Artikel aus der Heilbronner Stimme vom 27.08.04 Aus der Mottenkiste Ein Lehrer wird mit Berufsverbot belegt Von Peter Reinhard Sorgsam meidet Annette Schavan die durch jahrzehntelange Auseinandersetzungen vorbelasteten Begriffe Berufsverbot und Radikalenerlass. Doch der Fall des Heidelberger Nachwuchslehrers erinnert durchaus an die vergessen geglaubte Praxis der 70er Jahre: Während des Referendariats hat es keinerlei Klagen über Verstöße gegen die Pflicht zur politischen Neutralität oder versuchte Beeinflussung von Schülern gegeben. Der Pädagoge bekennt sich zwar zu einer vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuften Gruppierung, bei deren Demonstrationen es mehrfach Gewalttätigkeiten gab. Aber ihm selbst konnte nie eine Straftat nachgewiesen werden. Als Lehrer abgelehnt wurde er also wegen seiner Gesinnung. In einem Land, in dem ein Mann, der in seinen jungen Tagen Steine geworfen hat, es zum hoch angesehenen Außenminister bringen kann, ist das schwer nachvollziehbar. Andere Bundesländer haben nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die rechtliche Grundlage dieser Berufsverbote aus ihren Gesetzen getilgt. Offenbar wollte Schavan, die mancher in der CDU für zu liberal hält, mit ihrer Entscheidung ein politisches Zeichen setzen. Darauf deutet auch ihr Rückgriff auf die wehrhafte Demokratie hin, die konservative Christdemokraten gerne beschwören. Die Ministerin hätte statt des faktischen Berufsverbots zu milderen Reaktionsformen greifen können.
Heidelbeger Pädagoge wird nicht in Schuldienst übernommen - Mitglied in extremistischer Vereinigung Schavan verhängt Berufsverbot Von Peter Reinhardt Nach mehr als zehn Jahren gibt es in Baden-Württemberg wieder ein Berufsverbot für einen Lehrer. Kultusministerin Annette Schavan verweigert dem Heidelberger Nachwuchs-Pädagogen Michael Csaszkóczy die Übernahme in den Schuldienst. Alles hat nichts genutzt. Anfang August, also mitten in den Ferien, waren vier Schülerinnen aus Mosbach und Eberbach nach Stuttgart gefahren, um Schavan 560 Unterschriften zu überbringen. Gesammelt hatte die das "Solidaritätskomitee gegen das Berufsverbot für Michael Csaszkóczy". Der Chef der Lehrergewerkschaft GEW, Rainer Dahlem, nannte es "unerträglich und erschreckend, dass dieses undemokratische und diskriminierende Mittel jetzt wieder angewandt wird". Die Heidelberger Grünen-Abgeordnete Theresia Bauer zweifelte an der Verhältnismäßigkeit. Doch Schavan ließ sich nicht erweichen. "Wer Mitglied in einer extremistischen Gruppierung ist, sich darin aktiv gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung stellt und Militanz als angemessenes Mittel der Auseinandersetzung sieht, kann nicht als Lehrer in öffentlichen Schulen wirken", begründete sie gestern die Entscheidung gegen den 34-Jährigen. Csaszkóczy, der sein Referat an der Theodor-Heuss-Realschule mit der Note 1,8 abgeschlossen hat, ist Mitglied in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg. Der Verfassungsschutz stuft die Gruppierung als linksextremistisch ein. Im Kultusministerium betont man, dass der Lehramtsanwärter dort eine "maßgebliche Rolle" spielt. Mehrfach sei es bei Demonstrationen der Initiative zu Gewalttätigkeiten gekommen. Csaszkóczy versteht sich selbst als Kommunist. Mehrfach war er als Demonstrant gegen Nazi-Kundgebungen verhaftet worden. Alle angestrengten Ermittlungsverfahren seien eingestellt worden. Aber erst dabei habe er erfahren, dass der Verfassungsschutz ihn schon seit zwölf ššJahren im Visier hat. Sein Anwalt geht davon aus, dass Csaszkóczy nach seinem Urlaub Widerspruch gegen die Ablehnung einlegt. Die GEW reagierte mit scharfer Kritik auf Schavans Entscheidung. Die Landesregierung müsse endlich die rechtlichen Grundlagen für den so genannten "Radikalenerlass" streichen, forderte Dahlem. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe solche Berufsverbote schon 1995 als menschenrechtswidrig gebrandmarkt. Und während des Referendariats, betont Dahlem, habe es keine Beanstandungen gegeben. Bauer schlägt vor, Csaszkóczy im Angestelltenstatus zu übernehmen, wenn es Zweifel an seiner Verfassungstreue gibt. "An seinen Taten soll man ihn messen, nicht an der Gesinnung." (Zitat im Kasten:) "Das ist unerträglich und erschreckend." Rainer Dahlem