur begrenzt optimistisch". Selbst wenn das Urteil - laut VGH ist damit erst in einigen Tagen zu rechnen - zu seinen Gunsten ausfalle, "wird die Gegenseite weitermachen". Auch Czaszkoczy will bei einer Niederlage zur Not bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschrechte gehen. Damit dürfte es in jedem Fall eine ganze Weile dauern, bis er seine erste Lehrerkonferenz erlebt.