"Die Demokratische Schule" - Zeitschrift der GEW Bayern - Dezember 2004
Was heißt denn hier »Verfassungsfeind«?
Am 26.8.2004 verhängte die baden-württembergische Kultusministerin Schavan gegen den GEW Kollegen Michael (Micha) Csaszkoczy das erste offizielle Berufsverbot in der BRD seit über zehn Jahren. Aufgrund dessen fand am 23.10.2004 in Heidelberg eine überregionale Demonstration statt, bei der sich die GEW, Rote Hilfe, Antifaschistische Organisationen wie die AIHD, der VVN-BdA und zahlreiche Einzelpersonen aus dem links-alternativen Spektrum einfanden. Phillip Heinze sprach für die DDS mit dem betroffenen Kollegen Michael Csaszkoczy.
DDS: Micha, mit welchen Gedanken bist du heute an der Spitze der Demo gelaufen, Seite an Seite mit Betroffenen der Berufsverbote aus den 70er Jahren?
Michael Csaszkoczy: Ein seltsames Gefühl ist das natürlich schon, wenn man plötzlich selbst Gegenstand der politischen Auseinandersetzung ist und quasi ganz offiziell vom Ministerium zum Staatsfeind erklärt wird. Der Kontakt, den ich in den letzten Monaten zu vielen Berufsverbotsopfern aus den 70ern hatte, war und ist für mich sehr wichtig, weil an ihnen klar wird, dass es ja nicht nur eine Kontinuität der staatlichen Verfolgung radikaler Linker gibt, sondern auch eine Kontinuität des Widerstands.
DDS: Dir wird von Kultusministerin Schavan vorgehalten, dass du dich nicht von dem »militanten Ansatz« deiner Gruppe, der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD), distanziert hast. Was bedeutet für dich »Militanz« im antifaschistischen Kontext?
Michael Csaszkoczy: Militant bedeutet laut Duden »kämpferisch für seine Überzeugungen eintretend«, als Satzbeispiele werden genannt: »eine militante Sozialistin, militante Pazifisten«. Dass eine Kultusministerin nicht einmal in der Lage ist, im Bedeutungswörterbuch nachzuschlagen, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Natürlich habe ich keinen Anlass, mich, was den Umgang mit alten und neuen Nazis betrifft, von einer militanten Grundhaltung zu distanzieren. Militanz hat für die AIHD z.B. bedeutet, immer dann, wenn Nazis versuchten, sich mit Aufmärschen zu profilieren, ihnen direkt und persönlich entgegenzutreten und ihnen zu zeigen, dass sie nicht erwünscht sind. Es nützt in solchen Situationen nichts, sich kilometerweit entfernt gegenseitig zu versichern, dass man anderer Meinung ist.
DDS:»Verfassungsfeindlichkeit «, so wurde in letzter Zeit oft diskutiert, ist ein politisch und soziologisch zu definierendes Konstrukt. Sein Antipol –verfassungskonformes Denken und Handeln im Sinne des Grundgesetzes – soll demokratisches Zusammenleben bewirken und bewahren. Ist Antifaschismus antidemokratisch oder verwechseln hier Geheimdienste und viele PolitikerInnen etwas?
Michael Csaszkoczy: Mit der beinahe zur Staatsdoktrin gewordenen Ideologie des Totalitarismus hat eine Vorstellung von Demokratie Einzug gehalten, die sich bemüht, Positionen möglichst »in der Mitte der Gesellschaft« zu besetzen und jede dissidente Position als Bedrohung wahrzunehmen. Eine solche Demokratievorstellung ist stark auf Stabilität und Stagnation ausgerichtet und muss den gesellschaftlichen Wandel fürchten. Mit der historischen Realität der Weimarer Republik, auf die sich solche Vorstellungen in Deutschland oft berufen, hat das nichts zu tun. Die Weimarer Republik ist nicht von links bedroht gewesen. Zur Frage der Verfassungsfeindlichkeit ist es meiner Meinung nach wichtig zu konstatieren, dass es in all den Jahren, in denen ich politisch aktiv war, radikale Linke waren, die versuchten, grundlegende Elemente der Verfassung zu verteidigen (z.B. das Asylrecht oder das Verbot eines Angriffskrieges). Diejenigen, die die Verfassung aushebeln wollten und wollen, sind und waren andere. Über die Verfassungsrealität eines Staates, der Oppositionelle, die nie gegen Gesetze verstoßen haben, über 15 Jahre hinweg vom Inlandsgeheimdienst bespitzeln lässt, wie das in meinem Fall eingestandenermaßen geschehen ist, wäre natürlich noch einiges zu sagen.
DDS: Berufsverbot ist Arbeitslosigkeit oder anders, repressiver Ausschluss aus deinem Wunschberuf des Realschullehrers. Wie wird es bei dir weitergehen und was erhoffst du dir von der gerade entstandenen Solidaritätsbewegung?
Michael Csaszkoczy: Ich verlasse mich, was meine persönliche berufliche Zukunft angeht nicht auf die juristische Auseinandersetzung. Die kann viele Jahre dauern, in denen ich nicht vorhabe, hauptberuflich Berufsverbotsopfer zu sein. Auch die politische Auseinandersetzung, die ich für immens wichtig halte, sollte sich nicht nur um meinen »Fall« drehen. An der Frage des Berufsverbots wird für viele andere mitentschieden, unter welchen Bedingungen künftig emanzipatorische Politik gemacht werden kann und ob das Klima der politischen Einschüchterung, das im öffentlichen Dienst und besonders an den Schulen ohnehin verbreitet ist, sich noch weiter verschärft. Das ist eine politische Frage, deren Diskussion eine möglichst breite Öffentlichkeit verdient.
DDS: Danke, und weiterhin viel Entschlossenheit in deinem/unserem Kampf gegen das Wiederaufleben der Berufsverbotspraxis!