Erziehung und Wissenschaft, Oktober 2005
Die Jagd geht weiter
Berufsverbot für Michael Csaszkóczy auch in Hessen?
Der Berufsverbotsfall Michael Csaszkóczy (35) geht in die nächste Runde. Nach Baden-Württemberg will auch das Land Hessen den Realschullehrer nicht einstellen. Und das, obwohl sich Csaszkóczy in dem Bewerbungsverfahren um eine Stelle an einer Schule in Heppenheim durchgesetzt und bereits die schriftliche Einstellungszusage des Staatlichen Schulamtes Kreis Bergstraße und Odenwaldkreis vorliegen hatte. Sollte es zu einem Rechtstreit kommen, hat die GEW juristische Unterstützung zugesagt.
Erste Lehrerkonferenz an der Martin-Buber-Schule zur Vorbereitung des Schuljahres 2005/6. Schulleiter Peter Kühn ist froh, dass er sein Team zusammen hat. Auch die Stelle für Deutsch, Geschichte und Kunst, die er ausgeschrieben hatte, ist besetzt. Mit Michael Csaszkóczy, der sich gegen sieben Mitbewerber durchgesetzt hat. Kurz vor Beginn der Konferenz meldet sich das Schulamt Kreis Bergstraße und Odenwaldkreis telefonisch bei Kühn: Der vorliegende Arbeitsvertrag für Csaszkóczy dürfe nicht unterschrieben werden. Hinter vorgehaltener Hand wird dem Schulleiter mitgeteilt, dass das hessische Innenministerium interveniert habe. „Wir waren alle konsterniert“, sagt Kühn. Csaszkóczy muss unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren. Die Stelle bleibt gut zwei Wochen unbesetzt, Unterricht fällt aus. Jetzt gibt es einen Vertretungsvertrag – befristet auf ein Jahr. Unter Ausschluss der Sommerferien, versteht sich.
Das hessische Kultusministerium begründet sein Vorgehen mit Csaszkóczys Verfassungstreue und beruft sich auf das Verbot in Baden-Württemberg. Der verhinderte Lehrer hat von dem Amt eine Aufforderung erhalten, zu dem gesamten Vorgang Stellung zu nehmen. Die GEW ist der Auffassung, dass ein Arbeitsvertrag bereits mündlich - und damit juristisch relevant - zustande gekommen ist. Die Gründe: Die schriftliche Zusage des Schulamtes für die Stelle und damit für den Vertrag, der das Arbeitsverhältnis bis zur Übernahme in den Beamtenstatus regelt. Zudem habe Csaszkóczy durch seine Anwesenheit in Heppenheim gezeigt, dass er das Angebot annehmen will. Die GEW wird den Realschullehrer rechtlich unterstützen.
Die politische Unterstützung der Bildungsgewerkschaft hat Michael Csaszkóczy schon. GEW-Vorsitzender Ulrich Thöne machte gegenüber der Öffentlichkeit deutlich: „Hessens Innenminister Volker Bouffier setzt die ‚Hexenjagd’ der baden-württembergischen Kultusministerin Annette Schavan (beide CDU) fort. Wir weisen das Wiederaufleben der Berufsverbotepraxis zurück.“ Er forderte die Landesregierung auf, Csaszkóczy sofort als Lehrer einzustellen. Dabei berief er sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) für Menschenrechte, der 1995 die Berufsverbotspraxis in der Bundesrepublik als Verstoß gegen die Grundrechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit gerügt hatte. Der sog. „Radikalenerlass“ aus den 70er Jahren, für den der damalige Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) verantwortlich zeichnete, ist formal nie aufgehoben worden - wurde allerdings seit den 90er Jahren nicht mehr praktiziert. Sollten sich Baden-Württemberg und Hessen durchsetzen, wäre dies ein Zeichen, auch in anderen Bundesländern die Berufsverbotsfahne wieder zu hissen und wie vor 30 Jahren Gesinnungsschnüffelei zu betreiben. Damals waren 3,5 Millionen Menschen auf „ihre Verfassungstreue“ überprüft worden.
„Bitter“. Dieses Wort fällt am häufigsten, wenn man sich mit Michael Csaszkóczy unterhält. In der Tat ist es bitter, wenn man hoch qualifiziert – fachlich sogar besser als andere Kolleginnen und Kollegen – und arbeitslos ist. Es ist bitter, wenn man von gut 300 Euro ALG II leben muss. Und es ist bitter, wenn man wegen seines gesellschaftlichen Engagements, der Ausübung des demokratischen Grundrechts der freien Meinungsäußerung vom Verfassungsschutz beobachtet und mit Berufsverbot abgestraft wird. Denn nichts anderes hat Csaszkóczy als Mitglied der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD) gemacht. Und lediglich mit der Mitgliedschaft in der AIHD, die der Verfassungsschutz wegen „Linksextremismus“ beobachtet, begründet, hat Schavan im August 2004 das Berufsverbot gegen Csaszkóczy verhängt. Dienstliche Verfehlungen oder Straftaten hat sie ihm nicht vorgeworfen. Nach der Ablehnung des Widerspruchs Csaszkóczys gegen diese Maßnahme, hat er Klage beim Verwaltungsgericht in Karlsruhe erhoben. Die Verhandlung steht noch aus.
Ein „Schmankerl“ am Rande: Die politische Rückendeckung für die Kultusministerien zu organisieren, fühlte sich ausgerechnet Hans-Jürgen Irmer (CDU) berufen: Der als Rechtsaußen der hessischen Landtagsfraktion bekannte gelernte Lehrer, oft genug mit seinen Vorstößen Ballast in den eigenen Reihen, rechtfertigte als einziger in einer Pressemitteilung das Vorgehen des Innenministeriums.
Ulf Rödde