Frankfurter Rundschau, 15.03.2007


Linker Lehrer darf unterrichten


Teilerfolg für einen "Staatsfeind"


Das Land Baden-Württemberg muss neu über die Einstellung eines politisch aktiven Lehrers in den Schuldienst entscheiden. Der Mannheimer Verwaltungsgerichtshof (VGH) hob die Ablehnungsbescheide auf.

Stuttgart - Michael Csaszkóczy ist erleichtert, wenn auch nicht euphorisch. Zu viele Jahre des Streits liegen hinter ihm, in denen er sich als "Staatsfeind" fühlte. Der 36-Jährige Lehramtsanwärter lebt von einem Stipendium und schreibt an seiner Doktorarbeit. Doch seinem Ziel, an einer Schule zu unterrichten, war er bis zum Mittwoch keinen Schritt näher gekommen. Er stehe beruflich "vor dem Nichts", hatte Csaszkóczy vor der Verhandlung vor dem VGH gesagt.

Nun hat Csaszkóczy wieder eine realistische Chance - drei Jahre nach der ersten Ablehnung durch das Oberschulamt und fünf Jahre nach seiner Bewerbung um eine Stelle an einer Realschule. Im August 2004 war ihm der Eintritt in den Schuldienst verweigert worden. Der Staat hatte Zweifel an seiner Verfassungstreue. Csaszkóczy, ein Mann mit kurz geschorenem Schädel, Piercings und Ringen im Ohr, engagiert sich seit Jahren in der "Antifaschistischen Initiative Heidelberg". Er demonstrierte mal gegen Neonazi-Aufmärsche, mal gegen den Irak-Krieg. Dem Verfassungsschutz reichte das, ihn als Linksextremen einzustufen. Damit durfte er weder in Baden-Württemberg noch in Hessen unterrichten.

Das Verwaltungsgericht bestätigte die Abweisung durch das Oberschulamt. Erst die Mannheimer VGH-Richter sahen es anders. Eine "Sündenliste des Verfassungsschutzes" sei nicht geeignet, die Annahme mangelnder Verfassungstreue zu begründen, lautete ihr Urteil. Gleichwohl lägen derzeit die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verpflichtung des Landes zur Übernahme des Klägers ins Beamtenverhältnis nicht vor.

Die oppositionellen Grünen in Baden-Württemberg begrüßten den Spruch. Das sei ein "Teilerfolg für den Betroffenen und ein Erfolg für den Rechtsstaat", sagte die Fraktionsvize im Landtag, Theresia Bauer. Damit werde der politische Kurs zurück in die längst vergangen geglaubten Zeiten der Berufsverbote gestoppt. Die Bildungsgewerkschaft GEW empfiehlt, das Urteil "als Chance" zu betrachten und - signalkräftig als Schlussstrich unter das Thema Berufsverbot - den Lehrer sofort einzustellen.

Kultusminister Helmut Rau (CDU) gab sich extrem schmallippig. Er müsse erst einmal die genauen Gründe anschauen, die das VGH ins Feld führe. Das zuständige Oberschulamt muss neu über Csaszkóczys Antrag befinden. Rau kann dem Urteil aber "nicht entnehmen, dass wir gezwungen wären, ihn einzustellen". Eine Revision wurde nicht zugelassen.


Gabriele Renz

(Az.: 4 S 1805/06)



Kommentar zum Radikalen-Urteil


Ohrfeige


Der Fall des politisch engagierten Pädagogen Michael Csaszkóczy zeigt, wie schädlich eine Gesinnungsprüfung ist. Der Realschullehrer verlor bei seinem jahrelangen Kampf vor Gerichten viel Zeit und Geld, bevor er vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einen Teilerfolg erzielte. Eingestellt wird er zwar nicht. Doch die Richter sehen in ihm keinen Verfassungsfeind, wie es das Land behauptete, nur weil er gegen Neonazis und den Irak-Krieg demonstrierte. Die Richter beeindruckte die "Sündenliste" des Verfassungsschutzes nicht. Das ist eine Ohrfeige für die Behörden.

Politiker hätten das Debakel verhindern können, wollten es aber nicht. Denn viele hoffen immer noch, per Radikalenerlass Menschen mit vermeintlich falscher Gesinnung aus dem öffentlichen Dienst heraushalten zu können. Das zeigt auch die Idee, in Mecklenburg-Vorpommern Extremisten auf diese Weise den Zugang zu wichtigen Ämtern in der Verwaltung zu verwehren. Der Griff in die politische Mottenkiste ist nicht nur wenig innovativ. Er zeigt auch, wie hilflos einige Politiker sind und wie wenig Vertrauen sie in die Demokratie haben.

Statt der Willkür das Wort zu reden, sollten sie sich daran orientieren, dass die Freiheit immer die Freiheit des Andersdenkenden ist. Alles andere regelt das Strafgesetzbuch.

Andreas Schwarzkopf