Interview

»Ich lasse mich nicht von hier vertreiben!«

Berufsverbot für antifaschistischen Lehrer aus Heidelberg jetzt auch in Hessen. Über zwölf Jahre bespitzelt. Ein Gespräch mit Michael Csaszkóczy Interview: Ralf Wurzbacher

* Michael Csaszkóczy ist Realschullehrer, darf seinen Beruf wegen seiner politischen Einstellung aber nicht ausüben

F: Sie sind ein Linker, haben eine Glatze und tragen haufenweise Ohrringe. Mit solchen Merkmalen darf man hierzulande offenbar kein Lehrer werden. Fragen Sie sich manchmal, in was für einem Staat Sie eigentlich leben?

Daß ich Berufsverbot erhalten habe, hat sicherlich wenig mit meinen ästhetischen Vorlieben zu tun. Dennoch mag der eine oder die andere Ministerialbeamte der Ansicht gewesen sein, »so einer« eigne sich besonders gut, um ihn öffentlich als Freiwild zu präsentieren. Tatsächlich passieren in diesem Verfahren aber immer wieder Dinge, die einen selbst dann schockieren, wenn man sich vorher über dieses Land kaum Illusionen gemacht hat.

F: Erst hat man Sie in Baden-Württemberg abgewiesen, jetzt auch in Hessen. Was sollen Sie verbrochen haben?

Vorgeworfen wird mir in erster Linie die Mitgliedschaft in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD). Unterfüttert wird das Ganze durch eine Akte des Verfassungsschutzes, die eine über zwölfjährige Bespitzelung dokumentiert. Registriert wurde zum Beispiel meine Teilnahme an Antikriegsdemonstrationen und meine Mitautorschaft an einer Dokumentation über eine Widerstandsgruppe im Dritten Reich. Mittlerweile wird auch meine Aktivität für die Rote Hilfe e. V. und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, die VVN-BdA, als Beleg für meine Verfassungsfeindlichkeit angeführt.

F: Sie sollen sich angeblich als Anhänger von Militanz geoutet haben. Was hat es mit diesem Vorwurf auf sich?

Im Verlauf einer Gesinnungsprüfung vor dem Oberschulamt in Karlsruhe wurde ich aufgefordert, mich von folgendem Satz aus einer Plattform der AIHD zu distanzieren: »Militanz ist für uns ein legitimes Mittel im Kampf um Befreiung.« Dazu war ich nicht bereit, allein schon aus Respekt vor den Menschen, die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv waren. Im übrigen bedeutet »militant« laut Duden »mit kämpferischen Mitteln für eine Überzeugung eintretend«. Als Beispiel wird »eine militante Pazifistin« genannt. Welcher politisch denkende Mensch könnte sich davon distanzieren?

F: Warum suchen Sie Ihr Glück auch ausgerechnet in den erzkonservativen Ländern Baden-Württemberg und Hessen?

Das hat in erster Linie damit zu tun, daß ich seit meiner Geburt in Heidelberg lebe und nicht bereit bin, mich aus politischen Gründen von hier vertreiben zu lassen. Außerdem stehen die Chancen in SPD-regierten Ländern nicht unbedingt besser. Im Verfassungsschutzbericht von Otto Schily finde ich Erwähnung als »ein Heidelberger Realschullehrer, der wegen seiner Mitgliedschaft in einer linksextremistischen Gruppierung auf absehbare Zeit nicht zum Schuldienst zugelassen wird«.

F: Haben Sie sich beruflich bereits umorientiert?

Nein. Ich arbeite gerne mit Jugendlichen, und ich unterrichte gerne. Hinzu kommt, daß sich an meinem Fall entscheiden wird, ob die BRD tatsächlich nach 20 Jahren wieder ihre menschenrechtswidrige Berufsverbotspraxis aufnimmt. Es geht also nicht allein um meine persönliche berufliche Zukunft.

F: Wie groß ist Ihre Hoffnung, daß Ihnen vor Gericht Gerechtigkeit widerfährt? Ihr Fall wird vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe verhandelt.

Letzten Endes ist das eine Frage, die nicht juristisch, sondern politisch entschieden wird. Auch Gerichte agieren nicht im luftleeren Raum. Es wird darauf ankommen, genügend Öffentlichkeit und politischen Druck herzustellen.

F: Auf wessen Unterstützung können Sie zählen?

Die Unterstützung beschränkt sich erfreulicherweise schon lange nicht mehr auf die linke Szene. Von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft erhalte ich Rechtsschutz und inhaltliche Hilfen. Auch andere Gewerkschaften und Menschenrechtsgruppen wie die Internationale Liga für Menschenrechte oder das Komitee für Grundrechte und Demokratie haben sich erfreulich eindeutig positioniert. Berufsverbote sollen ja immer dazu dienen, die Betroffenen zu isolieren und eine Bewegung in »Gute« und »Böse« zu spalten. Das ist zum Glück gründlich mißlungen.

junge Welt vom 18.11.2005