Die Bundesregierung hält
Berufsverbote für politisch unliebsame Bewerber im öffentlichen
Dienst weiterhin für gerechtfertigt. Das geht aus einer Antwort
auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zur gegenwärtigen und
früheren Berufsverbotspraxis hervor.
Aufgrund des
sogenannten Radikalenerlasses aus dem Jahr 1972 wurden bis 1991 gegen
etwa 1100 Personen Berufsverbote ausgesprochen und 130 Personen aus
dem öffentlichen Dienst entlassen. Betroffen waren insbesondere
Mitglieder kommunistischer Organisationen. Der europaweit
einzigartige Erlaß wurde im In- und Ausland scharf kritisiert.
Daher stellte der Bund im Jahr 1979 die Regelanfrage beim
Verfassungsschutz auf Verfassungstreue von Bewerbern für den
öffentlichen Dienst zugunsten von Bedarfsanfragen ein. Als
letztes Bundesland verzichtete auch Bayern 1991 auf die Regelanfrage.
Dafür gab es in den 90er Jahren neue Berufsverbote gegen
ehemalige Funktionsträger der SED sowie von Massenorganisationen
und Behörden der DDR.
1995 hatte der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte (EMGR) in Strasbourg im Falle
einer wegen ihres Engagements in der Deutschen Kommunistischen Partei
(DKP) aus dem Schuldienst entlassenen Beamtin entschieden, daß
der »Radikalenerlaß« gegen die Menschenrechte auf
Meinungs- und Koalitionsfreiheit sowie das Prinzip der
Verhältnismäßigkeit verstoße.
Gesetzgeberische
Konsequenzen aus dem Urteil lehnt die Bundesregierung bis heute ab.
Die Entscheidung des EGMR betreffe lediglich einen konkreten
Einzelfall. Zudem habe der Gerichtshof ausdrücklich anerkannt,
daß Deutschland aufgrund seiner historischen Erfahrungen in der
Weimarer Republik das Recht habe, von seinen Beamten Treue zu den
Verfassungsgrundsätzen zu verlangen. Daher »besteht auch
weiterhin keine Veranlassung, allgemeine Konsequenzen aus dem Urteil
des EGMR vom 26. September 1995 im Fall Vogt zu ziehen«, heißt
es in der am Mittwoch zugestellten Antwort der Bundesregierung auf
die Anfrage der Linksfraktionsabgeordneten Ulla Jelpke. Das Urteil
würde bei der Einzelfallprüfung beachtet.
Im Falle
des Lehrers Michael Csaszkóczy, dem wegen seines Engagements
in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg die Übernahme in
den Schuldienst verweigert wurde, fand eine solche Einzelfallprüfung
nicht statt. Deswegen entschied das Darmstädter
Verwaltungsgericht am vergangenen Donnerstag, die Schulbehörde
müsse die Bewerbung des Lehrers erneut überprüfen.