Badische Zeitung, 27.08.04, Seite 1 Schavan sperrt Lehrer aus Wegen Mitgliedschaft in linksextremer Gruppe nicht zum Lehramt zugelassen / Berufsverbot? STUTTGART (BZ/dpa). Kehrt die Zeit der Berufsverbote wieder? Das befürchtet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Südwesten. Der Grund: Kultusministerin Annette Schavan (CDU) hat in Heidelberg einem Lehramtsanwärter den Eintritt in den Schuldienst verweigert. Schavan (CDU) begründete ihre Entscheidung am Donnerstag damit, dass die "Antifaschistische Initiative Heidelberg", welcher der 34-jährige Michael Csaszkóczy angehört, sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung stelle und Militanz befürworte. Zweifel an seiner Eignung für den Schuldienst habe der Bewerber nicht ausräumen können. Die GEW nannte diesen Beschluss einen "Rückfall in die Politik der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts". Die Grünen-Abgeordnete Theresia Bauer sprach von einer Wiederbelebung des Radikalenerlasses. Sie erinnerte daran, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Berufsverbote als menschenrechtswidrig eingestuft habe. Der Anwalt des Pädagogen erklärte, sein Mandant werde voraussichtlich Widerspruch einlegen. Das Kultusministerium habe eine "undemokratische Entscheidung" gefällt. Es genüge nicht, sich auf Erklärungen der Gruppierung zu stützen, in der sich Csaszkóczy engagiert habe. "Man muss auch immer darauf sehen, was der Einzelne tut." Sein Mandant habe sich vor allem gegen faschistische Umtriebe und Aufmärsche sowie Aktionen der NPD engagiert. Schavan erklärte: "Demokratie muss sich gerade auch in staatlichen Schulen als wehrhaft erweisen, um Kinder und Jugendliche vor jeder möglichen extremistischen Beeinflussung zu schützen." Die GEW wies darauf hin, dass der Lehramtsanwärter nicht gegen Gesetze verstoßen habe. Auch habe es während seines Referendariats keine Beanstandungen gegeben. Es sei nicht zu erwarten, dass der Mann als Lehrer die Schüler in negativer Weise beeinflusst. Der Verfassungsschutz hatte Csaszkóczy 14 Jahre lang beobachtet. Mehrere Ermittlungsverfahren verliefen im Sande. Gegen seine Einstellung hatte das Innenministerium interveniert. TAGESSPIEGEL Land lehnt Lehrer ab Faktisch ein Berufsverbot Wer den Rechtsstaat aushebeln will, den muss dieser nicht auch noch alimentieren. Das gilt nicht nur für islamistische Hassprediger. Doch dieser berechtigte Grundsatz, sich seiner Feinde zu erwehren, muss sich auf den konkreten und wohl begründeten Einzelfall beschränken, alles andere wäre ein Rückfall in die Gesinnungsschnüffelei. Seit 14 Jahren beobachtet der Verfassungsschutz Michael Csaszkóczy. Und fand heraus, was jeder wissen konnte: dass er für eine antifaschistische Gruppe aktiv war und ist. Mehrfach wurde der angehende Lehrer bei Demonstrationen festgenommen, alle Verfahren wurden eingestellt. Der Mann mag unbequem sein, das allein rechtfertigt kein Berufsverbot. Und um ein solches handelt es sich, allen Wortklaubereien und formalen Einwänden des Kultusministeriums zum Trotz. Es mutet schon merkwürdig an, wenn der Einsatz gegen das Wirken einer Partei, die der Bundesinnenminister verbieten wollte, als verfassungsfeindliche Aktivität gewertet wird. Erst recht dann, wenn als Kronzeuge ausgerechnet der Verfassungsschutz auftritt, der wegen seiner Verwicklungen mit der rechten Partei dieses NPD-Verbotsverfahren kippte. Michael Csaszkóczy hat offenbar nie versucht, Schüler zu indoktrinieren. Bis dahin hat er einen Anspruch, ausschließlich nach seiner Qualifikation beurteilt zu werden. Und danach müsste er in den Schuldienst übernommen werden. Es muss nicht als Beamter sein. Franz Schmider