Rückblick
— ein Jahr im Dienst
Berufsverbot:
Nach dem Abschluss des Verfahrens sprach Hildegard Klenk für b&w mit dem
Realschullehrer Michael Csaszk6czy, der seit September 2007 an der
Realschule in Eberbach unterrichtet, über seinen Einstieg in den Beruf.
b&w hatte in den letzten Jahren immer wieder über den
Fall berichtet: Dem Realschullehrer Michael Csaszk6czy wurde 2004 vom
Oberschulamt Karlsruhe und 2005 vom hessischen Schulamt Bergstraße die
Einstellung in den Schuldienst verwehrt. Begründung: Es bestünden Zweifel an seiner Verfassungstreue. Die GEW hat Csaszkóczy politisch und mit
Rechtsschutz unterstützt. Im August 2006 ließ der baden-württembergische
Verwaltungsgerichtshof die Berufung Csaszkóczys
zu. Auch das Darmstädter Verwaltungsgericht
hob den Ablehnungsbescheid des Schulamtes auf. Daraufhin wurde Csaszk6czy zu
Beginn des Schuljahres 2007/08 eine Stelle an der Realschule in Eberbach
angeboten, wo er seitdem unterrichtet.
b&w: Wie war das erste Schuljahr für
dich?
Csaszkóczy: In erster Linie habe
ich das erste Schuljahr - bei aller Freude darüber, endlich unterrichten zu
können - als unglaublich anstrengend empfunden. Ich hatte ja seit fast fünf
Jahren nicht mehr im Beruf gearbeitet und kannte weder die aktuellen Lehrpläne
noch die Schulbücher, erst recht nicht die neue Schule. Von einem Tag auf den
anderen kam die Aufforderung, dass ich
am nächsten Morgen in der Schule in
Eberbach sein soll. Es gab einen
riesigen Presserummel in der Kleinstadt im
Odenwald.
Und
natürlich war ich unsicher, wie Eltern,
Schüler/innen und Kolleg/innen auf mich und meine Vorgeschichte reagieren würden. Meine einzige
Chance, am neuen Arbeitsplatz akzeptiert zu werden, bestand darin,
durch guten Unterricht zu überzeugen. Das hat
mich immens unter Druck gesetzt. Ich
habe aber das große Glück gehabt, auf
ein ganz tolles Kollegium zu treffen, das sich menschlich und kollegial sehr
solidarisch verhalten hat. Auch von den Eltern sind bisher nur positive
Reaktionen gekommen. Insofern habe ich jetzt zu Beginn des neuen Schuljahrs
langsam das Gefvhl, wirklich in meinem Beruf angekommen zu sein.
b&w: Wie war im Rückblick die
„Wartezeit” für dich?
Csaszkóczy:
Mal ganz abgesehen davon, dass die Jahre des Berufsverbots
finanziell sehr prekär waren, war es auch eine unglaublich kräftezehrende
Zeit. Dass ich nicht arbeiten (im Sinne von Geld verdienen) durfte,
bedeutete ja nicht, dass es keine Arbeit gab:
Pressearbeit, Veranstaltungen, Bündnisarbeit
mit Gewerkschaften und politischen Gruppen, die juristische Auseinandersetzung, das alles hat die ganzen Jahre
über unglaublich viel Zeit und Nerven gekostet.
Zu meiner Promotion, die ich zwischenzeitlich gefördert
durch die
Böckler-Stiftung begonnen hatte, bin ich
viel zu wenig gekommen. Und - auch das darf ja mal gesagt werden - psychisch
geht es wohl an niemandem so einfach vorbei, von der Landesregierung über Jahre
hinweg in allen Medien als Staatsfeind öffentlich angeprangert zu werden. Es wird vermutlich noch ein wenig dauern, bis ich das alles wirklich
verdaut habe.
b&w: Welche besonderen Vorkommnisse
gab es im ersten Jahr?
Csaszkóczy: Eine Gruppe von Nazifunktionären
aus Hessen und Rheinland-Pfalz
tauchte zu Beginn des letzten Schuljahres vor
der Schule auf, hat Broschüren und die
„Schulhof-CD” der NPD verteilt und gegen meine Einstellung pro-testiert.
Anschließend wurde ein Video, in dem ein Bild von mir und Aufnahmen von der
Schule, über Youtube ins Netz
gestellt. Für die Schule, die ja
gerade erst den Presserummel um meine Einstellung hinter sich hatte,
war das eine ziemlich schwierige Zeit.
Vom Kultusministerium, das den Nazis über Jahre hinweg die
Steilvorlage für diese Kampagne geliefert hatte, gab es keinerlei öffentliche
Reaktion. Ich habe aber sehr viel Rückhalt aus dem Kollegium und, was mich
besonders gefreut hat, von der SMV bekommen.
b&w: Welche weiteren Folgen hatte das
positive Urteil des VGH für dich z.B. hinsichtlich Anrechnung von
Dienstzeiten, Altersversorgung?
Csaszkóczy:
Das Kultusministerium weigert sich nach wie vor kategorisch,
irgendeine Entschädigung zu zahlen
oder auch nur meine Versorgungsansprüche
anzuerkennen. Das ist letzten Endes ein Zeichen dafür, dass dort immer noch keinerlei Unrechtsbewusstsein existiert, sondern man sich nur durch das
Urteil des Verwaltungsgerichtshofs gezwungen
sah, mich einzustellen. Wir haben deshalb mittlerweile vor dem Landgericht
Karlsruhe Klage erhoben. Es kann meiner Meinung nach nicht sein, dass das
Ministerium vom Verwaltungsgerichtshof die jahrelange Verletzung von
Grundrechten attestiert bekommt und dies zu keiner Konsequenz führt.
Es geht auch darum, ein Zeichen
zu setzen,
dass so etwas kein „Betriebsunfall” ist,
sondern nie wieder vorkommen darf. Das finde ich als Signal für alle angehenden Lehrer/innen wichtig, die
unter einem unglaublichen (nicht nur politischen) Konformitätsdruck stehen.
Auch die vielen hundert Betroffenen der
Berufsverbotsverfahren aus den 1970er und 1980er Jahren sind bis zum heutigen
Tag weder rehabilitiert geschweige denn entschädigt worden.