Junge Welt, 06.09.2005
Innenministerium kontra Antifaschisten
Berufsverbot für den baden-württembergischen Lehrer Michael Csaszkóczy nun auch in Hessen verhängt
Wiederbelebung der Berufsverbotspraxis. Mit diesen Worten
kommentiert das »Solidaritätskomitee gegen Berufsverbote«
das Verhalten staatlicher Stellen gegenüber dem Realschullehrer
Michael Csaszkóczy aus Heidelberg.
Csaszkóczy
hatte sich in den letzten Jahren mehrfach an baden-württembergischen
Schulen beworben. Ende 2003 wurde ihm vom Oberschulamt Karlsruhe
mitgeteilt, daß das Innenministerium gegen seine Einstellung
interveniert habe. Grund für die Verweigerung einer Einstellung
seien demnach Zweifel daran, ob sein Engagement bei der
»Antifaschistischen Initiative Heidelberg« (AIHD) in
Übereinstimmung mit einem geforderten Eintreten für die
freiheitlich-demokratische Grundordnung zu bringen sei.
Nun
ist dem in Baden-Württemberg aus politischen Gründen mit
Berufsverbot belegten Realschullehrer zu Beginn dieses Schuljahres
auch in Hessen die Ausübung seines Berufs verwehrt worden.
Darauf weist das »Solidaritätskomitee« in einer am
Wochenende herausgegebenen Pressemitteilung hin.
Demnach hat
sich Csaszkóczy auf die Ausschreibung einer Stelle an der
Martin-Buber-Schule im südhessischen Heppenheim beworben. Die
Schulleitung und das zuständige staatliche Schulamt seien sich
bereits einig gewesen, daß er unter allen Bewerbern den
Anforderungen am besten entsprochen habe. Doch aus der Einstellung
nach Ende der Schulferien Anfang September sollte trotzdem nichts
werden.
Wie das »Solidaritätskomitee«
berichtet, habe am Freitag letzter Woche der Schulleiter vor der
ersten Lehrerkonferenz eine Weisung erhalten, den Vertrag auf keinen
Fall zu unterschreiben. »Trotz Protesten seitens des
Schulleiters und des zuständigen Personalrats blieb das Schulamt
bei seiner Position und berief sich auf eine kurzfristige
Intervention des Innenministeriums«. Womit klar sei, daß
die beiden CDU-Landesregierungen in Hessen und Baden-Württemberg
auf die Wiederbelebung der Berufsverbotspraxis setzen.
Lange
Zeit war der 1972 eingeführte »Erlaß zur
Beschäftigung von Radikalen im öffentlichen Dienst«
nicht mehr angewendet worden. Hintergrund des sogenannten
Radikalenerlasses war der Versuch staatlicher Stellen, im Zuge einer
Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre entstandenen starken linken
Bewegung politisch unliebsame Menschen aus dem öffentlichen
Dienst fernzuhalten.
Eine Praxis, die nach einem vor zehn
Jahren ergangenen Urteil des Europäische Gerichtshofs
menschenrechtswidrig ist, weil sie gegen die Grundrechte auf
Meinungs- und Vereinigungsfreiheit verstoße.
Die
baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU),
die von ihrer Partei in einem Kabinett Merkel als Ministerin
vorgesehen ist, hatte im letzten Jahr erklärt, mit der Mitarbeit
in der »Antifaschistischen Initiative Heidelberg« stehe
Csaszkóczynicht mehr auf dem Boden der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Ein Dorn im Auge
könnte staatlichen Stellen außerdem Csaszkóczys
Engagement in der Antikriegsbewegung und sein Einsatz für das
Autonome Zentrum (AZ) in Heidelberg sein.
Ob von deutschen
Gericht die Praxis gestoppt wird, derartige Aktivitäten als
Grund dafür heranzuziehen, eine Anstellung als Lehrer zu
verweigern, wird sich demnächst zeigen. Das Verwaltungsgericht
Karlsruhe wird über das Berufsverbot in Baden-Württemberg
verhandeln.
Thomas Klein