Jungle World Nr. 8 vom 11.2.2004


Du fährst zu oft nach Heidelberg

Berufsverbot.

Stell dir vor, du willst Lehrer werden, aber man lässt dich nicht.
Erinnerungen an die siebziger Jahre werden wach.

Da war doch mal was?

Mitte Dezember vergangenen Jahres teilte das Oberschulamt Karlsruhe dem
Heidelberger Michael Csaszkoczy mit, das Innenministerium habe gegen
seine Einstellung als Realschullehrer zum neuen Schuljahr Einspruch
erhoben. Es bestünden Zweifel daran, ob er jederzeit bereit sei, für die
freiheitliche demokraktische Grundordnung einzutreten. Die Zweifel
hätten sich aus Informationen des Bundesamtes für Verfassungsschutz
ergeben, die zehn Jahre lang gesammelt wurden.
Csaszkoczy ist seit Jahren aktiv in der Antifaschistischen Initiative in
Heidelberg und setzt sich für das dortige Autonome Zentrum ein. Jetzt
wartet er auf einen Termin für eine Anhörung, bei der er die Gelegenheit
haben wird, die Zweifel an seiner Verfassungstreue auszuräumen. Faktisch
unterliegt er damit zurzeit einem Berufsverbot, wie das
Solidaritätskomitee gegen das Berufsverbot Michael Csaszkoczys in einer
Pressemitteilung feststellt.
Die Verhinderung der Berufsausübung von Lehrern, Postbeamten und anderen
Personen im öffentlichen Dienst, die als "radikal" gelten, hat eine
Tradition in Deutschland, die man jedoch mit einem Urteil des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte aus dem Jahr 1995 für
beendet halten konnte. Damals erklärte das Gericht die Meinungs- und
Vereinigungsfreiheit einer Lehrerin für eingeschränkt. Der so genannte
Radikalenerlass trat 1972 in Kraft. Er zog 3,5 Millionen Regelanfragen
beim Verfassungsschutz, rund 10 000 Nichteinstellungen und 130
Entlassungen nach sich.