Aus Erziehung & Wissenschaft 4/2005 (bundesweite Zeitschrift der GEW) Schavan auf Hexenjagd Baden-Württemberg spricht Berufsverbot aus Michael Csaszkóczy ist seit 1989 politisch aktiv. Als Mitglied der Antifaschistischen Initiative Heidelberg(AIHD) engagiert er sich für Antirassismus und Friedenspolitik. Nach seinem Referendariat, das er mit einem Einser-Staatsexamen abschloss, hat er sich als Lehrer für den Schuldienst des Landes Baden- Württemberg beworben. Doch aus seinen beruflichen Plänen wird erst einmal nichts. Kultusministerin Annette Schavan (CDU) verhängte im August 2004 ein Berufsverbot gegen ihn. Begründung: Csaszkóczys Mitgliedschaft im AIHD. Ulrike Noll: Der Widerspruch gegen das Berufsverbot ist abgelehnt worden. Jetzt haben Sie den Klageweg über das Verwaltungsgericht in Karlsruhe beschritten. Michael Csaszkóczy: Das Kultusministerium hatte für meinen Fall klare Direktiven ausgegeben. Mit der Ablehnung hatte ich gerechnet. Dennoch hat sich das Oberschulamt für diese Entscheidung fast drei Monate Zeit gelassen. Offensichtlich wird dort darauf spekuliert, dass sich die Unruhe und die vielfältigen Proteste mit der Zeit totlaufen. Mit unserer Klage soll festgestellt werden, dass meine Nichteinstellung aus politischen Gründen rechtswidrig ist. Mein Ziel: Ich will rückwirkend in den Schuldienst eingestellt werden. Noll: Auf welche Argumente stützen Sie sich vor allem? Csaszkóczy: Es geht bei diesem Verfahren nicht um irgendeinen fehlerhaften Verwaltungsakt, sondern um zentrale Elemente des Grundgesetzes (GG) und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Ich will zeigen, dass das Berufsverbot gegen das GG verstößt. Das Verbot schränkt die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Berufswahl ein. Es benachteiligt mich bei der Bewerbung für das Lehramt wegen meiner politischen Anschauungen gegenüber anderen, bestraft meine politischen Meinungsäußerungen und schließt mich wegen der Mitgliedschaft in einer antifaschistischen Vereinigung vom Lehramt aus. Dabei hat sich die Bundesrepublik verpflichtet, die Europäische Menschenrechtskonvention zu achten, in der freie Berufswahl, Meinungs- und Vereinigungsfreiheit als grundlegende Menschenrechte festgeschrieben sind. Zudem werden sicherlich die Kompetenzen und das Vorgehen des Inlandsgeheimdienstes eine Rolle spielen, der mich nicht nur über mehr als zehn Jahre hinweg überwacht hat, sondern auch selbst aktiv geworden ist, um meine berufliche Existenz zu zerstören. Noll: Ist geplant, vor den EuGH für Menschenrechte zu ziehen? Csaszkóczy: Ich bin entschlossen, alle zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Dabei geht es weniger um mich persönlich, sondern um eine prinzipielle Erwägung: Sollte das Land Baden-Württemberg mit der Wiederbelebung der antidemokratischen Berufsverbote durchkommen, stehen das Recht und die Möglichkeit aller im öffentlichen Dienst beschäftigten Kollegen auf dem Spiel, sich politisch frei zu betätigen ohne Repressalien befürchten zu müssen. Noll: Der Fall hat für Wirbel gesorgt. Wie verhalten sich die Behörden? Csaszkóczy: Oberschulamt und Kultusministerium hüllen sich in Schweigen. Sie versuchen, die Angelegenheit aus zu sitzen. Auf Anfragen und Proteste aus dem In- und Ausland wird – wenn überhaupt – mit Formbriefen reagiert. Da steht dann zu lesen, dass man sich zu einem laufenden Verfahren nicht äußert. Noll: Machen weitere politische Aktivitäten Sinn? Csaszkóczy: Das Kultusministerium ist merklich darum bemüht, dass mein 'Fall' nicht an die große Glocke gehängt wird. Das Ministerium erwartet, dass bald nicht mehr über das Berufsverbot gesprochen wird. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Noll: Das Berufsverbot wird vor allem mit Ihrer Mitgliedschaft in der AIHD begründet. Ein Witz, wenn man sich vor Augen hält, dass sich die Aktionen militanter Neonazis im Bereich Mannheim, Bergstraße und Heidelberg häufen. Csaszkóczy: Das durch den Verfassungsschutz zum Scheitern gebrachte NPD-Verbotsverfahren hat der gesamten neofaschistischen Szene spürbar Auftrieb gegeben. Das ist auch hier in der Region zu merken. Es ist brandgefährlich, rechte Umtriebe mit Nichtbeachtung zu strafen. Nicht nur, weil es gerade in Deutschland ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein müsste, faschistischen Aktivitäten überall entgegen zu treten. Der entscheidende Grund lautet: Die Gesellschaft ist eben nicht nur von einigen wenigen 'Extremisten' bedroht. Der neu erstarkende Faschismus stammt aus der Mitte der Gesellschaft. Die oft jugendlichen Akteure