Freitag, 31.03.2006
Rolf Gössner
Der diskriminierte Staat
BERUFSVERBOT BESTÄTIGT
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe verkündet ein Urteil, aus dem ein illiberaler, staatsautoritärer Geist spricht
Wer den Prozess von Michael Csaszkóczy
gegen das Land Baden-Württemberg vor dem Verwaltungsgericht
Karlsruhe beobachtet hat, konnte bereits erahnen, dass die Richter
die Klage abweisen würden. Csaszkóczy prozessierte gegen
ein bundesweit einzigartiges Berufsverbot, das vom Kultusministerium
bereits 2004 gegen ihn verhängt worden war, als er
beabsichtigte, Realschullehrer im öffentlichen Schuldienst zu
werden. Das Ministerium hatte dies mit seinem Engagement in einer
"linksextremen" Initiative gegen neonazistische
Bestrebungen begründet. Ein Antifaschist als Lehrer - das geht
im Ländle offenbar zu weit, weckt Zweifel an der
Verfassungstreue des Kandidaten.
Doch Csaszkóczys
Klage vor dem Verwaltungsgericht blieb ohne Erfolg. Aus der nun
vorliegenden schriftlichen Urteilsbegründung spricht ein
illiberaler, staatsautoritärer Geist vergangen geglaubter
Zeiten. Bereits während der Gerichtsverhandlung äußerte
der Vorsitzende Richter "Anlass zur Befürchtung", dass
der Kläger gerade in seinen Fächern Deutsch und Geschichte
"ein Bild unseres Staates" zeichne und an Schüler
weitergebe, "das von Seiten des Landes als diskriminierend
angesehen wird". Der von einem Realschullehrer diskriminierte
Staat - auf ein solches Bedrohungsszenario wäre noch nicht
einmal der Landesvertreter gekommen.
Was hat Michael
Csaszkóczy verbrochen, was hat er geschrieben oder gesagt,
dass von Amts wegen so über ihn gesprochen wird? Weder während
der mündlichen Verhandlung noch im Urteil wurden dem Kläger
persönliches Fehlverhalten oder gar verfassungsfeindliche
Aktionen zur Last gelegt - im Gegenteil: Von allen Seiten wurde ihm
bescheinigt, Engagement und Zivilcourage gegen Rechtsextremismus zu
zeigen, friedliebend und für seinen Beruf bestens qualifiziert
zu sein. Nie habe er während seiner Referendarszeit versucht,
Schüler zu indoktrinieren.
Was also macht ihn in den
Augen des Gerichts für den Lehrerberuf untragbar? Es ist allein
seine Mitgliedschaft in der "Antifaschistischen Initiative
Heidelberg" (AIHD). Diese Gruppe sei "linksextremistisch",
schließlich sei auf der AIHD-Homepage von Militanz die Rede und
davon, dass sich auf parlamentarischem Weg die
Unterdrückungsverhältnisse nicht grundlegend verändern
ließen. Kein einziger eigener Text, keine einzige eigene Rede,
keine einzige konkrete Handlung wurde Csaszkóczy angelastet,
sondern ausschließlich fremde Texte. Auch nutzte es dem Kläger
nichts, dass er vor Gericht ausdrücklich die Verfassung bejahte,
Gewalt gegen Personen und Sachen ablehnte und auch den
Parlamentarismus befürwortete. Damit mochte sich das Gericht
nicht zufrieden geben, denn es fordert von einem Staatsdiener weit
mehr: nämlich ein "positives, ein besonderes
Treueverhältnis zum Staat" - und zwar zu diesem unseren
Staat, so wie er ist, "nicht zu einem gewünschten,
fiktiven", wie er dem Kläger möglicherweise
vorschwebt.
Aber es sei doch legitim, versuchte Michael
Csaszkóczy einzuwenden, Missstände aufzuzeigen: "Auch
der Staat muss doch kritisiert werden dürfen - das gehört
zur Demokratie." Dem konnte sich das Gericht zwar nicht
verschließen, aber die AIHD ginge zu weit. Diese Gruppierung
behaupte, gewalttätige rassistische Angriffe seien zur
Normalität geworden; es gebe einen "immer drastischer
werdenden Rechtsruck in Staat, Parteien und großen Teilen der
Gesellschaft" und ein Bruch mit der NS-Vergangenheit sei nur
"vermeintlich" vollzogen worden. "Mit solchen
Ausführungen werden die Grenzen einer legitimen Kritik unseres
Staates und seiner Verfassung mit Augenmaß weit überschritten",
wettert das Gericht in seinem Urteil: "Hier wird die
Bundesrepublik Deutschland haltlos angegriffen und diffamiert".
Auch wenn der Kläger als "engagierter Streiter
gegen Rechts und für friedliche Auseinandersetzungen mit der
Staatsmacht" geschildert werde, so schließe dies "eine
tiefgreifend negative Einstellung gegenüber unserem Staat und
seiner Verfassungsordnung nicht aus". Denn: "Auch wer aus
übersteigerter Sensibilität für bestimmte positive
Prinzipien oder aus lebensfremdem Idealismus heraus unseren Staat und
das Handeln seiner Verfassungsorgane wegen stets möglicher
Missstände verachtet, grundsätzlich ablehnt und bekämpft,
ist als Beamter dieses Staates ungeeignet, weil er die besondere
politische Treuepflicht wegen seiner ablehnenden inneren Einstellung
nicht garantieren kann." Weil die inkriminierten Texte fraglos
nicht von Csaszkóczy stammen, findet das Gericht folgenden
Dreh: "Auch wer aus moralischem Rigorismus, Naivität oder
Leichtgläubigkeit eine Gruppe unterstützt, von der sich ein
Beamter distanzieren müsste, handelt gegen die beamtenrechtliche
Treuepflicht."
Es dürfte wohl gerechtfertigt sein,
angesichts solcher Sätze von einem Staatsschutz-Urteil zu
sprechen, denn die Richter argumentieren nicht so sehr verfassungs-
und demokratieorientiert als vielmehr staatsfixiert - die Staatstreue
wird zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Argumentation, mit der ein mehr
als zweifelhaftes Berufsverbot gerichtlich abgesegnet und zudem an
die berüchtigte Berufsverbotspolitik früherer Jahrzehnte
angeknüpft wird.
Die Bundesrepublik Deutschland wurde
bereits einmal für die Verhängung eines Berufsverbots vom
Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg
verurteilt - nachdem alle Instanzen deutscher Gerichte jenes Verbot
für rechtens erklärt hatten. Insofern ist es durchaus
sinnvoll, dass Michael Csaszkóczy Rechtsmittel gegen das
Urteil einlegen wird - auch wenn der Weg durch die Instanzen mühsam
und kostenträchtig ist und viel Zeit beansprucht.
Dr.
Rolf Gössner, Rechtsanwalt und Publizist, hat im Auftrag der
Internationalen Liga für Menschenrechte, des Komitees für
Grundrechte und Demokratie und des Republikanischen Anwältinnen-
und Anwaltsvereins den Berufsverbotsprozess beobachtet.