Als Staatsdiener nicht tragbar?
Linkem Lehrer aus Heidelberg droht Berufsverbot

Von Micha Hörnle

Michael Csaszkoczy hat sich seine Zukunft ganz anders vorgestellt. Denn
eigentlich wollte der 33-Jährige seit Februar in dem Beruf arbeiten, den
er auch gelernt hat: Er war drauf und dran, Realschullehrer zu werden.

Doch im Fall des Heidelbergers wurde nach 25 Jahren zum ersten Mal
wieder der so genannte "Radikalenerlass" angewandt, der seit 1972 gut:
Personen, die - angeblich - nicht auf dem Boden des Grundgesetzes und
der "freiheitlich demokratischen Grundordnung" stehen, sollen vom
öffentlichen Dienst fern gehalten werden.
Nur: Seit 1979 wurde die Praxis der Berufsverbote ausgesetzt, 1995 rügte
der Europäische Gerichtshof die Deutschen, weil der "Radikalenerlass"
mit der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht vereinbar sei.
Der Verfassungsschutz ist sich bei Csaszkoczy sicher: Weil er sich in
der "Antifaschistischen Initiative Heidelberg" engagiert, die die
Behörden als linksextremistisch einstufen, wurde gegen ihn ein
Berufsverbot verhängt. Außerdem werden ihm 20 "willkürlich"
zusammengestellte Vorfälle (Csaszkoczy) zur Last gelegt, darunter eine
Demo gegen den Irakkrieg oder ein RNZ-Interview zur Räumung des
Autonomen Zentrums.
Die Sache ist ziemlich verfahren: Csaszkoczy wird kein Lehrer, solange
er nicht seinem Engagement abschwört. Aber der denkt nicht im Traum daran.


BS: Herr Csaszkoczy, stehen Sie auf dem Boden der Verfassung?

C.: Für jeden, der meine persönliche und politische Biographie kennt - und
das scheint der Verfassungsschutz ja zu tun -, muss diese Frage absurd
klingen. Immer dann, wenn sich mein politisches Engagement auf das
Grundgesetz der Bundesrepublik bezog, ging es um den Erhalt und die
Verteidigung zentraler Verfassungsgrundsätze, etwa um den Erhalt des
Asylrechts oder völkerrechtlicher Grundsätze, wie das Verbot eines Angriffskrieges.
Mein Engagement war legal.
In einem Staat, der sich als Demokratie versteht, muss es allerdings
nicht nur erlaubt sein, darauf hinzuweisen, dass zwischen
Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit oft ein erheblicher
Widerspruch besteht, es ist sogar notwendig. Ich frage mich schon, wie
es um Verfassungsgrundsätze wie Meinungsfreiheit und
Vereinigungsfreiheit tatsächlich bestellt ist, wenn man beispielsweise
Dokumente vor sich liegen hat, die belegen, dass man aufgrund legaler
politischer Betätigung mehr als zwölf Jahre lang vom Geheimdienst
bespitzelt wurde.

BS: Warum versagt Ihnen das Kultusministerium eine Stelle als Realschullehrer?

C.: Das Kultusministerium ist der Ansicht, dass ich nicht Gewähr biete,
jederzeit voll einzutreten für die freiheitlich demokratische
Grundordnung - so der Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen im
Landesbeamtengesetz. Entscheidend für die Zweifel des Kultusministeriums
war nichts, was ich persönlich gesagt, geschrieben oder getan hätte,
sondern lediglich meine Mitgliedschaft in der Antifaschistischen
Initiative Heidelberg (AIHD), die ich nie bestritten habe. Ich wurde bei
einem Anhörungstermin aufgefordert, mich vom Grundsatzpapier der AIHD zu
distanzieren oder mich dazu zu bekennen. Dazu war ich in dieser
pauschalen Form nicht bereit.

BS: Sie sind, gerade als Sprecher des Autonomen Zentrums und auch als
Sprecher der Bunten Linken, einem größeren Publikum bekannt. Haben Sie
dafär Verständnis, wenn manche Eltern ihre Kinder lieber nicht zu Ihnen
in den Unterricht schicken wollen?

C.: Solche Bedenken sind während der Zeit, in der ich an der
Theodor-Heuss-Realschule unterrichtet habe, weder mir noch meinen
Kollegen zu Ohren gekommen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich
dazu Anlass geboten hätte. Zu den Eltern meiner Schüler hatte ich immer
ein sehr offenes und gutes Verhältnis. Weder in meinen fachlichen
Beurteilungen noch im Berufsverbotsverfahren selbst ist jemals der
Vorwurf erhoben worden, ich hätte versucht, Schüler politisch zu
beeinflussen.

BS: Sind Sie nun linksradikal"?

C.: Radikal zu sein bedeutet im Wortsinn, die Dinge an ihrer Wurzel
anzugehen. Die Werte der Französischen Revolution -Freiheit, Gleichheit
und Solidarität -, die ihre erste tatsächliche und zugleich wohl
radikalste Verwirklichung in der Pariser Commune von 1871 erfahren
haben, sind für mich nach wie vor Richtschnur meines politischen
Handelns. Das gilt auch und besonders in einer Zeit, in der die
bürgerliche Gesellschaft von diesen Ideen nichts mehr wissen mag und
den "Markt" quasi als Naturgesetz an ihre Stelle setzt. Insofern
verstehe ich die Bezeichnung "radikaler Linker" durchaus als Auszeichnung.

BS: Wie geht es mit Ihnen weiter, sollte Ihnen das Oberschulamt eine
Stelle versagen?

C.: Selbstverständlich werde ich dagegen klagen. Dabei geht es nicht nur um
mein persönliches Schicksal - immerhin steht meine gesamte berufliche
Existenz auf dem Spiel -, sondern um grundsätzliche Fragen von
Demokratie und Menschenrechten in unserer Gesellschaft. Der
Radikalenerlass wirkt, obwohl er seit 25 Jahren nicht mehr angewendet
wurde, nach wie vor in den Schulen fort. Dort wird eine Atmosphäre von
politischer Einschüchterung und Duckmäusertum erzeugt. Das kann einer
demokratischen Gesellschaft nicht zuträglich sein.
Allerdings kann der Klageweg sich über lange Jahre hinziehen. Bis dahin
bleibt mir nur zu hoffen, dass sich nur eine berufliche Perspektive
eröffnet, bei der nach meinen pädagogischen und fachlichen Fähigkeiten
und nicht nach meiner staatsfrommen Gesinnung gefragt wird.

Boulevard Sonntag, 13.6.2004
(herausgegeben von der Rhein-Neckar-Zeitung,
in Heidelberg kostenlos an alle Haushalte)