begreifen sich stolz als Vollstrecker der schweigenden Mehrheit. Dieses Gefühl sollten wir ihnen nehmen. Noll: Berufsverbot ist auch staatlich verordnete Arbeitslosigkeit. Wovon leben Sie, wie sehen Ihre Pläne aus? Csaszkóczy: Zur Zeit bin ich gezwungen, vom neu eingeführten ALG II zu leben. Mittelfristig will ich mein wegen des Berufsverbots brachliegendes Promotionsvorhaben wieder aufgreifen. Und schließlich habe ich die Aussicht, in dem Beruf, den ich gelernt habe und der mir Spaß macht, zu arbeiten noch nicht abgeschrieben. Interview: Ulrike Noll Breiter Protest gegen Berufsverbot Dienstliche Verfehlungen oder Straftaten werden Michael Csaszkóczy nicht vorgeworfen. Die Kultusministerin Annette Schavan beruft sich auf den Verfassungsschutz, der Csaszkóczy seit mehr als zehn Jahren beobachtet und die antifaschistische Gruppe, in der er aktiv ist, als linksextrem einschätzt. Csaszkóczy übt Kritik an der Abschiebepolitik der Bundesrepublik, mobilisiert gegen militante Neonazis und deutsche Kriegseinsätze. Das Berufsverbot hat inzwischen nicht nur bundesweit, sondern auch international für Aufsehen und Empörung gesorgt. Ein breites Bündnis aus Menschenrechtsgruppen, Gewerkschaften, insbesondere der GEW, Parteien und antifaschistischen Gruppen protestiert gegen ein Wiederaufleben der Berufsverbotspraxis der 70er Jahre. Es beruft sich dabei vor allem auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) für Menschenrechte, der 1995 die Berufsverbotspraxis der Bundesrepublik als Verstoß gegen die Grundrechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit gerügt hatte. Die GEW Baden-Württemberg fordert die sofortige Einstellung Csaszkóczys: „Wir brauchen gerade in unseren Schulen Lehrkräfte, die sich für demokratische Werte und Ideen einsetzen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass Csaszkóczy in seinem Referendariat gegen seine politische Neutralitätspflicht verstoßen hat“, sagt Landesvorsitzender Rainer Dahlem. Nachdem der Widerspruch Csaszkóczys gegen das Berufsverbot abgelehnt wurde, hat er am 30. November 2004 Klage eingereicht. ur Schande für den Rechtsstaat Kommentar Vor 33 Jahren hatten Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) und die Ministerpräsidenten der Länder gemeint, sie müssten die Demokratie vor so genannten „Extremisten“ schützen. Der Verfassungsschutz kam zu zweifelhaftem Ruhm. Dort liefen die Regelanfragen auf, ob es Zweifel an der Verfassungstreue von Lehrern, Kindergärtnerinnen und Postboten gäbe, wenn sie Mitglied einer zwar zugelassenen, aber vom Verfassungsschutz als kritisch beäugten Organisation oder Partei waren. Schließlich erhielten tausende vermeintliche„Verfassungsfeinde“ Berufsverbot. Die Einmaligkeit der deutschen Repression zeigt sich auch daran, dass es diese Vokabel in anderen Sprachen gar nicht gibt. Konsequenterweise richteten sich die Proteste in Frankreich gegen „Le Berufsverbot“. Die International Labour Organization (ILO), das Europa-Parlament und die UNO-Menschenrechtskommmission forderten die Aufhebung der Berufsverbote. Bundesdeutsche Gerichte jedoch lehnten Einsprüche der Betroffenen gegen die Gesinnungsschnüffelei ab. Das Bundesverfassungsgericht nahm Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung an. Nach mehr als 3,5Millionen „Überprüfungen“ konnte diese antidemokratische Praxis endlich 1995 mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes gestoppt werden. Im Fall einer mit Rechtsschutz der GEW unterstützten Lehrerin hat das Gericht die Verstöße gegen das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit gerügt. Der „Radikalenerlass“ wurde zwar formell nie aufgehoben, aber seit den 90er Jahren nicht mehr praktiziert. Jetzt stünde es einer rot-grünen Bundesregierung gut an, ein Signal zur Rehabilitierung der Berufsverboteopfer zu setzen und Regelungen für eine Wiedergutmachung, zumindest der materiell erlittenen Schäden, auf den Weg zu bringen. Doch 15 Jahre nach Ende des „Kalten Krieges“ droht dem Berufsverbot eine Neuauflage. Bei dem ungeheuerlichen Vorgang in Baden-Württemberg ist es unerheblich, ob die zuständige Kultusministerin Annette Schavan (CDU) meinte, rechten Unions-Mitgliedern einen Kniefall anbieten zu müssen, um beim Wettlauf um die Teufel-Nachfolge mithalten zu können. Es wurde ihr nicht einmal „gelohnt“. Nun wird es Zeit, zur Besinnung zu kommen und dem neuen Anfang von Berufsverboten mit einem Einstellungsangebot an den Heidelberger Kollegen Michael Csaszkóczy ein Ende zu setzen. Alles Andere wäre beschämend für unseren Rechtsstaat. Heiko Gosch