Frankfurter Rundschau, 02.08.2007
Der gelinkte Lehrer
Michael Csaszkóczy klagt in Darmstadt gegen sein Berufsverbot aus dem Jahre 2003
VON SEBASTIAN GEHRMANN
Am Tag vor dem Prozess, der dem ganzen Spuk ein Ende setzen soll, holt Michael Csaszkóczy die Vergangenheit ein. Vier Jahre dauert das Martyrium des verhinderten Pädagogen. Vier Jahre, in denen das persönliche Schicksal stets ein Politikum war. Csaszkóczy, ein Mann, zwei Vokale, war drauf und dran, Lehrer zu werden. Leider, so urteilten die CDU-geführten Regierungen in Baden-Württemberg und Hessens in Absprache mit dem Verfassungsschutz, ist das Mitglied einer vermeintlich linksextremen Gruppe kein Demokrat. So einen könne man nicht auf unschuldige Kinder loslassen. „Der Staatsfeind an der Schultafel" (taz), er genießt einen zweifelhaften Ruf. Csaszkóczy, schwarze Jeans, schwarzes Hemd, sitzt im Heidelberger Lokal „Der schwarze Walfisch", schlürft an einem Glas Apfelsaft mit Wasser und wirkt nicht, als ob er ein solches trüben könnte. Als eines von zwei Dutzend Mitglieder der Antifaschistischen Initiative Heidelbergs (AIHD) hat er gegen Aufmärsche von Rechts protestiert und jene Grundrechte verteidigt, die er angeblich mit Füßen tritt. Er ist weder der „Chefrevoluzzer", als der er diffamiert wurde, noch steht er „im Wettbewerb um den besten Demokraten". „Aber Schüler", sagt er, „haben einen Lehrer verdient, der reinen Gewissens in den Spiegel sehen kann und sich nicht selbst verleugnet." Heute nun muss das Darmstädter Verwaltungsgericht befinden, ob Csaszkóczy ein solcher Lehrer ist. Und darüber, ob das Berufsverbot, mit dem man ihm 2003 den Eintritt in den Schuldienst verweigerte, rechtens ist. Im März urteilte der Mannheimer Verwaltungsgerichtshof, eine „Sündenliste des Verfassungsschutzes" sei ungeeignet, die Annahme mangelnder Verfassungstreue zu begründen. Die Richter sahen jedoch keine Verpflichtung des Landes, den Kläger in ein Beamtenverhältnis zu heben, also mahlen die Mühlen der Politik weiter im Schneckentempo. „Im Kultusministerium gibt es keine Bewegung", schnaubt die stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Bildung Hessen (GEW), Carmen Ludwig. „Mit der Lebenszeit eines Menschen", wettert die Gewerkschafterin, „wurde ziemlich unverschämt umgegangen." Sie hofft, dass „das Berufsverbot aufgehoben wird".
Csaszkóczy ist 33 Jahre alt, als er das zweite Staatsexamen ohne Fehl und Tadel und der Note 1,8 ablegt. Lehramtsstudium, Referendariat, keine aktenkundigen Verfehlungen. Erst sein Engagement in der AIHD wird dem passionierten Studienrat für Geschichte, Deutsch und Kunst zum Verhängnis. Der Lehrer aus Leidenschaft kennt die Geschichten aus den 70ern über eine Generation angehender Lehrer unter Generalverdacht. Kommilitonen wurden so abgeschreckt, sich politisch zu engagieren. „Aber Vorsicht ist der Tod der Demokratie."
Csaszkóczy hat sich unzählige Ohrlöcher stechen, aber nie verbiegen lassen. Statt vor Realschülern zu stehen, ist er zur Galionsfigur im Streit um den Radikalenerlass geworden. Vielleicht ist er das Gesicht der Empörung über ein umstrittenes Dekret. Ein Dekret, das 1972 von der Regierung Brandt als „Erlass zur Beschäftigung von Radikalen im öffentlichen Dienst" abgenickt und 1995 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als Verstoß gegen die Meinungsfreiheit getadelt wurde. Csaszkóczy hält Vorträge mit dem Titel "Weg mit dem Berufsverbot - Über die Renaissance einer antidemokratischen Waffe aus Zeiten des Kalten Krieges". Er ist sich bewusst, „dass das Ding politisch ausgefochten wird".
Gewerkschafter gegen den Verfassungsschutz; das hessische Innenministerium gegen die GEW: Csaszkóczy besitzt zwei Mappen seiner Verfahren. Eine rote für Baden-Württemberg und eine grüne für Hessen. Das Bild hat Symbolcharakter. Normalerweise müsste das konservative Gebaren ein gefundenes Fressen für die Opposition sein. Die aber verhält sich verdächtig ruhig. Auf der Suche nach einer Stelle fühlte Csaszkóczy in einem SPD-Land vor. Das Resultat quittiert er mit einem Schulterzucken. Einer, der neben finsteren Typen der Al-Kaida im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird, wird bundesweit geächtet. Das ist, findet Csaszkóczy, „absurd".
DER PROZESS
Vor Prozessbeginn (heute, 9.30 Uhr) wird die GEW vor dem Darmstädter Verwaltungsgericht eine Mahnwache abhalten. „Das Ganze", sagt Sprecherin Carmen Ludwig, „ist nicht als Demonstration angelegt. Es werde keine wütenden Proteste geben und keine Sprechchöre wie: „Hopp, hopp, hopp, Berufsverbote stopp."
Die Sympathisanten wollen für Gerechtigkeit kämpfen, aufklären und sensibilisieren. Dafür, dass Michael Csaszkóczy eine Zukunft hat, während der sich zur gleichen Zeit abermals für seine Vergangenheit rechtfertigen muss. „So habe ich das Gefühl", sagt er, „dass das nicht mein persönliches David gegen Goliath ist".
Von dem Direktor der Heppenheimer Martin-Buber-Schule gibt es nach wie vor die Zusage, Csaszkóczy als Lehrer einzustellen. Zehn Minuten vor seiner Vereidigung verhinderte das zuständige Schulamt 2005 Csaszkóczys Aufnahme in den Schuldienst. An eine Schule in „Hintertupfingen", würde Csaszkóczy sich nach „all den Jahren nicht abschieben lassen".
Nach dem Urteil des Mannheimer Verwaltungsgerichtshofs hat es laut Csaszkóczy von Seiten der Behörden „kein Wort des Bedauerns gegeben". Sollte das Berufsverbot aufgehoben und er eingestellt werden, wird wohl „ein Rechtsstreit um materielle Entschädigungen" folgen.